Ostböhmen probt Aufstand gegen Verbrennungsanlage für Sondermüll
Eine große Verbrennungsanlage für Sondermüll soll im ostböhmischen Rybitví wieder in Betrieb genommen werden. Betreiber soll die österreichische Firma AVE CZ sein. Sie hatte vom Umweltministerium in Prag nach drei Jahren die Chance erhalten, die veraltete Anlage zu modernisieren und zu betreiben. Die Bewohner der umliegenden Dörfer und Städte sind indes dagegen. Fast 50.000 Leute haben eine Petition gegen die Inbetriebnahme unterzeichnet.
Die Müllverbrennungsanlage wurde noch zu kommunistischen Zeiten geplant. Im Jahr 1995 wurde sie in Betrieb genommen. Nach dem tschechischen EU-Beitritt musste sie aber wegen europäischer Richtlinien erst einmal stillgelegt werden. Die Anlage konnte die Emissionsgrenzwerte nicht einhalten. 2006 zeigte die Firma Energie AG Oberösterreich Interesse an der Müllverbrennung in Rybitví. In Tschechien betreiben die Österreicher die Tochtergesellschaft AVE CZ. Die vom Bundesland Oberösterreich gelenkte Firma plant eine Modernisierung der Anlage und wollte ursprünglich ab dem Jahr 2010 bis zu 20.000 Tonnen Sondermüll jährlich verbrennen. Das Umweltministerium lehnte das Projekt zweimal ab. Zweimal hat AVE CZ das Projekt überarbeitet, bis das Ministerium bei der dritten Umweltverträglichkeitsprüfung nichts Grundsätzliches mehr einzuwenden hatte. Ministeriumssprecherin Jarmila Krebsová.
„Der Investor hat nun die Anlage mit geringerer Kapazität als im ursprünglichen Projekt geplant. Zum Schluss unserer Beurteilung haben wir aber bestimmte Auflagen erteilt. Wir haben also nur in Aussicht gestellt, dass die Beurteilung zugunsten der Anlage ausfallen könnte.“
Anders gesagt: Ein klares Ja ist das noch nicht. Es bleibt weiterhin die Möglichkeit, dass das Umweltministerium anders entscheidet, auch wenn diese Möglichkeit klein ist. Nach den neuen Plänen sollen nur noch 12.000 Tonnen Sondermüll pro Jahr in Ryvitví verbrannt werden. Das sind zwar 8000 Tonnen weniger als ursprünglich geplant, aber auch das gefällt den Leuten in der Gegend nicht. In der Umgebung liegt vor allem die Kreisstadt Pardubice mit knapp 90.000 Einwohnern. Weniger als 20 Kilometer entfernt befinden sich aber noch weitere Städte. Alle sind Gegner des Projekts.
„Ich bin sehr froh, dass auch die Städte Hradec Králové und Chrudim an unserer Seite stehen und gegen die Anlage sind“, sagt der Oberbürgermeister von Pardubice, Jaroslav Deml.
Praktisch in allen Stadtvierteln von Pardubice regt sich der Widerstand gegen die Müllverbrennungsanlage. Zuzana Zlesáková ist die Bürgermeisterin des sechsten Stadtbezirks:
„Die Beurteilung durch das Ministerium hat uns sehr enttäuscht. Wir sind der Meinung, dass wir mit der Gesundheit der Menschen spielen, wenn wir in eine bereits so verschmutzte Stadt eine weitere Quelle der Umweltverschmutzung platzieren.“
Gegen die Anlage haben sich auch der Kreisrat und die Verwaltung des Pardubicer Kreises ausgesprochen. Und das, obwohl das konservativ dominierte Rathaus der Stadt, in dem die Bürgerlich-demokratische Partei ODS das Sagen hat, mit der sozialdemokratisch dominierten Führung des Kreises ansonsten permanent im Streit liegt. Doch geht es um die Verbrennungsanlage, dann kämpft man gemeinsam. Dies bestätigt auch der stellvertretende Kreishauptmann, Jan Tichý, von den Sozialdemokraten:
„Der Kreis ist in jedem Fall dagegen, dass hier diese Anlage aufgebaut wird.“
Der Politiker spricht vielen Bewohnern der Region aus dem Herzen. Mehr als 47.000 Menschen haben bereits eine Petition gegen die Anlage unterzeichnet:
„Wir wollen die Anlage nicht, doch weinen wir wohl zu spät“, sagt dieser Mann.
