Tierquälerei in tschechischen Zuchtställen: Veterinärkontrollen sollen Missstände eindämmen
Die staatliche Veterinärverwaltung Tschechiens führt seit vergangener Woche landesweite Kontrollen in Tierzuchtanlagen für Milchkühe durch. Dahinter steht der mehrfach aufgekommene Verdacht auf Tierquälerei. Geheime Videoaufnahmen von Tierschutzaktivisten haben schon vergangenes Jahr auf Praktiken hingewiesen, die offenbar nicht dem Wohlsein der Tiere entsprechen. Der Vorwurf lautet, dass dies keine Einzelfälle seien, sondern ein verbreitetes Problem darstelle.
Es war im Oktober vergangenen Jahres, als der tschechischen Öffentlichkeit Videoaufnahmen präsentiert wurden, die nur schwer auszuhalten sind. In Zuchtanlagen wurden Kühe und Kälber vom Stallpersonal mit Tritten und Mistgabeln traktiert oder an Traktoren angekettet umhergeschleift. Einer der Ställe, aus dem das Kameramaterial stammte, befindet sich in der Gemeinde Puklice bei Jihlava und gehört zur Landwirtschaftlichen Genossenschaft AGRO. Deren Vorsitzender Karel Vašourek führte vor wenigen Wochen nun einen Reporter des Tschechischen Rundfunks durch die Anlage:
„Dies ist ein Kuhstall für 360 Tiere, der bereits den modernen Vorgaben entspricht. Er hat eine Stallhöhe von elf Metern, und es gibt ausreichend frische Luft. Die Ertragsfähigkeit liegt momentan bei zwei Litern pro Milchkuh. Wie Sie sehen, ist das Vieh in Ordnung.“
In den vergangenen Jahren habe die Genossenschaft mehrere Hundert Millionen Kronen in die Modernisierung der Ställe investiert, berichtet Vašourek. Dabei sei auch auf die Einhaltung der Welfare-Grundsätze geachtet worden. Mit diesem englischen Begriff werden in Bezug auf Nutztierbetriebe angemessene Haltungsbedingungen im Sinne des Wohlseins der Tiere umschrieben.
Dennoch wurden bei AGRO in Puklice Fälle von Tierquälerei bekannt. Videoaufnahmen zufolge hat ein Mitarbeiter die Kühe mit einem Spaten geschlagen. Dazu sagt Karel Vašourek:
„Als wir davon erfuhren, haben wir natürlich sofort mit allen Pflegern Gespräche geführt. Wir haben einen Ethikkodex verfasst, den jeder Mitarbeiter unterschreiben musste. Im Falle eines Verstoßes droht die umgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“
Diese habe auch für den betreffenden Mitarbeitet gegriffen, der im Übrigen, wie Vašourek betont, nur kurzzeitig über eine Agentur im Betrieb angestellt war.
Die besagten Videos hatte der Verein Zvířata nejíme (zu Deutsch: Tiere essen wir nicht) am 16. Oktober vergangenen Jahres veröffentlicht. Es handelte sich um einen vierminütigen Zusammenschnitt von geheimen Kameraaufnahmen, die in insgesamt zwölf Ställen gesammelt wurden, und das über einen Zeitraum von zwei Jahren. Nach Angaben der Organisation befanden sich die fraglichen Betriebe zumeist im Kreis Vysočina, einige auch in Südböhmen.
Liegenden Kälbern wurde da auf den Kopf getreten, Kühe wurden unter Schlägen aus dem Stall getrieben oder ein liegendes Tier mit einem Verlader aus dem Gehege geschoben. Dazu sind Beschimpfungen und vulgäre Ausfälle zu hören. Lukáš Vincour, Mitbegründer von Zvířata nejíme, sagte damals im Rundfunkinterview:
„Wir haben in etwa 70 Ställen über die ganze Republik verteilt Kameras installiert. Auf den meisten Aufnahmen ist ein Fehlverhalten der Mitarbeiter zu sehen, also ein grausamer Umgang mit den Tieren.“
Ähnlich wie beim Hof in Puklice stellte sich etwa auch die Leitung eines identifizierten Betriebes im südmährischen Kožichovice der Öffentlichkeit. Der Vorsitzende der dortigen Genossenschaft, Jakub Fukal, bestätigte gegenüber der Presse das „katastrophale Verhalten“ eines Mitarbeiters und informierte über dessen Kündigung. Die Leitungen weiterer gezeigter Betriebe verweigerten hingegen öffentliche Stellungnahmen.
Versagen Einzelner?
