Öffentliche Ausschreibungen in Tschechien: Neues Adressverzeichnis verweist auf soziale Unternehmen

Martin Plíšek (Mi) und Zdeněk Kosour (re) bei der Pressekonferenz
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Das tschechische Abgeordnetenhaus setzt sich dafür ein, die Stellung sozialer Unternehmen im Land zu stärken. Dazu dient nicht nur ein neues Gesetz von Anfang dieses Jahres. Die Verwaltung des Hauses beschäftigt auch selbst immer mehr Menschen mit Behinderung und will öffentliche Aufträge verantwortungsbewusster verteilen.

Arbeitgeber, die 25 und mehr Angestellte haben, sind in Tschechien gesetzlich dazu verpflichtet, auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen zu beschäftigen. Konkret müssen diese mindestens vier Prozent des Teams ausmachen. Diese Vorgabe werde von der Kanzlei des tschechischen Abgeordnetenhauses derzeit zu 169 Prozent erfüllt, informierte deren Direktor Martin Plíšek am Donnerstag.

Bei einer Pressekonferenz verwies er auf ein Memorandum, das die Verwaltung der unteren Parlamentskammer schon im Juli 2023 abgeschlossen hat – nämlich mit der Initiative Deklarace odpovědného podnikání (Deklaration für verantwortungsvolles Unternehmertum). Dieser Verband vertritt die Interessen sozialer Unternehmen in Tschechien. Partnern wie eben der Parlamentsverwaltung steht er in puncto Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beratend zur Seite. Vorstandsmitglied Zdeněk Kosour sagte gegenüber Radio Prag International:

Illustrationsfoto: Europäische Kommission

„Dank dieser Kooperation werden neben dem Abgeordnetenhaus auch andere Institutionen hierzulande auf das Thema aufmerksam. Der Trend zur Zusammenarbeit mit sozialen Unternehmen, den wir aus Europa schon länger kennen, erreicht also auch die Tschechische Republik.“

Soziale Unternehmen beschäftigen vorrangig Menschen, die auf dem freien Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen benachteiligt sind. Um diesen Firmen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, rief die Initiative – wiederum unterstützt vom Abgeordnetenhaus – vor zwei Jahren zum Beispiel auch einen jährlichen Preis für soziales Unternehmertum ins Leben, der den Namen „Zlatá vážka“ (Goldene Libelle) trägt. Und das Engagement auf legislativer Ebene trug dazu bei, dass im Januar dieses Jahres das Gesetz zu integrativen sozialen Unternehmen verabschiedet wurde. Zdeněk Kosour:

„Gesetze wie diese gibt es in anderen europäischen Ländern schon seit Jahrzehnten. In dieser Hinsicht handelt es sich in Tschechien immer noch um ein verhältnismäßig neues Thema – aber eben nur auf legislativer Ebene. Denn Firmen, die die Grundsätze des sozialen Unternehmertums befolgen, gibt es hierzulande bereits seit etwa 15 Jahren.“

Diese sollten nach Ansicht der Organisation öfter bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden. Diesbezüglich berichtete Kanzler Martin Plíšek dann auch, dass nach einem Audit, das die Experten der Deklaration für verantwortungsvolles Unternehmertum durchgeführt haben, die Ausschreibepraxis der Abgeordnetenhausverwaltung entsprechend angepasst worden sei.

Um es anderen Einrichtungen wie auch der freien Wirtschaft einfacher zu machen, mit solchen Partnern zusammenzuarbeiten, hat die Initiative am Donnerstag ein Adressverzeichnis sozialer Unternehmen vorgestellt. Unter www.socialnipodniky.cz ist es frei einsehbar und enthält derzeit die Kontaktdaten von 106 Firmen. Weiter sagt Kosour:

„In Tschechien beschäftigen rund 4.000 Arbeitgeber Menschen mit Behinderung. Davon bekennen sich etwa 400 zu den Grundsätzen des sozialen Unternehmertums. Die 106, die jetzt im Adressverzeichnis aufgeführt sind, sind die Mitglieder unserer Organisation. Das Verzeichnis ist jedoch nicht abgeschlossen und steht für weitere soziale Unternehmen offen.“

Zur weiteren Tätigkeit der Deklaration für verantwortungsvolles Unternehmertum kündigt Zdeněk Kosour dann noch eine breit angelegte Unterstützungskampagne an:

„Dabei werden wir mit dem Regierungsamt kooperieren, das bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat. Gemeinsam mit der Regierungsbeauftragten für Menschenrechte, Klára Šimáčková Laurenčíková, wollen wir daran arbeiten, dass das Thema des verantwortungsvollen Unternehmertums in der staatlichen und öffentlichen Verwaltung noch mehr Anklang findet.“