Holunderbrei und Feuermännchen – Jakub Šolín und seine Märchenillustrationen
Vor einigen Monaten erschien ein zweisprachiges Buch mit Märchen, die früher in den deutschsprachigen Familien in Böhmen, Mähren und Schlesien erzählt wurden. Der Band von Lucie Römer heißt „In der Welt von Rübezahl und den Wassermännern“. Die zahlreichen Illustrationen hat Jakub Šolín beigesteuert. Martina Schneibergová hat sich mit dem Grafiker und Illustrator über die Entstehung der Bilder unterhalten.
Jakub Šolín ist Grafiker, Designer und Illustrator. Er studierte an der Prager Václav-Hollar-Kunstschule. In Japan lernte er die Kunst der dortigen Kalligrafie kennen. Šolín arbeitete einige Jahre lang im Kreativstudio des Tschechischen Rundfunks, für den er viele Logos und Plakate gestaltet hat. Aber er zeichnet nicht nur, sondern macht auch Holz- und Linolschnitte. Und nicht zuletzt schreibt er selbst Märchen. Das zweisprachige Märchenbuch „In der Welt von Rübezahl und den Wassermännern“ ist nicht der einzige Band mit Šolíns Illustrationen. Bei einer Präsentation des Buchs wurde der Künstler gefragt, welche Motive für ihn besonders schwierig gewesen seien. Seine Antwort:
„Es gab nur ein paar anspruchsvolle Momente. Zum Beispiel musste ich lernen, Holunderbrei zu kochen. Zudem sollte ich das Venusvolk zeichnen, das ich nie gesehen habe. Aber es gibt keine wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu anderen Märchenbüchern. Ich befasse mich schon seit Längerem mit Illustrationen in Tagebuchform. Auch in diesem Fall habe ich mich darum bemüht, dass die Bilder an ein Tagebuch erinnern. Sie sollen also den Eindruck erwecken, dass der Zeichner durch die Sudeten wandert und sich in Form von Bildern Notizen zu den Märchen macht.“
Gegenüber Radio Prag International schilderte Jakub Šolín, wie seine Illustrationen in der Regel entstehen:
„Ich lese mir den Text durch und suche dort dann nach einem zentralen Thema, nach einem Symbol. Bei dem aktuellen Buch habe ich mich darum bemüht, für jedes Märchen eine große zweiseitige Illustration zu kreieren, die die Geschichte einleitet. Anschließend folgte noch ein ergänzendes Bild. Es kam jedoch darauf an, wie viel Platz neben dem Text dafür war. Ich versuche immer, eine Interaktion in die Bilder miteinzubeziehen, damit die Kinder die Illustration beim Lesen mit der Handlung in Verbindung setzen und die Geschichte miterleben können.“
In den Märchen und Sagen, die in den deutschsprachigen Familien hierzulande erzählt wurden, treten nicht nur die typischen Helden wie Prinzen, Könige und Wassermänner auf. In den deutschen Märchen spielen beispielsweise die Feuermännchen eine wichtige Rolle. Er habe sich aber zu helfen gewusst, merkte der Künstler an:
„Wenn man ein Feuermännchen zeichnen will, muss man nach ihm in der Nacht suchen. Denn am Tag sind die Feuermännchen irgendwo versteckt oder einfach unsichtbar. In der Nacht leuchten sie. Am besten sind sie kurz vor Mitternacht zu sehen.“
Heilkräuter und Pilze
Šolín musste sich nicht nur mit Märchengestalten, sondern auch in der Botanik gut auskennen, um den Märchenband zu illustrieren.
„Eine verhältnismäßig wichtige Rolle spielen in diesem Buch die Heilkräuter. In einer der Sagen nutzt die Hauptheldin Berg-Klee, um den Teufel zu verjagen. Sie kocht einen Sud aus Berg-Klee und beschmiert damit alles in ihrem Haus. Und sie hat Glück: Der Teufel rennt weg. Als ich die unterschiedlichen Pilze und Heilkräuter zeichnete, habe ich versucht, sie wirklich präzise darzustellen, damit die Kinder sie dann in der Natur wiedererkennen.“
Die Illustrationen für das Märchenbuch waren für Jakub Šolín nicht die erste Zusammenarbeit mit der Journalistin und Autorin Lucie Römer…
„Ich habe schon zuvor als Grafiker mit Lucie an einem Projekt zusammengearbeitet, dieses hat die verschwundenen sudetendeutschen Gräber betroffen. Bei dieser Arbeit hat Lucie erfahren, dass ich auch Illustrator bin. Sie hat mir vertraut und mich beauftragt, ihr Buch zu illustrieren.“
Jakub Šolín musste nicht nur seine Vorstellung von den Feuermännchen präzisieren und lernen, zahlreiche Heilkräuter voneinander zu unterscheiden, sondern er musste auch einen Holunderbrei zeichnen.
„Es war nicht einfach, das Rezept für den Brei aufzutreiben. In meinem Garten wächst zwar Holunder, aber mit dem Rezept war es schwierig. Ich versuche, die meisten Gestalten und Dinge möglichst wahrheitsgetreu darzustellen. Bei uns in Maňávka (Böhmisch Haidl, Anm. d. Red.) im Böhmerwald wird die Geschichte vom kopflosen Reiter Bártl erzählt. Und ihn hat angeblich eben ein Feuermännchen angezündet. Deswegen bin ich einmal am Abend hinausgegangen, um diese Märchenfigur zu skizzieren.“
Hat den Illustrator etwas an den deutschen Märchen aus Böhmen, Mähren und Schlesien überrascht?
„Ich finde, dass es eher Geschichten als Märchen sind. Sie sind, würde ich sagen, irgendwie erwachsener. Zudem enthalten sie viel christliche Symbolik. Sie zeigen in einer netten Form den Kindern, was gut und was schlecht ist. Und das gefällt mir. Vor kurzem habe ich an einer Diskussion über Märchen teilgenommen. Dabei wurde unter anderem befunden, dass auch die bösen Personen in den tschechischen Märchen zu nett dargestellt werden. Ich finde das aber nicht schlecht. Wichtig ist, dass jeder in der Lage ist, eine Lehre aus den Geschichten zu ziehen. Und wenn jemand etwas Schlechtes macht, sollte er fähig sein, für eine Wiedergutmachung zu sorgen.“
Das Märchenbuch „In der Welt von Rübezahl und Wassermännern" wurde 2021 im Verlag des Böhmischen Waldes in Domažlice / Taus herausgegeben. Bei Interesse können Sie das Buch bei der Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien per E-Mail bestellen. Schreiben Sie an [email protected].