Ombudsfrau Šabatová: Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare nicht verfassungskonform

Foto: Emily Walker, CC BY-SA 2.0

Am Sonntag ist in Prag das Festival für sexuelle Minderheiten, die Prague Pride, zu Ende gegangen. Im Umfeld dieser Veranstaltung ist die Diskussion um das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wieder aufgeflammt. Dabei offenbarte sich, dass es in der tschechischen Öffentlichkeit zum Teil massive Vorbehalte gibt, wenn ein schwuler Mann oder eine lesbische Frau das Kind seines Partners oder seiner Partnerin adoptieren möchte. Eine prominente Fürsprecherin des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare ist die tschechische Ombudsfrau Anna Šabatová. Vergangene Woche stand sie im Tschechischen Rundfunk dazu Rede und Antwort.

Foto: Emily Walker,  CC BY-SA 2.0
2006 wurde in Tschechien die registrierte Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. In dem Gesetz ist fixiert, dass ein Mann oder eine Frau nicht das leibliche Kind seines Partners oder seiner Partnerin adoptieren dürfe. Wenn also ein homosexuelles Paar ein gemeinsames Kind erzieht, hat nur der biologische Vater oder die biologische Mutter das Recht, über das Wohl des Kindes zu bestimmen. Anna Šabatová hat seit Februar dieses Jahres das Amt der tschechischen Ombudsfrau inne. Für sie steht außer Frage, dass der Paragraph, der die Adoptionsrechte betrifft, dringend geändert werden sollte, wie sie im Tschechischen Rundfunk erläuterte:

„Dieser Paragraph hatte schon damals keinen Sinn. Das war irgendeine seltsame Übereinkunft, ich weiß gar nicht mehr zwischen wem, aber so sah eben das Endergebnis im Abgeordnetenhaus aus. Acht Jahre lang wurden keine Schritte unternommen, dieses Gesetz zu ändern, obwohl es rechtlich gesehen nicht verfassungskonform ist. Eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Gesetz fand seit dieser Zeit nicht mehr statt. Doch auf der anderen Seite war das Gesetz selbstverständlich ein Gegenstand der fachlichen wie auch der öffentlichen Debatte.“

Laut Anna Šabatová ist Gesetzesgrundlage, mit der schwulen oder lesbischen Paaren die Adoption verwehrt wird, nicht mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Ihrer Meinung nach sollten gleichgeschlechtliche Paare auch die Möglichkeit haben, gemeinsam ein Kind aus einem Kinderheim oder aus dem Ausland zu adoptieren. Wenn ein Paar derzeit ein Kind adoptieren möchte, darf keine registrierte Partnerschaft vorliegen. Das Gesetz ist damit in sich unlogisch, wie Anna Šabatova in dem Rundfunkinterview erläuterte:

Ombudsfrau Anna Šabatová  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wenn es nicht im Gesetz dieses ausdrückliche Verbot gäbe, könnten eingetragene Paare selbstverständlich Kinder adoptieren. Homosexuelle Paare, die nicht registrierte Paare sind, können ja Kinder annehmen. Es ist im Grunde genommen eine völlig absurde Ausgangslage, die diesem Gesetz zu Grunde liegt: Mit der Annahme hat der Staat auf der einen Seite anerkannt, dass Homosexuelle das Recht haben, in einer solchen registrierten Partnerschaft zu leben. Und auf der anderen Seite hat der Staat zugleich mit diesem Gesetz den betroffenen Menschen die Möglichkeit vereitelt, als Einzelpersonen Kinder adoptieren zu können. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war das möglich. Und es ist sogar bis heute möglich, dass jemand Kinder adoptiert, ohne seine sexuelle Orientierung offen zu legen. Dafür muss er lediglich die üblichen Voraussetzungen erfüllen und den vorgegebenen Prozess durchlaufen, zu dem auch eine psychologische Beurteilung gehört. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, kann er ein Kind adoptieren. Dieser Umstand macht die jetzige Regelung umso absurder.“

Über eine Änderung des umstrittenen Paragraphen im Adoptionsrecht war bereits vergangenes Jahr im Abgeordnetenhaus verhandelt worden. Der Vorstoß scheiterte letzten Endes auch an den vorgezogenen Neuwahlen. Anfang August hat nun die ständige Kommission für Familie, Gleichstellung und nationale Minderheiten den Gesetzesvorstoß erneut aufs Tapet gebracht. Anna Šabatová schätzt die Chancen, dass der Absatz 2, Paragraph 13 aus dem Gesetz gestrichen wird, als relativ gering ein. Eine wichtige Voraussetzung müsste nach Meinung der Ombudsfrau vorher erfüllt werden:

