Rassismus-Vorwürfe: Tschechisches Abgeordnetenhaus hebt Immunität von Tomio Okamura auf
Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Mittwochabend entschieden, die Immunität des Oppositionspolitikers Tomio Okamura aufzuheben. Gegen ihn kann damit ein Ermittlungsverfahren wegen Aufstachelung zum Hass eingeleitet werden. Anlass dafür sind Wahlplakate, mit denen sich Okamuras Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) auf drastische Weise gegen den EU-Migrationspakt wendet.
Der Immunitätsausschuss des tschechischen Abgeordnetenhauses hatte sich vergangene Woche auf keine einheitliche Stellungnahme einigen können. Und so stimmte das Plenum am Mittwochabend nach eigenem Ermessen ab. Das Ergebnis: Gegen den Vorsitzenden der zweitgrößten tschechischen Oppositionspartei SPD, Tomio Okamura, darf nun die Strafverfolgung aufgenommen werden. Der Vorwurf lautet: Aufstachelung zum Hass gegen eine Bevölkerungsgruppe sowie Einschränkung ihrer Rechte und Freiheiten, gemäß dem Paragrafen 356 des tschechischen Strafgesetzbuches.
Anlass dafür waren zwei Plakate, mit denen die SPD im August vergangenen Jahres auf dem Prager Wenzelsplatz Wahlkampf für die Regionalwahlen gemacht hat. Zu sehen waren zum einen rauchende Roma-Kinder und die Aufforderung, Sozialhilfe an Eltern nur dann zu zahlen, sofern die Kinder auch der Schulpflicht nachkommen. Zum anderen wurde das Bild eines aggressiv dreinschauenden Mannes mit dunkler Hautfarbe und einem blutigen Messer in der Hand gezeigt, begleitet von der Aufschrift „Mängel im Gesundheitswesen werden nicht von importierten ‚Chirurgen‘ behoben“.
Der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Top 09, Jan Jakob, sagte nach der Abstimmung im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT):
„Was da zu sehen gewesen ist, ruft Xenophobie hervor sowie Angst vor bestimmten Bevölkerungsgruppen, bezogen auf ihre Nationalität beziehungsweise – wie auf dem Plakat – auf die Hautfarbe. Dies darf wirklich nicht zur politischen Kultur gehören und bewegt sich weit über ihre Grenze hinaus.“
Jakob betonte zudem, es sei richtig, dass sich die Bewertung der Plakatkampagne nun vom Parlament ins Gericht verlagere. Nur ein solches könne entscheiden, ob tatsächlich eine Straftat begangen wurde.
Tomio Okamura selbst streitet dies ab. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks warf er stattdessen dem Kabinett von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) Stimmungsmache vor:
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„Die Vorwürfe sind natürlich totaler Unsinn. Achtung: Die Polizei ermittelt auf Anweisung der Staatsanwaltschaft, und den Obersten Staatsanwalt ernennt natürlich die Fiala-Regierung. Dies ist von Anfang an eine politische Causa. Dieses Jahr sind Wahlen. Die Regierungskoalition versucht, den Hauptvertreter der Opposition zu diskreditieren. Ich lasse mich aber nicht zum Schweigen bringen.“
Vielmehr ginge es ihm um die Sicherheit in der Tschechischen Republik, unterstrich der SPD-Chef. Schon in der Parlamentsdebatte am Mittwochabend war er mit einem Transparent aufgetreten, auf dem „Neodvolám“ (Ich widerrufe nicht) stand. Die Diskussion dauerte über vier Stunden, bis im Plenum abgestimmt wurde. Die Oppositionsfraktionen von SPD und der Partei Ano sprachen sich gegen die Aufhebung der Immunität Okamuras aus. Dafür waren neben den vier Regierungsparteien auch die oppositionellen Piraten sowie der parteilose Abgeordnete Ivo Vondrák. Okamuras Bruder Hayato, der für die regierenden Christdemokraten im Parlament sitzt, verließ im Übrigen vor der Abstimmung den Saal. Der Antrag wurde letztlich von 81 der anwesenden 143 Parlamentarier angenommen.
Seinen Anfang hatte der gesamte Vorgang genommen, als unmittelbar nach dem Wahlkampfauftritt im August Anzeige gegen Okamura erstattet worden war – und zwar von zwei Seiten. Sowohl die NGO Romea als auch der ehemalige Justizminister und heutige stellvertretende Oberbürgermeister von Prag, Jiři Pospíšil (Top 09), sehen in den strittigen Plakaten einen rassistischen und xenophoben Kontext. Okamura hingegen beruft sich auf die Meinungsfreiheit:
„Wenn man auf die Spuren des EU-Migrationspaktes verweist und sie in Bildern darstellt, dann ist dies kein Rassismus, sondern es sind Fakten. Ich sage Ihnen eins: Wenn die illegalen Migranten blauäugige blonde Schweden wären und hier eine Kriminalität in solchem Maße verüben würden, wie es die Leute mit Migrationshintergrund in Europa tun, dann wäre auf diesem Plakat ein blonder Schwede.“
Sollte es zur Anklage kommen, indem die Polizei den Fall einem Gericht übergibt, könnte Okamura eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren drohen.