Mammutjäger und Bandkeramiker: lebendige Archäologie im Archäopark Všestary
In der Gemeinde Všestary nahe Hradec Králové / Königgrätz wurde vor elf Jahren ein Archäopark eröffnet. Dort können sich die Besucher eine Vorstellung vom Leben in der Urzeit machen.
Acht Kilometer nordwestlich der Kreisstadt Hradec Králové liegt die Gemeinde Všestary. Seit 2013 gibt es dort einen hierzulande einzigartigen Archäopark. Im Hauptgebäude ist eine Dauerausstellung untergebracht. Um das Haus herum befindet sich ein Freilichtmuseum, das im Laufe der Jahre bedeutend erweitert wurde. Iva Dohnálková ist Archäologin und arbeitet in Všestary. Auf die Idee für den Archäopark sei ihr Kollege Radomír Tichý gekommen, erzählt die Expertin:
„Dozent Tichý ist bis heute an der Universität in Hradec Králové tätig. Der Archäopark bietet Archäologen die Möglichkeit, die Ergebnisse ihrer Arbeit der Öffentlichkeit zu präsentieren und ihr auf unterhaltsame Weise die Urgeschichte näher zu bringen. In der Dauerausstellung werden Repliken von archäologischen Funden gezeigt. Es handelt sich vor allem um Funde aus Tschechien. Die Repliken wurden aus demselben Material wie die Originalfunde angefertigt. Wir könnten also die Exponate aus den Vitrinen nehmen und sie für Experimente nutzen.“
In der letzten Zeit haben sich die Mitarbeiter des Museums in Všestary ihren Worten zufolge besonders mit der Fertigung von Gegenständen aus Stein beschäftigt.
„Dabei gehen wir so vor, dass wir zuerst versuchen, das entsprechende Material zu finden. Anschließend fertigen wir nach einem Vorbild den entsprechenden Gegenstand an. Dabei nutzen wir Techniken wie Schleifen, Sägen und Bohren. Und anschließend benutzen wir das Werkzeug. Danach vergleichen wir die Spuren, die die Arbeit an dem neu angefertigten Werkzeug hinterließ, mit den Spuren, die an den gefundenen Originalgegenständen zu erkennen sind.“
Gibt es auch Funde aus der Umgebung von Všestary?
„Všestary liegt in einer aus der Sicht eines Archäologen strategisch günstigen Gegend, durch die künftig zwei Autobahnen verlaufen sollen. Eine davon gibt es schon, die andere wird erst gebaut. Im Vorfeld werden immer archäologische Forschungen unternommen, dabei wurde bereits Einiges entdeckt. Vor kurzem wurde über das längste Hügelgrab Europas in den Medien berichtet. Dieses wurde in Rozběřice gefunden, das liegt wirklich sehr nahe von hier. Es war etwas Einzigartiges. Und anscheinend können in der Umgebung noch weitere überraschende Entdeckungen gemacht werden.“
Getreidespeicher und Brotbacken
Iva Dohnálková führt durch das Freilichtmuseum, in dessen Mitte das Hauptgebäude liegt.
„Wir bemühten uns, hier wenigstens einen Bau aus jeder der wichtigen archäologischen Epochen nachzustellen. Angefangen haben wir mit dem Jungpaläolithikum, also der sogenannten Zeit der Mammutjäger. Der Überblick reicht bis zu einem Haus aus der sogenannten Latènekultur.“
Die Archäologin macht auf einen nachgestellten prähistorischen Getreidespeicher aufmerksam. In einem solchen Silo ließ sich Getreide längere Zeit lagern, merkt sie an:
„Das Silo musste zuerst gereinigt werden, und die Wände wurden oft mit Feuer getrocknet und dadurch gefestigt. Es entstand eine Art unterirdischer Container. Wenn er mit Getreide gefüllt und mit einem Tondeckel verschlossen war, blieb der Inhalt meist bis zur nächsten Saison frisch.“
Wie Iva Dohnálková einräumt, gehört die Epoche der ersten bäuerlichen Kultur und der Erzeuger von Steinäxten zu den besonders beliebten Zeiten der menschlichen Entwicklung bei den Mitarbeitern des Archäoparks. Dazu führt sie in ein Haus aus der Jungsteinzeit.
