Pavel Nedvěd: Ehemaliger europäischer Fußballstar stammt aus Cheb
Für viele Fans gehört er zu den besten drei Fußballern, die bisher aus Tschechien gekommen sind: Pavel Nedvěd, der in Cheb / Eger geboren wurde. Für Radio Prag International ist er die Persönlichkeit des Kreises Karlovy Vary / Karlsbad. In der Folge stellen wir ihn und seine Karriere vor.
Wer heute den Fußballer Pavel Nedvěd erwähnt, der denkt sicher auch an Juventus Turin. Obwohl der tschechische Mittelfeldspieler zunächst nicht zum italienischen Rekordmeister wechseln wollte, hievte ihn dieser Schritt letztlich auf die höchsten Höhen. So wurde er 2003 Europas Fußballer des Jahres…
„Das bedeutet mir wahnsinnig viel, aber auch für mein Land und den tschechischen Fußball. Den Titel erhält man nicht einfach so, dass wissen wir in Tschechien, schließlich haben wir 41 Jahre lang darauf warten müssen“, sagte Nedvěd damals.
Denn er ist bis heute erst der zweite tschechische Fußballer, der zum besten Spieler des Kontinents gewählt wurde. Der erste war 1962 Josef Masopust gewesen.
Seine sportliche Ausbildung erhielt Pavel Nedvěd noch zu kommunistischen Zeiten. 1972 im westböhmischen Cheb geboren, durchlief er sozusagen seine fußballerische Grundschule in den Vereinen der Gegend. Dann kam er zu Škoda Pilsen, heute Viktoria Pilsen. Damals war der Verein noch eine Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga. Dort traf der Nachwuchsspieler auf den Trainer Josef Žaloudek, den er heute als zweiten Vater bezeichnet. Luděk Mádl ist Sportjournalist beim Nachrichtenportal Seznam Zprávy und sagt im Interview für Radio Prag International:
„Josef Žaloudek war für Nedvěd sehr wichtig. Bis heute spricht er mit Begeisterung
über ihn. Er erzählt dann Jugendgeschichten, etwa dass er und seine Mitspieler schon 50 Minuten vor dem Training vor Ort waren, und Žaloudek sie mit einem Ball zum Aufwärmen bereits in die Halle schickte. Wenn Pavel Nedvěd heute, also Jahrzehnte später, diese Dinge schildert, dann hat er solch ein Leuchten in den Augen. Es waren für ihn Momente des Kinderglücks.“
Außer von der Persönlichkeit des Jugendtrainers habe der künftige Star auch allgemein von der durchdachten Förderung des Sports in der kommunistischen Tschechoslowakei profitiert, ergänzt Mádl. Nedvěd gehörte zur letzten Generation tschechischer Fußballprofis, die noch im sozialistischen System groß wurden.
Stahlroboter und Grande Paolo
Sein Debüt in der ersten tschechischen Liga gab Pavel Nedvěd aber erst, als er ab 1990 im Rahmen seines Wehrdienstes zu Dukla Prag abgestellt war. Von dort wechselte er später zu Rekordmeister Sparta Prag. Und hatte dort enorme Startschwierigkeiten…
„Zu Anfang seines Engagements bei Sparta sah Nedvěd gleich dreimal die Rote Karte. Das ist eigentlich eine fast unmögliche Sache. Der damalige Trainer Karol Dobiáš war ziemlich erbost und gab öffentlich zum Besten, dieser Junge müsse überhaupt froh sein, dass er bis zum Ende der Saison im Verein bleiben und auf der Bank sitzen dürfe. Die Ursache lag darin, dass Nedvěd übermotiviert war. Er musste erst noch für sich den Schlüssel finden, wann seine Energie Früchte trägt und wann sie ihn übers Ziel hinausschießen lässt“, sagt Mádl.
Diese unglaubliche Energie zeichnete Nedvěd allerdings während seiner ganzen Karriere aus. Weil er so unermüdlich war, erhielt er Spitznamen wie Stachanovec oder Robot d'acciaio (Stahlroboter). Manchmal gingen mit ihm aber die Nerven durch, dann stimmte auch die Bezeichnung „tschechische Furie“, die er ebenfalls trug.
Zu „Grande Paolo“, seinem wohl schönsten Spitznamen, kam Pavel Nedvěd aber erst nach seinem Wechsel nach Italien. Wie für weitere tschechische Spieler wurde auch für ihn die EM 1996 zum Sprungbrett. Ganz Fußballeuropa rieb sich die Augen über die damaligen Nobodys aus dem kleinen Land im Herzen des Kontinents, die erst im Finale von den Deutschen gestoppt wurden.
Schon vor der Europameisterschaft hätte der Blondschopf von Sparta Prag zu Galatasaray Istanbul wechseln können. Daraus sei allerdings nichts geworden, sagt Sportjournalist Mádl:
„Wie ich mich erinnere, wollte die Ehefrau von Nedvěd dort unter keinen Umständen hin. Und der damalige Sparta-Eigner Petr Mach kam dem frischverheirateten Paar entgegen und drängte den Fußballer nicht zu dem Wechsel, obwohl die Ablösesumme sehr attraktiv war.“
Letztlich tat der Verein gut daran zu warten, und das sogar bis zum Ende der Europameisterschaft.
