„Kafkas Spiele“ in München: Einladung zur Ausstellung
„Kafkas Spiele“. An den weltbekannten Prager Schriftsteller Franz Kafka wird dieser Zeit in einer Ausstellung im Adalbert Stifter Verein in München erinnert. Seine literarischen und biografischen Texte sowie dazugehörige Dokumente aus der Sammlung des tschechischen Literaturmuseums in Prag werden präsentiert, und zwar aus ungewohnter Perspektive: der des Spiels. Die Leiterin des Stifter-Vereins, Zuzana Jürgens, im Interview.
Frau Jürgens, das Franz-Kafka-Jahr 2024 geht langsam zu Ende. In München wird aber dieser Tage noch eine Ausstellung gezeigt. Sie heißt „Kafkas Spiele“. Was zeigt sie? Und worin besteht das Spiel?
„Ich würde zuerst gerne sagen, dass es eine Ausstellung des Tschechischen Literaturmuseums ist. Sie wurde im Sommer schon in Prag gezeigt. Wir haben sie in München übernommen und erweitert. Das Spiel wird darin aus mehreren Blickwinkeln betrachtet. Der Autor des Ausstellungskonzepts ist der Prager Germanist Štěpán Zbytovský. Er hat sich von einem Zitat von Oskar Baum inspirieren lassen. Dies war ein Prager deutschsprachiger Schriftsteller und gehörte zu Kafkas Freundeskreis. Baum warnte im Jahr 1937 davon, ‚Kafka als einen weltabgewandten, von unglücklichen Träumen und bizarren Fantasien verzerrten Menschen zu betrachten‘. Er hat darauf hingewiesen, dass Kafka mit Humor gearbeitet habe. Dieser Humor würde es ihm ermöglichen, ‚auch im tiefen Ernst unbesiegliche Freiheit und schöpferische Distanz zu zeigen‘. Das sind also die Ausgangspunkte. Und das Spiel liegt tatsächlich nicht nur in den Texten selbst – also in dem, wie erzählt wird –, sondern auch in der Betrachtung der Situationen. Und es sind natürlich auch sprachliche Spiele, die Kafka betreibt.“
Und wie wird das in einer Ausstellung anschaulich gemacht? Wie kann man diese Texte dort präsentieren?
„Die Macher hatten eine sehr glückliche Hand, was den Architekten der Ausstellung betrifft. Das ist der Tscheche Václav Šuba. Wenn man den Raum betritt, ist man sofort in einer Art Turnhalle. Dort gibt es Gymnastikbälle in schwarzer Verkleidung, auf denen ein Zitat eben von Kafka steht. Es gibt zudem ein Seil, auf dem man hochklettern kann, und auch Turnmatten – wenn man möchte, könnte man tatsächlich auch turnen. Es gibt auch eine Wand, die an ein Ballettstudio erinnert, mit Spiegeln und einer Stange. Und man kann vor diesem Spiegel, von der Decke hängend, Blätter mit Zitaten aus Kafkas Werken von beiden Seiten betrachten sowie sich selbst mit diesen Zitaten. Also auch diese Darstellung der Architektur ist sehr spielerisch und nutzt viele Möglichkeiten, die man in der Gestaltung hat.“
Und was wird in diesem Milieu, also in dieser Turnhalle, eigentlich gezeigt? Sie sprechen von Zitaten aus Kafkas Werken. Ist das der Kern?
„Ja, tatsächlich. Es sind vor allem Tagebücher und Briefe, weniger Romane und Erzählungen. Wir haben auch Illustrationen zu Kafkas Werken dabei und überhaupt künstlerische Aufarbeitungen von Kafkas Themen oder Werken. Ausgestellt sind der Entwurf des Kafka-Denkmals in Prag von Jan Róna, ein Kafka-Porträt von Andy Warhol, aber auch Kunstwerke von anderen tschechischen und deutschsprachigen Künstlern. Und es sind eben diese Zitate, die man betrachten kann. Ein großer Teil stammt aus den Sammlungen des Literaturmuseums. Dort ist zum Beispiel – das ist jetzt nicht so spielerisch – ein sehr interessantes Dokument: nämlich der überhaupt letzte Brief, den Kafka je geschrieben hat, einen Tag vor seinem Tod an seine Eltern. Er enthält die eigentlich unfassbare Behauptung, alles sei in den besten Anfängen. Wir haben außerdem das Videospiel ‚Playing Kafka‘ mit aufgenommen. Es gibt zwei iPads, und man kann sich hinsetzen und das Spiel, das vom Goethe-Institut und dem Studio Charles Game entwickelt wurde, vor Ort durchspielen.“
Also auch die Besucher haben die Möglichkeit zu spielen…
„Ja, man kann tatsächlich an dem Seil hochklettern oder die Gymnastikbälle ausprobieren. Alles ist erlaubt. Eine neue Sache, speziell für die Münchner Reprise der Ausstellung gemacht, ist ein Relief der Stadt Prag. Wir konnten Trickfilmmacher gewinnen, nämlich Patrick Trska mit seinem Studio Panika, und sie haben ein Relief der Altstadt angefertigt und animiert. Darin spielt sich eine kurze Erzählung von Kafka ab. Er taucht an unterschiedlichen Orten immer wieder auf. Es ist wirklich wunderschön und gehört zu den Sachen, mit denen junge Menschen miteinbezogen werden können. Ich glaube, das ist auch etwas, was für das junge Publikum ganz gut funktioniert.“
In die Ausstellung ist zudem ein Teil der Franz-Kafka-Bibliothek integriert. Oder besser der sogenannten Franz-Kafka-Bibliothek, müssen wir sagen. Denn es ist nicht so, dass uns die Bibliothek zur Verfügung steht, die Kafka bei sich zu Hause hatte, oder?
