Von Linz nach Tschechien und einmal um die Welt: Priester Günther Ecklbauer

Kloster Plasy

Günther Ecklbauer hat ein bewegtes Leben. Als Missionar kam der gebürtige Österreicher Anfang der 1990er Jahre nach Tschechien. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Pakistan und im Nahen Osten lebt er seit 2015 in Plasy bei Plzeň / Pilsen. Der Oblatenbruder betreut die dortige Gemeinde sowie die Pfarren Manětín und Dolní Bělá. Was bewegt den römisch-katholischen Priester? Und kann er sich vorstellen, wieder nach Österreich zurückzukehren? Radio Prag International hat Günther Ecklbauer einen Besuch abgestattet und nachgefragt.

Herr Ecklbauer, können Sie beschreiben, wo wir hier gerade sitzen?

Kloster Plasy | Foto: Tamara Salcmanová,  Tschechischer Rundfunk

„Wir sind hier im Pfarrhof der Pfarre Plasy. Zugleich ist das der Sitz unserer Kommunität. Ich gehöre zu den Oblatenmissionaren der makellosen Jungfrau Maria. Die Ordensabkürzung ist OMI. Eigentlich stamme ich aus Österreich und bin zunächst in die dortige Provinz eingetreten. Mein Noviziat habe ich in Deutschland gemacht. Dann war ich 15 Jahre in Tschechien, und zwar in Kroměříž, also Kremsier, und in Tábor. Anschließend war ich neun Jahre in muslimischen Ländern – in Pakistan und im Nahen Osten. Seit 2015 lebe ich nun hier in Tschechien, und zwar in Plasy. Es gibt hier ein sehr schönes Zisterzienserkloster, von dem uns aber nur die Kirche gehört. Wir leben im Pfarrhof, der aber keinesfalls barock ist, sondern ein ganz normales Familienhaus.“

Sie haben ein bewegtes Leben als Priester hinter sich. Warum haben Sie denn überhaupt diese Laufbahn eingeschlagen?

Nach meinem ersten Zen-Kurs habe ich irgendwie gefühlt, dass es sich lohnt, Gott zu suchen.

„Das ist schwer zu erklären, denn das sind Dinge, die man einfach spürt. Ich bin christlich erzogen worden und habe mich dann mit 16 oder 17 Jahren mehr dafür interessiert – auch für Meditation und Zen-Buddhismus. Nach meinem ersten Zen-Kurs habe ich irgendwie gefühlt, dass es sich lohnt, Gott zu suchen. Mein Religionslehrer hat mich dann zu den Trappisten geschickt, bei denen ich eine Woche lang war. So habe ich angefangen, eine persönliche Christusbeziehung zu suchen. Zu den Oblaten bin ich gegangen, weil mich der Kommunitäts- und Familiengeist angesprochen hat, aber auch die Verschiedenheit der Aufgaben. Man ist also nicht einfach nur Pfarrer oder Lehrer, so wie das etwa bei den Benediktinern in Kremsmünster ist und auch bei anderen Orden, sondern man ist zum Beispiel auch Gefangenen- oder Behindertenseelsorger.“

Das heißt, es sind vor allem die vielen Aufgaben, die Ihren Orden besonders machen?

„Ja. Wir versuchen, über den Kirchenrand hinauszuschauen. Natürlich hilft mir dabei die Erfahrung in Pakistan sehr. Ich habe dort in der Wüste mit Christen gearbeitet. Aber ich habe trotzdem eine neue Welt kennengelernt, nämlich die des Islam. Genau daran war ich sehr interessiert und hatte mich deshalb auch dorthin gemeldet. Tschechien ist gewissermaßen auch Missionsland. In der westböhmischen Diözese, in der ich gelandet bin, bin ich sehr glücklich. Wir sind die Diözese mit der geringsten Christenanzahl und den wenigsten Priestern. Die Pfarren sind schon ziemlich groß. Von einem Ende des Pfarrgebiets zum anderen sind es etwa 50 Kilometer. Ab Herbst kommt noch einmal so viel dazu. Wir sind drei Tschechen, ein Österreicher, ein Kollege aus Madagaskar und einer aus Sri Lanka.“

Und was ist Ihre Kommunikationssprache?

„Natürlich Tschechisch. Der Mitbruder aus Sri Lanka kann die Sprache schon gut, der aus Madagaskar muss sie erst noch lernen.“

Warum sind Sie Anfang der 1990er Jahre in Tschechien gelandet?

Günther Ecklbauer | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„Ich wollte in die Mission. Die Oblaten hatten damals mit Korea angefangen und haben auch Freiwillige für Japan und China gesucht. Japan hatte mich immer schon sehr angezogen. Ich habe mich also gemeldet, das war 1989. Da dachte noch niemand, dass man auch wieder hier in Tschechien anfangen könnte. Ich sage ‚wieder‘, denn die österreichische Provinz des Ordens ist eigentlich durch die Vertreibung der Sudentendeutschen entstanden. Der letzte tschechische Oblat ist 1970 gestorben. Aber nun kam eben der Gedanke auf, wieder zurückzukommen. Außerdem tauchte ein Oblate auf, der 1948 vor den Kommunisten geflohen und als Flüchtling nach Südafrika gegangen war. Dort hat er die Oblaten kennengelernt – bis heute sind wir in den Ländern des südlichen Afrikas im Übrigen die größte Ordensgemeinschaft. Mit 70 Jahren kam dieser Tscheche nach der Revolution zurück. Damit er nicht allein bleibt, haben ihm die Ordensoberen einen Oblaten aus Polen und einen aus Österreich an die Seite gestellt. Und in Österreich war zu dieser Zeit niemand anderes zur Verfügung als ich.“

Warum sind Sie nach Ihrer Zeit in Pakistan, im Libanon und in Ägypten nach Tschechien zurückgegangen?