„Vor der EM war ein Wechsel von Nedvěd zu PSV Eindhoven vorabgesprochen worden. Zu etwa 80 Prozent schien die Angelegenheit bereits geregelt. Das tschechische Team trat aber bei dem Turnier außerordentlich erfolgreich auf. Und Mittelfeldmotor Nedvěd zeigte vor allem im Spiel gegen Italien, aber auch in den anderen Begegnungen seine Klasse. So kam ein Wechsel zu Lazio Rom zustande, auch weil der tschechische Emigrant Zdeněk Zeman dort Trainer war, der 1968 als Student die ČSSR verlassen hatte. Gerade er öffnete den Weg in die Serie A.“
Und zwar einen Erfolgsweg. 1998 wurde Lazio italienischer Pokalsieger, ein Jahr später holte der Klub den letzten europäischen Pokal der Pokalsieger. Im Finale trug Pavel Nedvěd mit seinem Tor zum 2:1-Endstand bedeutend zu diesem Titel bei. Und ein Jahr später glänzte Lazio Rom als italienischer Meister, und das erst zum zweiten und bisher auch letzten Mal in der Vereinsgeschichte.
Teuerster tschechischer Spieler aller Zeiten
2001 wechselte Nedvěd innerhalb der Serie A, und zwar zum Rekordmeister Juventus Turin. Der Verein aus der Autostadt legte 45 Millionen Euro auf den Tisch. Bis heute ist dies die höchste Summe, die jemals für einen tschechischen Spieler gezahlt wurde. Allerdings wollte der damals 28-Jährige zunächst gar nicht so recht zur „Alten Dame“, wie Luděk Madl weiß…
„Es war ein typischer Pavel Nedvěd. Er hat die Angewohnheit, lange über Entscheidungen nachzudenken und mehrmals umzuentscheiden. Wichtigster Ausgangspunkt für den Transfer war der Gang von Spielmacher Zinedine Zidane von Juventus zu Real Madrid. Also suchte Turin einen Ersatz. Eine große Rolle spielte dabei der italienische Spielerberater Mino Raiola. Für Nedvěd war er auch ein wichtiger Vertrauter. Zwar wollte Pavel Nedvěd überhaupt nicht zu Juventus, doch Raiola sagte ihm: Wenn du wirklich ein großer Spieler sein willst, dann darfst du dich vor dem Wechsel nicht fürchten und musst diesen letzten Schritt gehen.“
Und er tat gut daran, auf seinen Berater zu hören. Denn Pavel Nedvěd legte noch einmal zu in seiner Leistung auf dem Platz. Bald stellte sich heraus, dass beide Seiten dadurch gewonnen hatten. Der Mittelfeldmotor wurde eben zum „Grande Paolo“.
„Er passte in den Verein und gab dem Spiel von Juventus eine neue Form. Nedvěd war auf dem Platz einfach nicht zu übersehen. Dazu gehörten auch seine wehenden blonden Haare, aber vor allem der Enthusiasmus, der Wille und die Kraft, die er ausstrahlte. Hinzu kamen seine rasanten Schüsse. Juventus spielte nun zwar ganz anders als mit Zinedine Zidane, aber ich wage zu behaupten, dass das Team sicher nicht schwächer war als zuvor, sondern vielleicht sogar stärker“, findet Luděk Mádl.
Unsterblich bei Juventus
Zum Mythos Nedvěd bei Juventus trug aber noch eine weitere Sache bei. Sie rankt sich um den Korruptionsskandal im italienischen Fußball in den Jahren 2005 und 2006. Dem Verein wurden wegen der Bestechung von Schieds- und Linienrichtern die Meisterschaften in diesen beiden Jahren aberkannt, zudem musste Turin in die zweite Liga zwangsabsteigen:
„Dadurch entstand eine sehr interessante Lage. Denn 90 Prozent der Superstars von Juventus, und der Verein gehörte damals zu den drei oder vier besten Mannschaften Europas, wechselten anderswohin. Sie wollten keine Zweitligasaison absolvieren. Es blieben nur Pavel Nedvěd, Gianluigi Buffon und Alessandro Del Piero, falls ich niemanden vergessen habe. Das war solch eine unglaubliche Sache, dass diese Spieler sich für den Verein opferten, und sie wurden dadurch zu Legenden in den Augen der Juve-Fans.“
Obwohl dem Verein zu Saisonbeginn der zweiten Liga neun Punkte abgezogen worden waren, gelang der direkte Wiederaufstieg. Nedvěd schloss dann noch eine weitere Saison unter Trainer Didier Deschamps an, bevor er im Sommer 2009 seine aktive Karriere beendete.
In der tschechischen Nationalmannschaft bestritt Pavel Nedvěd im Übrigen von 1994 bis 2006 insgesamt 91 Länderspiele und erzielte dabei 18 Tore. Er gehörte auch zum so hervorragenden Team seines Landes bei der EM 2004, als man bis ins Halbfinale vordrang. Größte individuelle Auszeichnung wurde aber 2003 eben der Sieg in der Umfrage zu Europas Fußballer des Jahres. Luděk Mádl:
„Wenn man diesen Titel holt, wird man unsterblich. Nedvěd mit dem einzigen anderen tschechischen Sieger der Umfrage, Josef Masopust, zu vergleichen, ist jedoch schwer. Denn beide waren zu unterschiedlichen Zeiten aktiv. Aber vereint hat sie ihr Aufopferungswillen, ihr Einsatz, die Energie und die Liebe zum Fußballspiel.“
Nach seiner aktiven Karriere wurde Nedvěd Funktionär – selbstverständlich bei dem Verein, mit dem er schon als Spieler durch Dick und Dünn gegangen war: Juventus Turin. 2015 bis 2022 nahm er sogar den Rang des Vizepräsidenten dort ein.
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