Parallel zu der Veröffentlichung der Videos äußerte der Verein Zvířata nejíme den Vorwurf, bei den Tierquälereien in Stallbetrieben handle es sich um ein landesweites Problem. Dem widersprach damals in einer ersten Reaktion Kamil Malát, der Leiter des tschechischen Rinderzuchtverbandes. Er interpretierte die gezeigten Praktiken als Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter:
„Kein Unternehmer, der in der Branche aktiv sein will, kann sich ein solches Verhalten erlauben. Das gilt grundsätzlich. Die Tierschützer haben die Aufnahmen allerdings über zwei Jahre hinweg gesammelt, und zusammengeschnitten wirken sie dann doch etwas anders. Ich möchte ein solches Verhalten aber keinesfalls verteidigen oder sagen, dass es in Ordnung wäre. Jeder vernünftige Wirtschaftler, der Tiere für eine effektive Nutzung züchtet, ist sich natürlich bewusst, dass sich ein unkorrektes Verhalten gegenüber den Tieren oder sogar eine Quälerei letztlich in einem Rückgang der Ertragfähigkeit niederschlagen. Am Ende wirkt sich dies also auf seine Geldbörse aus. Die gezeigten Fälle verstehe ich indes eher als Versagen Einzelner, und das sollte in dem jeweiligen Betrieb geregelt werden.“
Das sah die Staatliche Veterinärverwaltung (SVS) anders. Direktor Zbyňek Semerád reagierte auf die Videos mit den Worten:
„Dies sind auf keinen Fall Vorgänge, die man in irgendeinem Tierzuchtbetrieb sehen will. Die Aufnahmen zeigen ein unangemessenes Verhalten bis hin zur Quälerei der Tiere.“
Die Beamten wurden dann auch gleich nach Veröffentlichung der Videos aktiv. Die erste Kontrolle fand auf dem Hof in Kožichovice statt, und in Zusammenarbeit mit dem Verein Zvířata nejíme wurden weitere Betriebe identifiziert und ins Visier genommen. Bis Ende vergangenen Jahres besuchten die Veterinäre insgesamt 19 Unternehmen mit Schwerpunkt im Kreis Vysočina. SVS-Sprecher Petr Vorlíček teilte daraufhin mit:
„Schwierigkeiten wurden in neun Fällen festgestellt. Die drei drastischsten Fälle haben wir der Polizei für weitere Ermittlungen übergeben. Denn bei diesen handelte es sich nach unserer Auffassung wirklich um einen ernsten Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. In sechs anderen Betrieben gab es auch Tierquälereien, allerdings nicht so vehement, und diese haben wir an die zuständigen Gemeindeverwaltungen weitergeleitet, die sich damit nun beschäftigen.“
Fördergelder für Welfare-Programme abgeschöpft
Einige Wochen war es dann ruhig um das Thema. Am 17. Februar strahlte das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen (ČT) jedoch eine Reportage aus, bei der nicht nur erneut auf das bekannte Kameramaterial hingewiesen wurde. Eigene Recherchen hatten zudem ergeben, dass mehrere der Betriebe offenbar umfangreiche Subventionsgelder aus Welfare-Programmen beziehen. Der Betrieb in Kožichovice etwa wird demzufolge mit mehr als einer Million Kronen (40.000 Euro) pro Jahr gefördert. Eine ähnliche Summe wird in dem Bericht auch für den Betrieb ZOD in Čáslavice genannt, in dem Mitarbeiter gefilmt wurden, wie sie die Tiere mit wiederholten Schlägen auf den Kopf aus dem Stall treiben.
Tschechiens Landwirtschaftsminister Marek Výborný (Christdemokraten) bezeichnete diese Bilder daraufhin gegenüber iRozhlas.cz als „absolut inakzeptabel“ und eindeutige Tierquälerei. Noch in der gleichen Woche ordnete er landesweite Kontrollen an, die seit vergangenen Montag nun laufen. Genauere Angaben macht Petr Vorlíček von der Veterinärverwaltung:
„Es werden zwischen 60 und 80 Zuchtbetriebe in ganz Tschechien kontrolliert. Wir wollen uns vor allem auf größere Unternehmen mit Angestellten konzentrieren. Das heißt, wir lassen kleine Familienhöfe aus. Bei den Kontrollen wird festgestellt, wie sich gegenüber den Nutztieren verhalten wird und ob das Personal ordentlich geschult wurde und mit den Tieren umzugehen weiß. Dies ist vor allem wichtig beim Eintreiben der Tiere in die Melkanlage. In einigen Betrieben werden wir auch auf die Schlachtungspraxis vor Ort schauen. Denn wenn ein Tier bestimmte gesundheitliche Probleme hat, etwa mit dem Bewegungsapparat, dann wird eine Notschlachtung vor Ort nötig.“
