Nach Amoklauf in Prag: Abgeräumte Kerzen sollen zu dauerhaftem Denkmal werden
Nach dem Amoklauf an der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität am 21. Dezember haben viele Menschen Kerzen vor dem historischen Universitätsbau entzündet. Am Montag wurden die Grablichter von Studierenden und Dozierenden der Hochschule weggeräumt. Die Kerzen wurden jedoch nicht entsorgt. Stattdessen sollen sie nun weiterverarbeitet werden und in ein Denkmal einfließen, das an die Folgen der schrecklichen Tat erinnern wird.
Die gläsernen Grablichter in die eine Kiste, die Kerzen in Plastikformen in die andere. Helena Láznička hat die Aktion am Montag koordiniert, bei der die Kerzen vor dem Gebäude der Philosophischen Fakultät am Prager Jan-Palach-Platz aufgeräumt wurden. Sie waren dort nach dem Amoklauf vom 21. Dezember von der Öffentlichkeit aufgestellt worden. Niedergelegt hatten die Menschen dabei auch Blumen und andere persönliche Botschaften.
All diese Objekte wurden nun am Montag entfernt. Grund dafür sei nicht nur gewesen, dass das Gebäude wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen soll, wie Martin Pehal von der Philosophischen Fakultät der Presseagentur ČTK sagte. Die Kerzen seien auch das Symbol einer spontanen Reaktion voll von Trauer und Wut gewesen. Dies gelte es nun zu überwinden, so Pehal.
Hinzu kommt, dass die Karlsuniversität am Dienstag an den Studenten Jan Palach erinnert. Dieser hatte sich am 16. Januar 1969 auf dem Wenzelsplatz selbst entzündet. Anlass seines Protests war die Müdigkeit in der Bevölkerung nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes. Wie in jedem Jahr findet auch am Dienstag ein Gedenkakt für den Studenten vor dem Gebäude der Philosophischen Fakultät statt, wofür die Kerzen nach dem Amoklauf nun weichen mussten. An der Aufräumaktion am Montag waren 40 Studierende und Lehrkräfte beteiligt. Der Student Ondřej Doležal war einer der freiwilligen Helfer:
„Das Geschehen an der Fakultät nach diesem Ereignis lässt uns nicht kalt – und das war auch schon zuvor nicht anders. Wir helfen gern, wo wir können. Irgendjemand muss diese Arbeit ja erledigen. Wir sehen einen Sinn darin, die Aufräumarbeiten hier zu unterstützen.“
Nachdem die Lichter am Montag in einem großen Container gelandet sind, wurden sie aber keinesfalls entsorgt. Stattdessen werden sie für ein dauerhaftes Denkmal verwendet, das an den Amoklauf erinnern soll. Zunächst würden die Kerzen dafür weiter sortiert, schildert Helena Láznička:
„Sie standen nun sehr lange dort, einige sind bereits heruntergebrannt. Wir heben nur die Kerzen auf, die noch einen guten Eindruck machen und sich für die Wiederverwertung eignen. Die gläsernen Behältnisse werden entsorgt. Denn die Technik, die für das Denkmal zum Einsatz kommen soll, wird wohl das Einschmelzen von Plastik sein.“
Die Kerzen wurden am Montag der Hochschule für Kunstgewerbe UMPRUM übergeben, deren Gebäude sich direkt gegenüber der Philosophischen Fakultät befindet. Dort sind bereits jene Kerzen gelagert, die nach dem Amoklauf vor dem Karolinum, dem Sitz der Karlsuniversität, niedergelegt worden waren. In der Kunsthochschule soll nun aus den Objekten ein Denkmal entstehen. Wie genau das aussehen wird, sei aber derzeit noch unklar, sagt Martin Pehal:
„Wir arbeiten eng mit der UMPRUM zusammen. Studierende und Pädagogen beider Hochschulen entwickeln eine Idee, was aus den Kerzen werden soll. Über das genaue Vorgehen informieren wir, sobald dazu in der akademischen Gemeinschaft eine Entscheidung gefallen ist.“
Erhalten bleiben sollen vorerst aber nicht nur die Kerzen, sondern auch weitere Gegenstände wie etwa Plüschtiere, die die Trauernden vor dem Fakultätsgebäude niedergelegt hatten. Eingelagert werden könnten sie etwa im Archiv, so Pehal.
Auch nachdem die Gedenkobjekte nun von den Stufen und dem Fußweg vor dem Fakultätsgebäude eingesammelt worden sind, können Menschen weiterhin vor Ort zusammenkommen. So wurde Anfang Januar ein Gedenkfeuer entzündet. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe der Fakultät, vor dem Konzertsaal Rudolfinum auf dem Jan-Palach-Platz. Brennen soll das Feuer noch bis Ende Januar.
Ein dauerhaftes Denkmal aus Kerzen, die an improvisierten Gedenkorten niedergelegt wurden, entsteht im Übrigen nicht zum ersten Mal in Tschechien. Nach dem Tod des ehemaligen Präsidenten Václav Havel gab es ein vergleichbares Projekt. Dabei wurde das Wachs aus Grablichtern in die Form eines riesigen, begehbaren Herzens gegossen. Die Künstler hinter dem Projekt waren Lukáš Gavlovský und Roman Švejda.