Archiv Kurt Löwenstein Education Center,  CC BY 2.0
„Ich glaube, dass so eine Änderung momentan nicht in Vorbereitung ist. Aber der Beschwerdeführer, der sich an uns gewandt hat und von mir auch die Stellungsnahme gefordert hat, ob es sich um Diskriminierung handelt oder nicht, hat sich soweit ich weiß nun ans Gericht gewandt. Und zwar aus dem folgenden Grund: Wir haben ihm gesagt, dass wir kein Rechtsorgan dazu zwingen können, etwas Ungesetzliches durchzusetzen, auch wenn wir dieses Gesetz als nicht verfassungsgemäß einstufen. Unsere Auskunft an den Beschwerdeführer lautete also, es sei an ihm, sich rechtlichen Beistand zu suchen und sich an das zuständige Gericht seiner Stadt, in diesem Falle Prag, zu wenden. Und vor kurzem hat dieses städtische Gericht den Antrag auf die Abschaffung dieser Regelung beim Verfassungsgericht eingereicht. Denn niemand außer den Gesetzgebern kann diesen Schritt ansonsten unternehmen.“

Der Beschwerdeführer hatte sich ursprünglich an die Verwaltung des 13. Prager Stadtbezirks gewandt und einen Antrag gestellt, ein Kind adoptieren zu wollen. Dabei gab er auch an, in einer registrierten Partnerschaft zu leben. Die Stadtverwaltung – und später auch der Prager Magistrat – konnten seinem Antrag nicht entsprechen, weil er dem Gesetz über die registrierte Partnerschaft widerspricht. Ombudsfrau Šabatová kam also ihrem Auftrag nach, auf Diskriminierung in diesem und vergleichbaren Fällen aufmerksam zu machen. Bisher gehört es nicht zu den Amtsbefugnissen des Ombudmannes beziehungsweise der Ombudsfrau, Vorschläge zur Abschaffung von Gesetzen an das Verfassungsgericht einzureichen – ein weiterer Punkt, den Anna Šabatová gerne ändern möchte. Doch zunächst steht das Adoptionsrecht auf der Agenda. In ihrem persönlichen Umfeld ist die ehemalige Dissidentin nicht mit Menschen konfrontiert, die das Adoptionsrecht ablehnen:

Foto: stephaniehaynes, CC BY-SA 2.0
„Ich muss diese Diskussionen in meiner Umgebung überhaupt nicht führen, weil ich Menschen meide, die der Ansicht sind, dass man Homosexuellen die Adoption verbieten sollte. Aber wenn es zu einer öffentlichen Debatte käme, dann würde ich sagen, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Beide Partner sollten gewisse Qualitäten besitzen, es sollte sich um reife Persönlichkeiten handeln, die natürlich keine psychopathischen Tendenzen haben, die sich lieben und in der Lage sind, ein stabiles, liebevolles Umfeld für den Nachwuchs zu schaffen. Unter diesen Umständen denke ich, dass Kinder sich in solch einer Partnerschaft sehr erfolgreich entwickeln und entfalten können.“

Mit dieser Antwort reagiert Anna Šabatová vor allem auf die Kritiker einer Adoptionsregelung für registrierte Partner ab. Etliche Parlamentarier haben ihre Besorgnis ausgedrückt, und bringen Argumente der Art, Kinder bräuchten Vater und Mutter und könnten sich nur in einer traditionellen Familie „normal“ entwickeln. Zu Wort gemeldet haben sich kürzlich etwa Landwirtschaftsminister Marian Jurečka von den Christdemokraten oder der Rechtspopulist Tomio Okamura. Für Anna Šabatová sind derartige Ansichten rückwärtsgewandt. Im Tschechischen Rundfunk plädierte sie für dafür, den Begriff der Familie zeitgemäß zu interpretieren:

„Ich bin eine große Unterstützerin und Verfechterin der Familie, und ich denke, dass die Familie für jeden sehr wichtig ist, was die Sozialisation des Einzelnen angeht. Die Familie ist eine Institution, die dem Menschen ein Leben lang hilft, aber ich würde niemals so weit gehen zu sagen, dass es immer nur eine Form der Familie geben kann. Ich versichere, dass die gesellschaftliche Realität eine andere ist. Eine große Anzahl der heutigen Familien entspricht nicht diesem klassischen Modell, denn es gibt viele Männer oder Frauen, die sich alleine um ihre Kinder kümmern, Menschen leben in Patchwork-Familien. Und die Soziologie zeigt uns, dass dieses Ideal nicht mehr zeitgemäß ist. Es stammt meiner Meinung nach aus dem 19. Jahrhundert beziehungsweise aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute sollten wir uns aber darum kümmern, dass Menschen, die in Familien leben – ganz gleich wie diese aussehen – die Möglichkeit erhalten, Kinder zu bekommen und dann auch berechtigt sind, ihre Kinder gut aufzuziehen.“