Nachrichtendienst warnt vor russischer Einflussnahme auf Wahlkampf in Tschechien

Die tschechischen Abgeordneten haben sich am Donnerstag über die Gefahren ausländischer Einflussnahme auf die im Herbst anstehenden Parlamentswahlen hierzulande informiert. Hintergrund sind unter anderem die Beispiele aus Rumänien und Moldawien, aber auch die Erfahrungen im Vorfeld des Urnengangs in Europa im Juni vergangenen Jahres.

In Tschechien wird im Herbst ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Der Inlandsnachrichtendienst BIS (Bezpečnostní informační služba) geht davon aus, dass insbesondere Russland versuchen wird, den Wahlkampf zu beeinflussen. Bei einem Seminar im Abgeordnetenhaus zu diesem Thema verwies BIS-Chef Michal Koudelka unter anderem auf die jüngsten Beispiele aus anderen Ländern Europas:

Michal Koudelka | Foto: Michaela Danelová,  iROZHLAS.cz

„So wie Rumänien und Moldawien gehört zweifellos auch die Tschechische Republik zu jenen Staaten, auf die vorrangig die subversiven Desinformations- und Cyberoperationen zielen, die von Organen der russischen Staatsmacht geführt oder genehmigt werden.“

Zugleich betonte Koudelka, in Tschechien seien nicht sonderlich viele Menschen schon so weit abgedriftet, dass sie ausschließlich Desinformationsinhalte konsumieren würden. Dennoch warnt er:

„Die neuen Technologien, allen voran die Künstliche Intelligenz, haben vor allem in der Zeit vor den Wahlen das Potenzial, einige Narrative auch unter einem größeren Publikum zu verbreiten.“

Als Beispiele für Beeinflussungen in weiteren Ländern zählte der BIS-Chef unter anderem die US-Präsidentschaftswahl 2016 auf, das Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien im Jahr 2017 sowie aus jüngster Zeit die Präsidentschaftswahlen in Moldawien und in Rumänien.

Aber auch in Tschechien selbst registrierte der Inlandsnachrichtendienst bereits früher Versuche von Einflussnahmen aus dem Ausland und machte diese publik. Das erste Beispiel stammt von der letzten Präsidentschaftswahl…

Foto: Gerd Altmann,  Pixabay/Radio Prague Int.,  CC0 1.0 DEED

„Im Januar 2023 wurde im Rahmen des Wahlkampfs ein Deep-Fake-Video des damaligen Kandidaten Petr Pavel veröffentlicht, in dem dieser über eine Einmischung Tschechiens in den russischen Krieg gegen die Ukraine sprach. Diese Aussage musste Pavel anschließend selbst dementieren. Das Video wurde nachweislich von einer Person aus Russland verbreitet“, so Koudelka.

Das zweite Beispiel betrifft das in Prag ansässige Internetportal „Voice of Europe“:

„Tatsächliches Ziel der Plattform war es, russische Propaganda zu verbreiten und Finanzen zu verteilen, um die Wahlen zum Europaparlament im Juni vergangenen Jahres zu beeinflussen.“

Der Fall ging auch in Deutschland durch die Presse, weil der tschechischstämmige AfD-Europawahlkandidat Petr Bystron darin verstrickt war. Wie Koudelka weiter ausführte, wurden die Finanziers und Betreiber der Internetplattform anschließend nicht nur auf die tschechische, sondern auch die europäische Sanktionsliste gesetzt.

Drastischer in den Folgen war die Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahl in Rumänien. Anfang Dezember annullierte der Oberste Gerichtshof des Landes sogar den Urnengang, er muss wiederholt werden. Denn den Erkenntnissen der Richter nach wurde der rechtsextreme und pro-russische Präsidentschaftskandidat Călin Georgescu über das Videoportal TikTok gesetzeswidrig massiv gefördert.

Laut Michal Koudelka ist diese Art der Einflussnahme jedoch nicht so einfach auf die tschechischen Abgeordnetenhauswahlen übertragbar. Das verhindere vor allem das andere Wahlsystem. Denn über die untere Parlamentskammer wird in einer Verhältniswahl und nicht in einer Mehrheitswahl abgestimmt. Dennoch denkt der Chef des Inlandsnachrichtendienstes, dass sich Lehren aus dem rumänischen Fall ziehen ließen:

„Der staatliche Akteur oder die staatlichen Akteure, die versucht haben, die Wahl in Rumänien zu beeinflussen, können nämlich zufrieden sein. Zwar ist es ihnen nicht gelungen, ihren Wunschkandidaten zu einem Sieg zu bringen, aber sie haben die rumänische Gesellschaft verunsichert und beunruhigt. Auch das können solche Kräfte letztlich ausnutzen. Darüber sollten wir uns alle im Klaren sein und alles dafür unternehmen, dass wir hier nicht in eine solche Lage geraten.“

Konkrete Maßnahmen lägen jedoch ausschließlich in der Kompetenz der Politik, fügte Koudelka an. Aus Sicht des BIS empfahl er, innerhalb der EU darauf zu pochen, dass die Regeln für Online-Plattformen auch eingehalten werden.

„Die Betreiber sollten zu größerer Transparenz gedrängt werden, damit die Verbreitung von Fake News über diese Plattformen einfacher und schneller erkannt werden kann“, sagte der Leiter des Inlandsnachrichtendienstes.

Autor: Till Janzer | Quellen: Český rozhlas , ČTK
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