„Es handelt sich in diesem Fall um die ideale Nachstellung eines solchen Hauses. Wir wissen, wie damals die Grundrisse von Gebäuden ausgesehen haben. Diesen haben wir durch Säulen ergänzt und auf diesen eine Holzkonstruktion aufgebaut, die ungefähr so hätte aussehen können. Dies ist jedoch nur unsere Hypothese.“
Für diese älteste bäuerliche Zeit hat sich Linearbandkeramische Kultur als Begriff eingeprägt, wegen der speziellen Verzierungen ihrer Behältnisse. Die Träger dieser Kultur brachten einige Neuerungen mit, darunter bessere Werkzeuge, den Ackerbau und die Viehhaltung. Zum neolithischen Haus gehören auch einige Öfen. Derartige Öfen seien in Mohelnice in Mittelmähren gefunden worden, erzählt die Expertin.
„In solchen Öfen wurde Brot gebacken. Wir zeigen hier vier Öfen, in Mohelnice wurden Fragmente von mehr als zehn Öfen gefunden. Im Übrigen backen wir selbst in den Öfen Brot, und das gelingt uns ganz gut.“
Bestätigt sei, dass damals neben Weizen, Gerste, Linse und Erbse auch schon Leinen angebaut wurde, sagt Dohnálková.
„Die Anfänge der Textilproduktion sind durch Funde von Spinnwirteln belegt worden. Es wurden Stoffe gewoben. Wir wissen jedoch nicht, wie gut damals die Menschen das Spinnen und Weben beherrschten.“
Rondell als Schauplatz für Zeremonien
Die Urzeit wird im Freilichtmuseum den Besuchern nicht nur anhand von nachgestellten Häusern näher gebracht. Auch der Bereich der Riten wird erläutert. Iva Dohnálková:
„Die Menschen haben damals viel Zeit geopfert, um besondere Bauten zu errichten, die rituellen Zwecken gedient haben. Wir betreten hier das sogenannte ,Rondell‘, ein kreisförmiges Bauwerk, das mit einer Palisade, einem Graben und einem Wall geschützt war. Ein ähnliches Rondell wurde in der Nähe von hier, in Holohlavy, gefunden. Es gab in der Regel vier Eingänge in ein Rondell. Darum bietet sich der Gedanke an, dass der Bau auch als Kalender oder Uhr gedient haben könnte. In der Archäologie wissen wir jedoch nichts hundertprozentig. Wir können uns nur vorstellen, dass sich hier Zeremonien religiöser Art abgespielt haben. Es kann aber ebenfalls sein, dass im Rondell die Kaufleute zusammentrafen und dass hier Feierlichkeiten abgehalten wurden.“
Einbaum im Fokus der künftigen Dauerausstellung
Ein weiterer Teil des Freilichtmuseums konzentriert sich auf die Bronze- und die Eisenzeit. Zu besichtigen sind dort eine Schmiede, ein Keramik-Brennofen sowie einige Brunnen. Nicht zuletzt wird in Všestary der Einbaum gezeigt, der nach der Vorlage eines 8000 Jahre alten steinzeitlichen Wassergefährts angefertigt wurde, das im Braccianosee bei Rom gefunden wurde. Mit dem Kahn sind vor einem Jahr Wissenschaftler der Universität Hradec Králové von der türkischen Küste bis zum griechischen Festland gepaddelt. Die Expedition Monoxylon IV knüpfte an vergleichbare Expeditionen der Experimentalarchäologen von 1995, 1998 und 2019 an.
Im kommenden Jahr solle der Archäopark weiter ausgebaut werden, erzählt Iva Dohnálková:
„Die neue Dauerausstellung wird sich auf die Einbaum-Expeditionen konzentrieren. Zudem werden dort die wertvollen Funde präsentiert, die vor kurzem beim Bau der Autobahn gemacht wurden. Geschildert wird des Weiteren die Geschichte der aus Stein angefertigten Werkzeuge.“
An diesem Wochenende, also am 13. und 14. Juli, finden in Všestary die Tage der lebendigen Archäologie statt.
„Wir haben mehrere Gäste eingeladen und wollen mit ihnen das Leben in der Urzeit präsentieren. Die Besucher können einem Jäger und einem Schleifer begegnen, der Äxte anfertigt. Eine Kollegin wird das Flechten von Netzen und Körben vorführen. Mit dabei ist auch eine römische Legion mit Ausrüstung. Und es kommen unsere belgischen Kollegen vom Archäopark in Aubechies-Beloeil.“
Die Tage der lebendigen Archäologie in Všestary beginnen am Samstag und Sonntag jeweils um 10 Uhr. Im Juli und August ist der Archäopark dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Mehr über die Öffnungszeiten erfahren Sie unter https://archeoparkvsestary.cz.
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