„Es ist rücksichtslos, hier die Anlage zu betreiben. Die Menschen sterben hier an Krebs“, glaubt eine ältere Frau.
„Jede Stadt soll nur das verbrennen, was sie selbst produziert“, findet ein weiterer Mann.
Auch wurden Dutzende von Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften geschrieben, Dutzende von Reportagen in Radio und Fernsehen gesendet, viele Beiträge im Internet veröffentlicht. Am 10. November sollten dann endlich die Gegner und Vertreter der Firma zu einer gemeinsamen Anhörung zusammenkommen. Für das Treffen war in den Pardubicer ABC Klub geladen worden. Dort ist Platz für ungefähr 800 Leute.
Doch die Beamten des Umweltministeriums hatten schlecht kalkuliert. Es kamen 1200 Leute. Erst das Pfeifen der Leute und die Bitten der Regionalpolitiker führten dazu, dass das Treffen abgebrochen und verschoben wurde. Vertreter des Umweltministeriums reagierten mit Unverständnis:
„Jede Verbrennungsanlage weckt Befürchtungen, aber das hier ist schon eher eine politische Kampagne“, beklagte Jaroslava Honová aus dem Umweltministerium.
Ein solches Urteil lehnt der Vize-Kreishauptmann Jan Tichý indes ab:
„Dies zeugt von großer Arroganz. Es war nötig, einen größeren Raum zu wählen, hier hat das Ministerium einfach einen Fehler begangen.“
Das Rathaus von Pardubice hat mittlerweile angeboten, das Eishockeystadion der Stadt für das Treffen zu nutzen.
„Wir haben gesagt, dass ein geeigneter Ort für eine solche Veranstaltung die ČEZ Arena mit ihren 10.500 Plätzen ist. Ich gehe davon aus, dass auch die Eisfläche gefüllt werden kann, wie bei großen Rockkonzerten. Es können also deutlich mehr Teilnehmer kommen als in der Arena Plätze sind, und ich wäre froh, wenn so viele Menschen wie möglich kämen“, so der Oberbürgermeister von Pardubice, Jaroslav Deml.
Inzwischen ist der Termin für das neue Treffen bekannt. Es soll am 9. Dezember stattfinden. Kommen werden auch Vertreter von AVE CZ. Obwohl die Firma normalerweise nur selten öffentlich über die Müllverbrennungsanlage spricht, will sie in der ČEZ Arena dies nun tun. Roman Mužík ist der Geschäftsführer von AVE CZ:
„Wir wollen der Öffentlichkeit das Projekt und seine Qualitäten vorstellen. Wir denken, dass es bisher wenig Informationen über das Projekt gibt. Wir wollen die Bürger überzeugen, dass hier modernste Technologie genutzt wird und dass die Gesundheit der Menschen nicht gefährdet wird. Das Treffen sollte die Bürger überzeugen.“
Klärungsbedarf gibt es aber noch viel: Beispielsweise woher der ganze Müll für die Verbrennung stammen soll? Bisher sagen die Vertreter von AVE CZ, in der Region lagerten noch genügend ökologische Altlasten, die beseitigt werden müssten. Und noch weitere Fragen brennen den Menschen unter den Nägeln: Hat die Firma Erfahrung mit einem solch großen Projekt? Und wer garantiert, dass die Grenzwerte für Emissionen nicht überschritten werden? Denn die bestehenden Gesetze ermöglichen keine permanente Kontrolle der Abgase. Alles Fragen, die geklärt werden müssen. Und wenn nicht? Dann sei man im schlimmsten Fall sogar bereit, sich direkt bei der Europäischen Kommission in Brüssel zu beschweren, so Vize-Kreishauptmann Tichý. Auf dass die Menschen auch weiterhin in Rybitví leben wollen.