Prag und Hamburg: eine Partnerschaft von Herzen
Menschliche Beziehungen entstehen, dauern und werden beendet - es ist nicht selbstverständlich, dass sie lange und intensiv sind. Da könnte die Partnerschaft zwischen den Metropolen Prag und Hamburg den Menschen zum Vorbild werden. Bereits seit 15 Jahren dauert sie an und wird mit Hilfe von engagierten Menschen immer intensiver. Bara Prochazkova nimmt die Städtepartnerschaft, deren Jubiläum diese Woche in Prag gefeiert wird, unter die Lupe.
Was eine Partnerschaft zwischen den Städten Prag und Hamburg bedeutet, haben wir jemanden gefragt, der bereits seit 40 Jahren mit beiden Städten intensiv verbunden ist:
"Ich muss mich damit nicht identifizieren, für mich ist es so normal wie die Luft zum Atmen",
sagt der tschechische Schriftsteller und Dramatiker Pavel Kohout, der regelmäßig in der Hansestadt zu Gast ist. Kohout erinnert sich an seine erste Begegnung mit der Stadt:
"Sie spielt für mich eine unwahrscheinlich wichtige Rolle, weil ich hier zum ersten Mal im Jahr 1967 im Schauspielhaus den Schwejk inszeniert habe. Das war meine erste Begegnung mit deutschsprachigem Theater. Seitdem habe ich hier ungefähr sechsmal inszeniert."
Gerade diese persönlichen Beziehungen füllen die Partnerschaft zwischen den beiden Städten, die durch Elbe und Moldau verbunden sind, mit Leben. Genau vor 15 Jahren, direkt nach der politischen Wende im östlichen Teil Europas, waren es die Menschen, denen die beiden Metropolen ans Herzen gewachsen sind und die die erste Chance wahrgenommen haben, ihre Leidenschaft für die beiden Städte in der Realität umzusetzen. Dass eine Städtepartnerschaft gegründet wurde, war damals geradezu selbstverständlich. Denn die Menschen gehören einfach zusammen, erzählt der Hamburger Oberbürgermeister Ole von Beust:
"Das Leben am Wasser und am Fluss verbindet uns. Obwohl Norddeutsche und die Menschen in Prag eine ganz unterschiedliche Tradition haben, sind die Menschen trotzdem ähnlich. Es verbindet uns die Art nicht anzugeben, eher in sich gekehrt zu sein, nicht protzig zu sein und eine fröhliche und ruhige und keine aggressive Ausstrahlung zu haben. Die Charaktere sind gar nicht so unterschiedlich."
Der Städtepartnerschaftsvertrag wurde am 19. April 1990 unterschrieben, seitdem fahren regelmäßig Künstler, Universitätsprofessoren, Studenten, Praktikanten, Verwaltungsangestellte und viele mehr an der Elbe hoch und herunter, denn diese Partnerschaft ist mehr geworden als eine Unterschrift der Politiker auf einem Dokument, sagt der Stadtrat für Kultur und Tourismus aus dem Prager Magistrat, Igor Nemec:
"Ich möchte betonen, dass es sich nicht um Papiere und Dokumente handelt sondern um eine praktische Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Kultur und Bildung. Seit 25 Jahren laufen Austauschprogramme mit der Karlsuniversität in Prag. Im kulturellen Bereich werden in Prag oder Hamburg jährlich unterschiedliche Projekte veranstaltet. Deshalb behaupte ich, dass Hamburg für Prag eine der wichtigsten Partnerstädte ist."
Vor 15 Jahren gab es eine Euphorie auf beiden Seiten, plötzlich wurde das wahr, was viele Menschen nur in ihren Herzen getragen und kaum auszusprechen gewagt haben. Nach der Öffnung der Grenzen wurden die Träume vieler Menschen zur Realität. Mittlerweile ist der Hauch des Besonderen verschwunden, die Menschen haben ihre Liebe für die beiden Städte aus ihren Herzen in die tägliche Arbeit umgewandelt, betont Ole von Beust:
"Ich glaube, dass es wie bei menschlichen Beziehungen ist: Zuerst schlagen die Herzen schnell, alle sind euphorisch und mit einem großen Enthusiasmus dabei. Nachher kommt wie in der Liebe die Normalität, die aber auch ihre eigenen Reize hat."