Tatsächlich haben die Aktivisten von Zvířata nejíme auch Vorgänge gefilmt, bei denen Tiere gewaltsam zu Tode gekommen sind. Und von den Stallarbeitern wurden außerdem Elektroschockgeräte eingesetzt. Dies alles widerspricht den Welfare-Vorgaben aufs Gröbste. Wie es sein kann, dass solche Unternehmen trotzdem öffentliche Gelder bekommen, erläutert der Direktor des Staatlichen landwirtschaftlichen Interventionsfonds, Petr Dlouhý:
„Die Videoaufnahmen waren erschütternd. Ich möchte aber daran erinnern, dass die Fördergelder für Welfare-Zwecke sich zum Beispiel darauf beziehen, welche Futtermittel eingesetzt werden oder ob die Tiere Zugang zu Wasser haben. Dies kann vom Antragsteller erfüllt werden, und trotzdem kann es – außerhalb der Kontrollen – leider zu Tierquälereien gekommen sein.“
Deswegen lässt das Landwirtschaftsministerium nun verstärkte Kontrollen durchführen. Tierschützer zeigen sich allerdings skeptisch, dass dies ein wirksames Mittel ist. So äußerte sich der Anwalt und Mitbegründer des Vereins Hlas zviřat (Stimme der Tiere), Robert Plicka:
„Es ist absurd zu glauben, dass die Kreisveterinärverwaltung vor Ort ist und die Pfleger vor den Augen der Inspekteure mit den Tieren dann so umgehen, wie es auf den Videos zu sehen war. Eine aktive Tierquälerei wird nicht durch Kontrollen aufgedeckt.“
Maximal könnten dabei schlechte Haltungsbedingungen für die Kühe aufgedeckt werden, ergänzt Plicka. Dies könnte jedoch reichen, um den betreffenden Betrieben die staatlichen Fördergelder zu streichen, meint Minister Výborný:
„Leider – und das gilt in allen Branchen – findet sich immer jemand, der die Regeln nicht einhält. An dieser Stelle müssen eben die Kontrollorgane eingreifen. Die staatliche Veterinärverwaltung muss Strafen verhängen, sofern sich der Verstoß gegen irgendeine Vorschrift bestätigt. Wir sollten uns nun darüber unterhalten, wie diese Strafen wirklich eine spürbare Wirkung entfalten und jeden von einem Verstoß gegen die Regeln abhalten.“
Zugleich lehnt es Výborný ab, über eine Verschärfung der bestehenden Gesetze zu diskutieren. Diese seien ausreichend, so sein Argument. Vielmehr appelliert er an die Branche und die Öffentlichkeit, ein brutales Verhalten gegenüber Tieren nicht zu akzeptieren. Es bestehe die Pflicht, solche Fälle bei den Behörden zu melden, mahnt der Minister. Dies sei besser, als geheime Kameraaufnahmen zu machen. Selbst wenn ein Hinweis anonym erfolge, würde die Veterinärverwaltung augenblicklich reagieren, beteuert das Regierungsmitglied.
Millionenstrafe möglich
Das tschechische „Gesetz zum Schutz von Tieren gegen Quälerei“ sieht für Verfehlungen bis zu sechs Jahre Haft vor. Verwaltungschef Zbyněk Semerád spricht in Bezug auf die derzeit stattfindenden Kontrollen zudem von einer Geldstrafe von bis zu 120.000 Euro:
„Wenn sich der Verdacht auf Tierquälerei bestätigt und es um ein registriertes Zuchtunternehmen geht, dann drohen der Leitung bis zu drei Millionen Kronen. Falls Einzelpersonen verantwortlich sind, kann die Strafe bis zu einer Million Kronen betragen. In jenen Fällen, bei denen gegen ein Tier etwa mit einem Gabelstapler vorgegangen wurde, kann auch eine Straftat vorliegen. Dann wird Anzeige bei der Polizei gestellt, die die Strafermittlungen übernimmt.“
Zum Auftakt der landesweiten Kontrollgänge gab sich Minister Výborný vergangene Woche Montag zuversichtlich, dass Tierquälereien in tschechischen Ställen kein systembedingtes Problem seien. Die Exzesse Einzelner müssten aber eingedämmt werden, so die Vorgabe. Laut Angaben des Landwirtschaftsressorts gibt es in Tschechien insgesamt etwa 1300 Milchkuhanlagen. Wie die Veterinärverwaltung zudem Ende Januar informierte, wurden 2024 etwa 6800 Kontrollen bezüglich der Einhaltung von Welfare-Vorgaben durchgeführt. In elf Fällen sei die Polizei eingeschaltet worden.
Durch eine Novelle des Veterinärgesetzes wird ab kommendem Jahr hierzulande außerdem eine Kamerapflicht in Schlachtanlagen eingeführt. Sie gilt allerdings nur für jene Bereiche, an denen die Tiere ausgeladen und zur Schlachterei geführt werden. Den Tierschutzaktivisten vom Verein Zvířata nejíme ist das nicht genug. Sie fordern eine umfassende Kameraüberwachung in allen Teilen von Schlachthöfen. Diese gibt es beispielsweise in England, Schottland und Spanien.