Regierung setzt in Energiekonzept auf Atom – Ökologen sind entsetzt
Seit sechs Jahren wurde bereits über ein neues Energiekonzept in Tschechien diskutiert. Am Montag hat das Mitte-Links-Kabinett das neue Papier verabschiedet. Darin wird der Atomenergie die wichtigste Rolle eingeräumt. Doch Ökologen kritisieren diesen Weg.
Im Mittelpunkt steht vor allem der zukünftige Energiemix. Sechs unterschiedliche Varianten bis zum Jahr 2040 werden vorgestellt. Dabei favorisiert die Regierung eine sogenannte „optimierte Variante“. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) bezeichnet sie als „Niedrig-Kohle-Modell“. Industrie- und Handelsminister Jan Mládek (ebenfalls Sozialdemokraten) umriss die Ziele:
„Das aktualisierte Energiekonzept rechnet mit einem Ausbau der Atomenergie. Den Schätzungen nach wird sich im Jahr 2040 der Energiemix für die Stromerzeugung zu 46 bis 58 Prozent aus Kernkraft zusammensetzen, zu 18 bis 25 Prozent aus erneuerbaren Energien, zu 5 bis 15 Prozent aus Erdgas und zu 11 bis 21 Prozent aus Braunkohle.“Mehr Kernenergie erfordert, die beiden bestehenden Atomkraftwerke auszubauen. Die Planung von zwei neuen Reaktorblöcken im AKW Temelín ist jedoch zuletzt ins Stocken geraten. Finanzminister Andrej Babiš (Partei Ano) kündigte nun aber an, dass sich das Kabinett ab Juni diesem Thema zuwenden werde.
Ein Energiekonzept, das sich auf die Kernkraft stützt, das ist für die Umweltschützer indes ein Horrorszenario. Jan Rovenský ist Fachmann für den Bereich Energie bei Greenpeace in Tschechien. In einer Diskussionsrunde des Tschechischen Fernsehens erläuterte er die Vorbehalte gegen die Kernkraft:
„Sie ist weder sauber, noch sicher und vor allem unglaublich teuer. Das hat die Regierung sogar indirekt zugegeben, als sie verkündete, dass sie dem Energiekonzern ČEZ keine Preisgarantie für Atomstrom geben werde. In Wirklichkeit ist mittlerweile die Windenergie billiger als der angepeilte Preis beim Bau weiterer Reaktorblöcke.“Bei der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung am Montag bestätigte Premier Sobotka, dass der Staat auch weiterhin keine Preisgarantie geben wolle. Im vergangenen Jahr hatte diese Aussage dazu geführt, dass der Konzern ČEZ die Ausschreibung zum Bau von zwei neuen Reaktorblöcken in Temelín stoppte.
Die Umweltschützer sind sich zudem nicht sicher, ob die Regierung tatsächlich anstrebt, weniger Braunkohle einzusetzen. Denn es steht eine vielleicht richtungsweisende Entscheidung aus, und zwar darüber, ob nicht die Abbaugrenzen in den nordböhmischen Fördergebieten gekippt werden. 1991 waren Maximalgrenzen für den Abbau der Braunkohle festgelegt worden, um die Umweltbelastung durch den Tagebau einzuschränken. Diese Grenzen werden 2022 erreicht. Doch die Betreiber der Gruben und die Gewerkschaften sehen dem absehbaren Ende mit Schrecken entgegen. Jan Rovenský hält das Energiekonzept in diesem Punkt auf gefährliche Weise für schwammig:
„Die Regierung hat sich beim Anteil der Kohle am Energiemix eine Hintertür offen gelassen. Sie hat gewisse Korridore definiert, bei denen sowohl eine Beibehaltung der Abbaugrenzen als auch ihre Verschiebung möglich sind. Die Regierung hat sich also geweigert, in einer Schlüsselfrage Stellung zu beziehen.“Nicht zuletzt werfen die Ökologen der Regierung vor, beim Ausbau der erneuerbaren Energien viel Potenzial verschenken zu wollen. Während Regierungspolitiker immer wieder einwenden, dass Wind und Sonne keine sichere Energieversorgung gewähren könnten und Tschechien nicht gerade gesegnet sei mit beidem, haben Umweltschützer schon längst eine andere Energiequelle im Sinn: die Biomasse.