Rekordmeister Tschechien: Nirgends in der EU steigt die Staatsverschuldung schneller an

Tschechien ist Spitzenreiter: Nirgends in der Europäischen Union steigen die Staatsschulden nämlich so schnell an wie hierzulande. Dies und einige weitere ökonomischen Entwicklungen kritisiert der tschechische Oberste Rechnungshof (NKÚ) in einer aktuellen Stellungnahme.

Die fünfthöchste Inflationsrate in der EU, neue Rekordwerte bei der Staatsverschuldung und der deutlichste Rückgang bei den Reallöhnen – dies alles moniert der tschechische Oberste Rechnungshof in seiner Stellungnahme zum staatlichen Haushaltsabschluss des Jahres 2022. Sprecherin Hana Kadečková dazu weiter in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Illustrationsfoto: ThisisEngineering RAEng,  Unsplash,  CC0 1.0 DEED

„Dreiviertel aller EU-Länder weisen ein höheres Wachstum des Bruttoinlandproduktes auf als Tschechien. Der Staat ringt immer noch mit hohen Auslagen. Der Anstieg der Ausgaben überschritt in den vergangenen vier Jahren den Anstieg der Einnahmen um 26 Prozent. Dies ist der Hauptgrund für das Haushaltsdefizit.“

Schon seit mehreren Jahren hat Tschechien das höchste Verschuldungswachstum innerhalb der EU. Obwohl der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise negative Auswirkungen auf alle Mitgliedsländer haben, konnten doch die meisten Regierungen ihre Ausstände in letzter Zeit verringern – im Unterschiede eben zu der in Prag. Und Kadečková ergänzt, dass in nur sechs EU-Ländern das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch langsamer wachse als hierzulande.

Dies befördert die schnelle Anhäufung der Staatsschulden. Weitere Gründe für diesen Trend benennt der Ökonom Petr Zahradník, Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates der Regierung:

Petr Zahradník | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

„Die Abschaffung des Superbruttolohns vor knapp drei Jahren hat ziemlich deutlich die Einnahmenseite des Haushalts abgeschnürt. Daraus ergibt sich das Defizit. Die meisten EU-Staaten haben anders gehandelt. Außerdem sind Tschechien im EU-Vergleich ein wenig die Ausgaben entglitten.“

Die festgelegten Kosten der Regierung haben dann auch im vergangenen Jahr erstmals den Wert von einer Billion Kronen (41 Milliarden Euro) überschritten. Ein wichtiger Grund dafür war die Rentenanpassung.

Tschechien hat zwar nach wie vor die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU. Dies reiche aber nicht zur Deckung aller Staatsausgaben, mahnt der Oberste Rechnungshof. Das Finanzministerium erkennt diese Kritikpunkte an. Abhilfe erhoffe es sich vom geplanten Konsolidierungspaket, so Ressortsprecher Filip Běhal:

„Ziel des Paketes ist die Senkung des Haushaltsdefizits um insgesamt 150,7 Milliarden Kronen in den folgenden zwei Jahren. Die fiskalische Konsolidierung sollte aber auch danach noch fortgesetzt werden.“

Die erwähnten 150,7 Milliarden Kronen entsprechen 6,2 Milliarden Euro.

Jitka Erhartová | Foto: ČT24

Der Oberste Rechnungshof erwähnte in seiner aktuellen Stellungnahme auch die Entwicklung der Reallöhne hierzulande. Diese verzeichneten demnach im vergangenen Jahr den stärksten Rückgang in der Geschichte der eigenständigen Tschechischen Republik. Und dieser Trend halte an, erläutert Jitka Erhartová vom tschechischen Statistikamt (ČSÚ):

„Die Reallöhne sind im zweiten Quartal 2023 das siebente Mal in Folge zurückgegangen. Zwar wuchs der durchschnittliche Nominallohn auf rund 43.200 Kronen an. Aber nach Einberechnung der Inflation hat sich der Reallohn um 3,1 Prozent verringert.“

Der benannte Nominallohn entspricht knapp 1790 Euro.

Der Nationale Wirtschaftsrat der Regierung rechnet mit einem Rückgang der Inflation in Tschechien auf etwas unter fünf Prozent bis Ende dieses Jahres. Dann sollte sich auch die Entwicklung der Reallöhne wieder der Konjunktur anpassen, betont Petr Zahradník. Er erwarte, dass ein solches ausgewogenes Verhältnis das kommende Jahr über anhalte, so der Ökonom.

Autoren: Daniela Honigmann , Josefína Folprechtová | Quelle: Český rozhlas
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