„So ist es nicht, das geben wir aber auch nicht vor. Wir weisen schon darauf hin, dass es sich um eine nachträgliche Zusammenstellung handelt. Wir sind sehr froh, dass die Franz-Kafka-Gesellschaft in Prag uns die Bibliothek geliehen hat. Diese ist von einem deutschen Antiquar nachträglich zusammengestellt worden, auf der Basis der Hinweise in Kafkas Briefen und Tagebüchern, was er alles gelesen hatte. Und das ist schon, finde ich, sehr interessant. Es zeigt auch, dass Kafka wirklich mit der deutschsprachigen Literatur aufgewachsen war. Es sind zum Beispiel komplette Goethe-Schriften darunter, dann aber auch Bücher von seinen Zeitgenossen. Ja, es sind nicht die Bücher, die Kafka selber in der Hand hatte, aber hätte haben können.“
Sie haben einen Teil davon nach München gebracht. Welche Bücher sind da zu sehen? Oder was erfährt man von Kafka?
„Das sind eben die Klassiker der deutschsprachigen Literatur. Dann gibt es natürlich Bücher zum Beispiel von seinem Freund Max Brod. Es sind ein paar Exemplare der Zeitschrift Fackel dabei, die Karl Kraus herausbrachte, oder Publikationen, die sich mit dem Zionismus beschäftigen. Es bietet sich also schon eine relativ große Bandbreite. Und eindeutig ist eben, wie Kafka in die deutschsprachige Literatur verwurzelt wurde.“
Der Adalbert Stifter Verein in München hat zu der Ausstellung ein Begleitprogramm vorbereitet. Was erwartet die Besucher?
„Am 4. Dezember findet eine szenische Lesung mit den beiden Schauspielern Wiebke Puls und Max Simonischek statt. Sie lesen Texte, die Rainer Stach zusammengestellt hat mit dem Hintergedanken, dass Franz Kafka wirklich sehr unterschiedliche stilistische und auch thematische Facetten in seinen Texten hatte. Für Januar haben wir dann noch zwei Veranstaltungen. Einmal ein Gespräch mit Andreas Kilcher, einem Kafka-Forscher, der in der Schweiz lebt, und mit Štěpán Zbytovský, der die Ausstellung konzipiert hat. Andreas Kilcher hat sich in seinem letzten Buch Kafkas Werkstatt angeschaut, also quasi seinen Schreibtisch und wie er gearbeitet hat. Und Štěpán Zbytovský wird noch einmal auf die Konzeption der Ausstellung eingehen. Am 23. Januar haben wir noch eine komponierte Vorstellung mit Tanz, Musik und Wort mit Studenten und Absolventen einer Stuttgarter Akademie. Ich muss sagen, ich freue mich besonders darauf, weil eines der Ziele des ganzen Kafka-Jahres war, auch die Jüngeren für sein Werk zu begeistern. Und wir wollten auf eine unauffällige Art und Weise auch darauf hinweisen, dass er eben in Prag und in einem Kontext lebte, der nicht nur aus deutschsprachiger Literatur bestand, sondern auch jüdisch und tschechisch war. Dass es da einfach diese multikulturelle Aspekte gab.“
Die Ausstellung „Kafkas Spiele“ des Literaturmuseums Prag und des Adalbert Stifter Vereins – Kulturinstitut für die böhmischen Länder in München findet bis 2. Februar 2025 statt. Sie ist in der Alfred-Kubin-Galerie im Sudetendeutschen Haus, Hochstraße 8 zu sehen. Geöffnet ist sie dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.
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