Presseschau – und außerdem: tschechische Kinder und das Internet

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Herzlich willkommen zum Medienspiegel. Wir sprechen heute – wie angekündigt – noch einmal über das Medien- und Freizeitverhalten tschechischer Kinder und zwar mit Hana Friedlaenderová von der Agentur „Media research“. Dabei geht es vor allem um den Umgang mit dem Internet. Doch zunächst unsere kleine Presseschau.

Druckfrisch nimmt die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ ein Thema auf die erste und auf die Schwerpunktseite, das die Medien selber betrifft: „Streng geheim! – die Mafia telefoniert mit Politikern.“ Die Abgeordneten haben – gegen den Senat - ein Gesetz verabschiedet, das die Wiedergabe von geheimen Abhörprotokollen verbietet. Journalisten drohen nun bis zu fünf Jahre Haft bei Zuwiderhandlung. Eine heikle Sache. Undichte Stellen bei den Behörden finden sich immer und so drangen auch unlautere Lobby-Aktionen des damaligen Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses an die Öffentlichkeit. Heute ist Ivan Langer Innenminister.

Die Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ hat ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise einen zweiseitigen Vergleich von Stützungskonzepten der beiden großen politischen Lager vorgenommen: „Wie die Regierung der Krise an den Kragen will... und wie die ČSSD“. Links die Regierung mit ihrem nationalen Wirtschaftsrat NERV, rechts die Forderungen der Sozialdemokraten. Mit begründeten Urteilen von „ausgezeichnet“, über „ohne Effekt“ bis hin zu „absoluter Populismus“ bewertet die Wirtschaftszeitung alle Maßnahmen, die im Gespräch sind. Alles in allem kommen die Sozialdemokraten schlecht weg. Geschenke für das Fußvolk ohne nachhaltigen Effekt, so liest sich die Meinung des Blattes.

Und wir bleiben zum Schluss noch bei der Wirtschaft und greifen – ausnahmsweise – mal voraus und zwar auf ein Thema, das es zwar noch nicht auf die Schwerpunktseiten der Zeitungen geschafft hat, aber doch immerhin in eine Spalte auf Seite eins: „Gastarbeiter voll in der tschechischen Falle“, titelt die „Lidové noviny“. In Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit müssen sie zuerst gehen, die ausländischen Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern. Die tschechische Regierung will ihnen ein Flugticket plus 500 Euro für ihre Rückkehr in die Heimat spendieren. Das sei billiger, als wenn man man sie später aus der Illegalität heraus „deportieren“ müsse, heißt es aus dem Innenministerium. Das Problem: Die meisten wollen nicht zurück. Übrigens: Der Germanismus „Gastarbeiteři“ ist natürlich kein Zufall. Deutschland lässt grüßen. Was den sorglosen Umgang in Tschechien mit dem Wort „Deportation“ betrifft, der ist wohl auf historische Erfahrung und nationale Grundstimmung zurückzuführen. Mit einem Opfer-Status, in machen Fällen sogar Opfer-Kult, geht einem das Wort leichter über die Lippen.


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Die Agentur „Media research“ hat das Medien- und Freizeitverhalten von Kindern im Alter zwischen 4 und 14 Jahren genauer unter die Lupe genommen. Leiterin des Projekts war Hana Friedlaenderová. Sie und ihre Mitarbeiter haben 800 Kindern befragt. In der vergangenen Woche haben wir uns mehr mit dem Fernsehen beschäftigt. Heute wollen wir die Internet-Aktivitäten der tschechischen Kinder näher betrachten.

Frau Frielaenderová, das Internet ist ein weites Feld. In welchen Bereichen treffen wir auf die meisten Kinder? Was machen sie im Internet?

„Am häufigsten beschäftigen sich die Kinder im Internet mit Spielen. Das ist wohl überall so. Jungen spielen allerdings viel häufiger am Computer als die Mädchen. Aber auch bei den Mädchen ist das eine beliebte Beschäftigung im Internet. Tatsache ist, dass mehr als 40 Prozent der Jungen täglich am Computer spielen. Bei den Mädchen sind es nur 14 Prozent. Da ist also zu sehen, dass es bei der Intensität und Häufigkeit doch eindeutige Unterschiede gibt.“

Aber Sie haben sicherlich noch andere Tätigkeiten im Internet bei tschechischen Kindern nachweisen können...

„Ansonsten machen die Kinder noch ein Menge anderer Sachen im Internet. Mädchen allerdings suchen im Internet zum Beispiel mehr Videos und Musik als Jungen, auf Youtube und anderen Servern. Beide Geschlechter benutzen aber auch gern das Internet zur Kommunikation. Was die tägliche Frequenz betrifft, da ist Chatting auf ICQ oder AOL beliebter als die herkömmliche E-Mail.“

Es geht auch aus der Studie hervor, dass der Internetkonsum der tschechischen Kinder weniger durch die Eltern kontrolliert wird als das Fernsehen. Wie kommt das?

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„Das hängt einfach von dem unterschiedlichen Image ab, das Fernsehen und Internet bei den Eltern haben. Fernsehen sehen die tschechischen Eltern nur als Mittel zum Zeitvertreib, zum Vergnügen. Das Internet hingegen hat eher den Ruf eines Bildungsmediums. Die Eltern glauben einfach, dass das Kind im Internet mehr lernt, sich Informationen sucht. Hinzu kommt aber sicher auch, dass die Kontrolle der Kinder im Internet schwieriger ist. Die Kinder kennen sich oft besser aus als die Eltern und löschen den gespeicherten Verlauf ihres Surfens. Die Eltern erfahren also selten, dass die Kinder irgendwo im Internet unterwegs waren, wo sie nicht sein sollten. Beim Fernsehen ist die Kontrolle wesentlich einfacher.“

In Deutschland, würde ich sagen, ist aus Sicht der Eltern gerade das Internet die größere Gefahr. Was meinen Sie, warum ist das in Tschechien anders?

„Ich glaube, das kommt daher, dass man da in Deutschland einen Schritt weiter ist. Hier in Tschechien gibt es noch nicht so viele Untersuchungen über die Risiken, die das Internet für die Kinder mit sich bringt. Und auch die öffentliche Diskussion darüber ist noch nicht richtig in Gang gekommen. Die Eltern sind sich also über die Risiken nicht voll im Klaren. Ich persönlich glaube auch, dass das Internet mehr Gefahren mit sich bringt. Diese Erkenntnis braucht in der tschechischen Gesellschaft aber noch ein bisschen Zeit.“

Die Chancen, aber auch die Gefahren des Internets sind groß. Kinder kommen unter Umständen mit Pornografie in Kontakt, gehen Verträge, die den Eltern teuer zu stehen kommen, oder werden schlicht spielsüchtig. Wo muss sich in der tschechischen Gesellschaft etwas bewegen, damit das Bewusstsein über die Risiken geschärft wird?

„Ich weiß nicht, ob das nur ein Problem der tschechischen Gesellschaft ist, auf die schnellen Entwicklungen schnell zu reagieren. Ich glaube aber, dass auf dem Gebiet der Bildung viele europäischen Länder weiter sind als wir, auch wenn das in großem Maße ein globales Problem ist. Vor allem die Schulen können hier noch nicht mit der Entwicklung umgehen. Sie sind oft ratlos und können die Möglichkeiten noch nicht nutzen und in die richtige Bahn lenken. Da sind also eindeutig noch Reserven. Die Medien haben auf die Kinder einen riesigen Einfluss und es sind neben der Schule aber auch die Eltern, die damit noch nicht gelernt haben umzugehen und zu arbeiten. Das funktioniert also noch nicht richtig.“