Den Schwerpunkt der Städtekooperation sieht Ole von Beust im kulturellen Bereich und beim Austausch in der öffentlichen Stadtverwaltung. Die Umweltbehörden arbeiten eng zusammen, auch in der Stadtplanung können die Städte voneinander profitieren. Aber gerade in Notsituationen wissen beide Seiten die Städtepartnerschaft zu schätzen, sagt von Beust weiter:"Dass die Partnerschaft sehr ernst gemeint ist, haben wir dann gemerkt, als während des Hochwassers in Prag Kunstschätze und vor allem Museen gefährdet waren. Als das Wasser in die Stadt geraten ist, war Hamburg bereit zu helfen. Es wurden Sachen gelagert, trocken gelegt, restauriert. Das heißt, wenn Not am Mann war, dann war Hamburg sofort zur Stelle."
Neben der Verwaltungsebene wird das Engagement der Vereine und privaten Gesellschaften für die Städtepartnerschaft immer wichtiger. Aus diesen fügt sich das Gesamtbild der Kooperation wie ein großes Mosaik zusammen. Einer der aktiven Gestalter der bilateralen Kooperation ist die Deutsch-tschechische Gesellschaft Hamburg, die seit bereits neun Jahren Studienstipendien für Studenten aus Prag und Liberec / Reichenberg vergibt und tschechische Künstler regelmäßig zu Veranstaltungen in den Norden einlädt. Sehr wichtig sei der Austausch im universitären und wissenschaftlichen Bereich, betont der ehemalige Präsident der Universität Hamburg und der Vorsitzende der Deutsch-tschechischen Gesellschaft, Peter Fischer-Appelt:
"Die Partnerschaft ist wichtig, weil wir am gleichen Lebensstrom liegen, der Elbe und der Moldau. Und auch, weil manche von uns Hamburgern aus Prag stammen. Diese Leute erinnern uns nicht nur an ihre Herkunft, sondern durch ihre wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Werke auch an unsere Zukunft. Das Herz Europas ist wieder da, wo es hingehört."
Und wie bei menschlichen Beziehungen wird auch die Städtepartnerschaft entsprechend gefeiert. Im April fand in Hamburg ein festlicher Empfang im Rathaus statt. Rund 500 Leute, die sich für die Partnerschaft aktiv engagieren, kamen zusammen. Da aber eine Partnerschaft aus zwei Teilen besteht, wird auch in Prag gefeiert und das gleich mehrere Tage lang. Die Hamburger Delegation wird vom Ersten Prager Bürgermeister Pavel Bem in Empfang genommen, auch an der Prager Universität sind für den kommenden Freitag große Feierlichkeiten vorbereitet. Das Ensemble des Hamburger Thalia-Theaters wird am Freitag das Prager Theaterfestival der deutschen Sprache eröffnen. Zu feiern gibt es vor allem die gute Zusammenarbeit, denn gerade in diesem Fall wurde Euphorie erfolgreich in Taten umgewandelt, sagt der Prager Kulturrat Igor Nemec:
"Wir verstehen uns sehr gut und deshalb ist die Partnerschaft mit einem konkreten Inhalt gefüllt. Ich glaube, dass Hamburg gerade dadurch Prag nah steht, weil sich die Stadt von anderen deutschen Städten ein bisschen unterscheidet. Wenn wir uns Hamburg anschauen, können wir lernen, wie sauber eine Stadt gehalten werden kann. Auf der anderen Seite können die Hamburger von uns lernen oder sich inspirieren lassen, wie man Sehenswürdigkeiten pflegt."
Die Partnerschaft soll beiden Seiten vor allem Vorteile bringen, durch den Informationsaustausch sollen sie voneinander lernen. Es ist wie bei Menschen, sie gehen Freundschaften an, weil es sie persönlich bereichert, aber auch weil es leichter ist, Probleme gemeinsam zu lösen. Dies funktioniert auch bei Städten, sagt der Hamburger Oberbürgermeister Ole von Beust:
"Ich denke, dass Hamburg von Prag eine ganze Menge lernen kann. Zum Beispiel die Art und Weise wie Prag mit der alten Bausubstanz umgegangen ist, wie versucht wird, historische Gebäude und ganze Stadtteile im historischen Kern zu erhalten. Es ist bewundernswert, wie Prag mit seiner Stadtgeschichte umgehen kann. Auf der anderen Seite regierte in Hamburg zeitweise die Abrissbirne zu Gunsten von Straßen und Neubauten. In Prag gibt es auch eine gute Mischung in der Kultur zwischen avantgardistischen Bereichen auf der einen Seite und einer Betonung der traditionellen Kunst auf der anderen Seite."
Eines steht fest, die Städtepartnerschaft muss - genauso wie bei Menschen - sorgfältig gepflegt werden. Darum kümmern sich im Falle der Partnerschaft zwischen Prag und Hamburg viele Menschen auf allen Ebenen und gerade denen gehört ein herzliches Dankeschön für ihr Engagement. Denn wie Ole von Beust betont: 15 Jahre aktive und enge Kooperation ist keine Selbstverständlichkeit.