Dresdner Musikfestspiele präsentieren konzertante Aufführung von Wagners Walküre in Prag
Die Dresdner Musikfestspiele präsentierten am Samstag die Premiere einer konzertanten Aufführung von Richard Wagners „Walküre“ in der Prager Staatsoper. Dabei spielten das Dresdner Festspielorchester und das Ensemble Concerto Köln unter der Leitung von Kent Nagano. Martina Schneibergová hat vor der Vorstellung mit dem Musikwissenschaftler Kai Hinrich Müller und nach der Premiere mit dem künstlerischen Leiter der Oper des Prager Nationaltheaters, Per Boye Hansen, gesprochen.
Herr Müller, was ist das Besondere an dieser konzertanten Aufführung von Wagners „Walküre“, die in Prag ihre Premiere erlebt?
„Im Grunde sind es drei Bereiche, die das Geheimnis unserer Aufführung bilden. Zum einen sind es die historischen Instrumente. Wir orientieren uns an der Münchner Hofkapelle, einem Orchester, das Wagner sehr geschätzt hat und das von ihm für Bayreuth engagiert wurde. Wir haben alle Instrumente nach den 1870er und 1880er Jahren nachbauen lassen. Unsere Geigen sind unter anderem mit Darmsaiten besaitet, was heute sehr ungewöhnlich ist. Heute spielt man Wagner auf Instrumenten mit Stahlsaiten. Wir haben eine Flöte aus Holz, nicht aus Metall. Das hat Wagner fundamental abgelehnt. Der zweite Punkt ist der Umgang mit der Sprache. Wir gehen sehr stark vom gesprochenen Wort aus. Wagner selbst hat ein Konzept entwickelt, bei dem die Sängerinnen und Sänger zuerst wie im Theater sprechen müssen. Erst dann, wenn alles perfekt gesprochen ist, kommt ein bisschen Musik hinzu. Das haben wir so auch gehandhabt. Und der dritte und letzte Punkt ist der Gesang. Wagner hatte nichts gegen Vibrato, die natürliche Schwingung der Stimme ist wunderbar. Aber dieses Dauer-Vibrato, wie man es heute kennt, ist nicht im Sinne von Wagner. Die ganze Bandbreite des künstlerischen Ausdrucks versuchen wir so in die Stimme zu legen, wie es auch die historischen Quellen unter Wagner zeigen.“
Vor der „Walküre“ wurde im vergangenen Jahr der erste Teil des Rings, das „Rheingold“, aufgeführt. Wie waren die Reaktionen auf Wagner in der historischen Aufführungspraxis?
„Die ,Walküre‘ ist in Prag wirklich die Weltpremiere – in dem traditionellen Wagner-Haus, in der Staatsoper. Das ,Rheingold‘ ist schon ein, zwei Jahre alt. Die Menschen waren begeistert. Es gab auch kritische Stimmen, die sagten, es sei zu provokant. Aber die Resonanz war überwältigend. Es gab viele Menschen, die uns ermutigten und mehr sehen wollten.“
Wird damit gerechnet, dass nächstes Jahr vielleicht wieder mit einer Oper Station in Prag gemacht wird?
„Nach der ,Walküre‘ kommt ,Siegfried‘. Es stehen noch zwei große Opern auf dem Programm. Ich selbst bin Prag sehr eng verbunden – durch das Musica non grata-Projekt an der Staatsoper. Ich würde mir wünschen, wieder hierher zu kommen. Wir werden sehen.“
Herr Hansen, wie kam die konzertante Aufführung der „Walküre“ in der Prager Staatsoper überhaupt zustande?
„Ich habe durch gemeinsame Bekannte eine Anfrage bekommen. Der Intendant der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler, hatte angefragt, ob wir die Premiere der ,Walküre‘ übernehmen könnten. Da konnte man natürlich nicht nein sagen. Wir waren sehr froh darüber. Und der heutige Abend war ein Wunder, es war ganz toll. Ich bin sehr euphorisch. Es war erfreulich zu sehen, wie das ganze volle Haus diese außerordentliche Leistung verstanden hat – das Publikum hat das auch durch seine herzlichen Bravo-Rufen gezeigt.“
Denken Sie, dass diese Zusammenarbeit auch in der Zukunft fortgesetzt werden kann?
„Ja, wir haben bereits darüber gesprochen. Wir würden die Dresdner gern noch einmal nach Prag bringen.“
Gibt es vielleicht auch einen Gegenbesuch aus Prag in Dresden, beispielsweise im Rahmen von Musica non grata?
„Ja. Wir haben mit den Dresdner Musikfestspielen jetzt Sommerpläne für Terezín, wo wir mit dem Projekt Musica non grata eine Sommerakademie gegründet haben. Die Dresdner haben sich angeschlossen, und da gibt es Möglichkeiten für ein gemeinsames Projekt.“
Können sich die Prager Opernfans auf eine konzertante Aufführung von „Siegfried“ freuen?
„Das ist die nächste Oper im ,Ring‘. Vielleicht gibt es da eine Chance, dass die Dresdner wieder nach Prag kommen. Die Zusammenarbeit mit den Musikfestspielen und mit Herrn Vogler ist spannend. Wir werden uns demnächst zusammensetzen. Er zeigt eine Begeisterung für Prag und ist davon überzeugt, dass die Beziehung zwischen den beiden Städten sehr wichtig ist.“
Das Neue Deutsche Theater – also die heutige Staatsoper – hatte eine bedeutende Wagner-Tradition. Kann man daran anknüpfen?
„Wir haben hier eine lange und stolze Wagner-Tradition. Die Dresdner natürlich auch – denn das ist eine Wagner-Stadt. Wir haben aber auch sonst viel gemeinsam. Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft eine Zusammenarbeit entwickeln können.“
Nach der Premiere in Prag wird Wagners „Walküre“ unter der Leitung von Kent Nagano im Concertgebouw Amsterdam, in der Kölner Philharmonie, in der Elbphilharmonie Hamburg und beim Lucerne Festival zu erleben sein. Den Höhepunkt der Tournee bildet die Eröffnung der 47. Dresdner Musikfestspiele am 9. Mai 2024.
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