„Weil mich die Ordensoberen hierhergeschickt haben. Eigentlich hatte ich erwartet, dass man mich wieder in ein muslimisches Land entsendet. Aber der Generalobere sagte, Europa brauche Missionare und verwies auf meine Sprachkenntnisse. Also bin ich zurückgekehrt. Und ich muss sagen, dass ich hier in Tschechien auch vor meiner Zeit in Pakistan immer sehr glücklich war.“

Seit 2015 sind Sie in Plasy und betreuen auch die Pfarren Manětín und Dolní Bělá. Was sind hier Ihre Aufgaben?

Klosterkirche in Plasy,  2019 | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Das sind Gottesdienste, die Vorbereitungen auf Taufen oder Begräbnisse. Taufen und Beerdigungen sind hier aber sehr selten. Zweimal in der Woche bin ich als Seelsorger im Gefängnis. Viel Zeit investiere ich in die Kommunität und gemeinsame Treffen. Ich besuche etwa Familien hier in der Pfarre. Außerdem fahre ich zum Beispiel nach Deutschland zum Provinzrat. In den letzten Jahren wurde zudem die Klosterkirche in Plasy mit europäischen Geldern renoviert, was auch ziemlich zeitaufwendig war.“

Sie haben bereits die Arbeit als Seelsorger im Gefängnis erwähnt. Was ist dabei die größte Herausforderung? Wird dieses Angebot überhaupt angenommen?

„Ja. Ich habe hauptsächlich Einzelgespräche. Insgesamt sind wir dort drei Seelsorger: Außer mir gibt es noch einen Protestanten und einen Katholiken, die jeweils eine Vollzeitstelle haben und die Gottesdienste organisieren. Ich kann mich voll auf die Arbeit im Einzelgespräch konzentrieren.“

Die Arbeit als Seelsorger ist also ökumenisch?

Für mich ist der Gefangenenhausdienst wirklich wichtig.

„Genau. Das ist eine Besonderheit in Tschechien: Sowohl die Militärseelsorge als auch die Gefangenenhausseelsorge sind ökumenisch aufgestellt. In jedem Gefängnis soll zumindest ein Kaplan sein. Wir sind ein Sonderfall, denn wir sind mit 1400 Insassen die größte Einrichtung in Tschechien. Deswegen haben wir auch mehrere Seelsorger. Für mich ist der Gefangenenhausdienst wirklich wichtig. Als ich aus den muslimischen Ländern zurückgekommen bin, habe ich mich natürlich sehr wohl gefühlt. Ich hatte endlich wieder mein Bier, mein tschechisches Essen und konnte mit Leuten zusammen sein, die ich verstehe – sowohl sprachlich als auch kulturell. Ich war einfach wieder wie zuhause. Aber es hat etwas gefehlt. Der Dienst im Gefängnis ersetzt mir nun gewissermaßen Pakistan. So etwas habe ich gebraucht. Ich kann nicht einfach nur in der Pfarre sein.“

Sie haben bereits erwähnt, dass Sie eine Missionarsstelle haben. Das heißt, Ihre Aufgabe ist es, die Menschen in Tschechien in die Kirche und zum Glauben zu bringen?

„Ja, schon. Wobei unser Ziel natürlich viel bescheidener ist. Oft geht es wirklich nur darum, Kontakte zu knüpfen und Vorurteile abzubauen. Die Menschen in Tschechien sind im Grunde vielfach eigentlich religiös. Ich versuche immer, das Wort ‚nevěřící‘, also ‚ungläubig‘ zu vermeiden, das hier in Tschechien so gebräuchlich ist. Deshalb habe ich mir ‚nekostelní‘ (von ‚kostel‘ – Kirchengebäude, Anm. d. Red.) ausgedacht. Es beschreibt all jene, die nicht in die Kirche kommen. Viele von ihnen sind aber eben sehr ansprechbar – was jedoch nicht heißt, dass sie gleich Christen werden. Aber vielleicht ist das auch nicht immer unbedingt nötig.“

Können Sie sich vorstellen, dauerhaft nach Österreich zurückzugehen?

„Da würde ich wahrscheinlich lieber wieder nach Pakistan gehen. Ich fahre gern nach Österreich, zweimal im Jahr bin ich dort und habe damit überhaupt kein Problem. Das ist meine Heimat, dort sind meine Wurzeln. Aber ich bin an Tschechien gewöhnt, und vermutlich bin ich auch einfach Missionar. Ich fühle mich hier einfach freier. Natürlich muss ich aber dazusagen, dass ich ja nie in Österreich tätig war. Ich bin als Diakon hierhergekommen und wurde hier auch zum Priester geweiht. Dennoch: Wenn ich ausnahmsweise Mal in Österreich einen Gottesdienst feiere, bin ich mehr verwirrt und blättere mehr im Messbuch herum als hier in Tschechien, weil ich einfach mein Leben lang nur Gottesdienste auf Tschechisch gehalten habe. Mir ist das hiesige Milieu wahrscheinlich heute einfach näher, und ich lebe nun schon mehr als die Hälfte meines Lebens außerhalb von Österreich. Einmal hat mich meine Nichte hier besucht. Sie hat mir gesagt, dass die Gottesdienste in Tschechien anders seien. Die Leute, auch die älteren, wären dabei begeisterter, sie würden mehr singen und sich auch zueinander anders verhalten. Und sie meinte, dass wir Priester ebenfalls anders seien – dass auch ich anders sei, als wenn ich die Messe in Österreich feiere. Und das stimmt. Ich fühle mich hier freier, denn es wird nicht so viel Wert gelegt auf Formen und darauf, dass alles picobello sein muss. Ich kann hier einfach spontaner sein.“

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