Nachruf auf Jaroslava Skleničková – Überlebende des Massakers von Lidice

Jaroslava Skleničková

Jaroslava Skleničková, die 1942 das Massaker der deutschen Nationalsozialisten im tschechischen Dorf Lidice überlebte, ist am vergangenen Freitag im Alter von 98 Jahren gestorben. Sie war die letzte Frau, die noch als Zeugin von der Tragödie berichten konnte.

Foto: Archiv von Jaroslava Skleničková/Paměť národa

Jaroslava Skleničková, geborene Suchánková, war 16 Jahre alt, als sie sich am Morgen des 10. Juni 1942 in Lidice von ihrem Vater verabschieden musste. Jaroslav Suchánek wurde, wie die anderen Männer im Dorf auch, kurz darauf an Ort und Stelle erschossen. Jaroslava kam zusammen mit ihrer Mutter, ihrer älteren Schwester und weiteren fast 200 Frauen aus dem Dorf in das Konzentrationslager Ravensbrück. Glücklicherweise überlebte die junge Frau den Krieg und den Todesmarsch, ebenso wie ihre Mutter und 141 andere Frauen aus Lidice. Dass ihr Vater tot war, erfuhr sie erst nach dem Kriegsende. Sie lebte aber weiterhin in der Hoffnung, dass er zurückkehren würde. Vor zwei Jahren erinnerte sich Skleničková in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks an die Zeit nach dem Krieg. So habe sie am 10. Juni 1945 an einer Trauerfeier in Lidice teilgenommen:

Foto: Archiv von Jaroslava Skleničková/Paměť národa

„Es gab eine Tribüne. Von dort aus sahen wir das Massengrab. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, mein Vater liegt nicht in dem Grab. Ich konnte mich damit nicht abfinden. Im Lager hatte ich genau gewusst, was ich machen muss, damit meine Mutter von mir nicht getrennt wird. Aber nun wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte. Am 16. August ging ich zum ersten Mal zur Arbeit. Und anstatt danach nach Hause zu gehen, bummelte ich durch die Straßen und suchte meinen Vater.“

Das Massaker von Lidice war eine Vergeltungsaktion der Nationalsozialisten  für das tödliche Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942. Einen Groll gegen die Attentäter hegte Jaroslava Skleničková aber nie:

Zerstörung von Lidice | Foto: ČT24

„Ich habe mir angeschaut, wie ihre Sachen – eine Aktentasche, ein Fahrrad und ein Mantel – im Baťa-Laden auf dem Prager Wenzelsplatz gezeigt wurden. Und ich dachte mir nur: Mein Gott hilf, dass man die Jungs nicht findet und dass sie noch weglaufen können. Ich habe die Daumen gedrückt, damit sie nicht aufgespürt werden.“

Jaroslava Skleničková zog erst Anfang der 1980er Jahre als Rentnerin in das neue Dorf Lidice zurück. Am Ende ihres Lebens wohnte sie in der Nähe der Stelle, an der das Haus ihrer Eltern gestanden hatte:

Foto: Památník Lidice

„Ich habe mich daran gewöhnt. Einmal habe ich meine Schulfreundinnen eingeladen, und sie fragten mich, wie ich gleich daneben wohnen könnte. Ich antwortete, als wir Deutschland verlassen haben, stand in Dresden auch kein einziges Haus mehr, und es ragten dort nur Schornsteine heraus. Heute existiert Dresden wieder, und meint man, dass dort keine Menschen wohnen? Sie haben eben neue Häuser und leben dort.“

Ihre Erlebnisse beschrieb Jaroslava Skleničková in ihren Büchern „Jako chlapce by mě zastřelili“ (Als Junge wäre ich erschossen worden ... Die Geschichte der jüngsten Lidicer Frau) und „Vzpomínky mě stále tíží“ (Die Erinnerungen lasten noch auf mir). Als Zeitzeugin nahm Skleničková oft an Debatten und Gesprächen teil und setzte sich für Demokratie und Freiheit ein. Noch im hohen Alter blickte Jaroslava Skleničková mit Verantwortungsbewusstsein in die Zukunft. Anlässlich der Präsidentenwahl forderte sie die Menschen in Tschechien in dem Rundfunk-Interview vor zwei Jahren auf: „Denkt daran, gut zu wählen. Es lebe die Demokratie!“

Frauen aus Lidice | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International
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Autoren: Markéta Kachlíková , Tomáš Černý
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