Prag verabschiedet sich von einem Symbol – der Straßenbahn T3
Aus Prag ist sie kaum wegzudenken. Die Straßenbahn T3 ist seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem Symbol der Moldaumetropole geworden. Davon zeugt, dass sie ab den 1970er Jahren auch in vielen tschechischen Filmen gezeigt wurde und auf Ansichtskarten zu sehen war. Nach vierzig Jahren wird sich die Hauptstadt aber nun bald von der rot-gelben Schönheit verabschieden. Im Prager Liniennetz sind die T3-Straßenbahnen in den vergangenen Jahren allmählich durch modernere Wagentypen ersetzt worden.
„Der erste Waggon wurde 1960 hergestellt. Das gelungene Design stammt vom Prager Architekten František Kardaus. Kardaus entwarf unter anderem den Pkw namens „Tatraplan“ und beteiligte sich am Design des Tatra 603 sowie von anderen Verkehrsmitteln.“
Die Straßenbahn T3 ist damals nicht nur in Prag, sondern auch in einigen anderen Ländern legendär geworden. Die Konstruktion des Triebwagens war genial und dabei einfach. Die innere Einrichtung wurde mit viel Rücksicht auf den Komfort der Fahrgäste gestaltet. Die Straßenbahnen wurden damals bei Tatra Smíchov produziert, also in den ehemaligen Ringhoffer-Werken, wo auch Eisenbahnwaggons hergestellt wurden.Pavel Fojtík leitet das Archiv der Prager Verkehrsbetriebe. Seinen Worten nach war es bewundernswert, unter welch schlichten Bedingungen die Straßenbahnwaggons entstanden sind.
„Die Fabrik in Smíchov wurde damals überhaupt nicht modernisiert. Die Wagen wurden in sehr engen Räumlichkeiten montiert. Es wird sogar erzählt, dass in den 1970er Jahren eine ausländische Delegation die Fabrik besuchte. Ihnen wurde die Herstellung der Straßenbahnwaggons vorgeführt. Der Leiter der Delegation soll danach gesagt haben: ´Das Museum, das Sie hier haben, ist schön, aber zeigen Sie uns jetzt schon die Fabrik, in der 1000 Straßenbahnen jährlich montiert werden´.“
Nach der Präsentation der neuen Straßenbahn auf der Brünner Messe fanden anschließend bis Juni 1961 umfangreiche Test- und Probefahrten im Prager Straßenbahnnetz statt. Am 21. Juni 1961 fuhr der Wagen 6101 erstmals auf der Linie 4 zwischen den Stadtteilen Zlíchov und Hostivař im Fahrgastverkehr.Bei den ersten Linienfahrten wurden mehrere Mängel an der neuen Straßenbahn gefunden und allmählich beseitigt. Pavel Flajšhans war damals Straßenbahnfahrer. Er erinnert sich an Probleme mit den Türen bei der T3:
„Es passierte auch, dass der Fahrgast in der Tür hängen blieb. Und es kam sogar zu einem tödlichen Unfall, wie ich mich erinnere. Nach diesen Erfahrungen gab die Expertenkommission der Straßenbahn nur die Note Drei. Das bedeutete, sie war ein unterdurchschnittliches Produkt.“
Die Entwicklung und das Experimentieren waren während des totalitären Regimes, vor allem in der Zeit der so genannten Normalisierung in den 1970er Jahren, allerdings nicht gefragt. Demgegenüber war die Zeit davor viel innovativer, sagt Designer Patrik Kotas im Tschechischen Fernsehen:„Die 1950er und 60er Jahre stellten im tschechischen Verkehrsdesign eine Art goldenes Zeitalter dar. Neben den Straßenbahnen T3 entstanden die Busse Škoda RTL 706, die Designer Otakar Diblík entwarf. Das waren alles Produkte, die auch im Ausland geschätzt wurden.“
Die Straßenbahnen T3 erlebten auch viele historische Momente. Publizist Mara:
„Viele Straßenbahnen nahmen ungewollt an den Protestdemonstrationen gegen die Okkupation der Tschechoslowakei von 1968 teil. Im November 1989 fuhren die T3 wiederum durch die Stadt, beklebt mit vielen Plakaten und Aufrufen des Bürgerforums.“
In den 1990er Jahren wurde die Straßenbahn T3 von vielen westeuropäischen Besuchern bewundert. Den Pragern wiederum kam es bis zu der Zeit gar nicht sonderbar vor, dass in ihrer Stadt immer noch Straßenbahnen mit einem dreißig Jahre alten Design herumfahren. Die Straßenbahn T3 wurde in den 1980er Jahren sogar in das Guinness-Rekordbuch eingetragen, erzählt Archivar Fojtík:
„Bis zu der Zeit wurden 14.000 Straßenbahnen von diesem Typ hergestellt, was in der Welt einzigartig war. Das bedeutete, dass jede dritte Straßenbahn, die damals auf der Erde fuhr, bei Tatra Smíchov hergestellt wurde.“
Das Design der Straßenbahnen T3 erwies sich als zeitlos. Die auf dem Heizkörperverdeck angebrachten und somit beheizten Sitze aus Laminat gehören zu den beliebtesten. Designer Kotas meint sogar, die T3 habe es geschafft, zu einem Symbol von Prag zu werden und die Identität der Stadt mitzubestimmen:
„Die Bahn ist ein genauso wichtiges Element wie die Architektur der Stadt. Die T3 ist so etwas wie der Double Decker in London. Ein Foto der T3 in den Prager Straßen ist für mich ein Synonym für die Hauptstadt, auch wenn das etwas ungerecht gegenüber den anderen Städten sein kann.“Die T3-Straßenbahnen fahren auch in anderen tschechischen Städten, seit der Wende von 1989 unterscheiden sie sich aber durch ihre Farbe voneinander. So verkehren beispielsweise in Pilsen gelb-weiß-graue Straßenbahnen, in Liberec fahren grün-weiße und in Ostrau blau-weiße Straßenbahnen.
„Mit einem gewissen Zeitabstand zeigt sich jedoch, dass die Originalfassung in rot-gelb die glücklichste Lösung war. Wahrscheinlich wird sie deshalb auch am längsten in den Straßen von Städten aus aller Welt zu sehen sein.“
Sagt Patrik Kotas, der die neue Straßenbahn Škoda 15 T ForCity entworfen hat. Wenn künftige Generationen entdecken sollten, dass er mit seinem Entwurf an die legendäre T3 anknüpfen konnte, würde ihn das freuen, fügt der Designer hinzu.Damit sind wir am Ende des heutigen Spaziergangs durch Prag angelangt, in dem wir uns von der typischen Prager Straßenbahn T3 verabschiedet haben. Sind auch Sie einmal während Ihres Prag-Besuchs mit der alten Straßenbahn T3 gefahren? Oder haben Sie diese Straßenbahn mal fotografiert? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre Erinnerungen an die Prager Straßenbahn dazu schildern oder uns wenigstens ein Foto mit der T3 zuschicken könnten. Für Ihren Brief oder das Foto können Sie ein Buch über Prag gewinnen. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2. Sie können uns auch eine Mail schicken – an die Adresse [email protected].
In der Sendung vom Ende August fragten wir Sie nach der Straße, in der sich das Clam-Gallas-Palais befindet. Das Palais steht in der Husova. Ein Buch geht diesmal an Meinrad Brachs aus Bamberg.