Restitutionsdebatte als Retourkutsche
Es gibt wohl keine anderes Frage, die seit der politischen Wende von 1989 die mehrheitlich atheistische tschechische Gesellschaft stärker polarisiert, als die nach der Rückgabe des von den Kommunisten konfiszierten Eigentums an die Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Dabei geht es sowohl um das „Ob“, als auch um das „Wie“. Das Eigentum hat ein Volumen von 134 Milliarden Kronen, umgerechnet gut 5,5 Milliarden Euro. Doch kann sich der tschechische Staat in diesen Zeiten die Zahlung einer solch großen Summe leisten? In der Regierungskoalition ist nun ein Streit darüber entbrannt.
Die Frage nach der Rückgabe des Kircheneigentums hat mehrere Aspekte, zum Beispiel auch praktische. So dürfen zum Beispiel Gemeinden, in deren Kataster sich frühere kirchliche Liegenschaften befinden, über dieses Eigentum nicht verfügen; die Kirchen wiederum, die wegen fehlendem Verwaltungspersonal dieses Eigentum gerne veräußern würden, dürfen dies nicht tun.
Nach mehreren gescheiterten Anläufen hat sich die gegenwärtige Regierungskoalition zusammen mit den Kirchen auf ein für alle akzeptables Modell verständigt, das auch zu einer schrittweisen finanziellen Trennung zwischen Kirchen und Staat führen würde. Doch der kleinste Regierungspartner, die „Partei der Öffentlichen Angelegenheiten“ (VV), hat unlängst diese erzielte Einigung verworfen und verlangt, dass die Restitution angesichts der schlechten finanziellen Lage des Staates verschoben wird. Oder aber, so ein weiterer Vorschlag der Partei, man sollte im Gegenzug einige Ministerien und staatliche Behörden zusammenlegen, um die Restitutionen im ursprünglichen Umfang und Zeitplan verwirklichen zu können.
Ein weiterer Konflikt innerhalb der Regierungskoalition ist also vorprogrammiert und der Weihnachtsfrieden unter den drei Regierungspartnern endgültig beendet. Über die Hintergründe und Zusammenhänge nun Radio-Prag-Mitarbeiter und Politikwissenschaftler Robert Schuster.Robert, die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten will Änderungen an der Übereinkunft zur Rückgabe des Kircheneigentums. Geht es der Partei überhaupt um die Rückgabe des Kircheneigentums, oder sind da noch weitere Motive im Spiel?
„Wie es aussieht, will die Partei der öffentlichen Angelegenheiten tatsächlich die zwischen der Koalition und den Kirchen getroffene Einigung blockieren oder stoppen. Überraschend ist das nicht, denn die Partei hat schon vor den Parlamentswahlen klar gemacht, dass sie gegen einen finanziellen Ausgleich für das konfiszierte Kircheneigentum eintritt. Sie ließ damals ihre Mitglieder im Internet darüber abstimmen – und da die tschechische Gesellschaft mehrheitlich den Kirchen, gelinde gesagt, eher kühl bis abneigend gegenübersteht, erscheint es logisch, dass eine Mehrheit der VV-Anhänger sich gegen die Kirchenrestitution ausgesprochen hat. In diesem Fall ist die Partei also konsequent gewesen. Jetzt ist natürlich die Frage, weshalb die Mitglieder der Partei ihre Vorbehalte nicht schon früher geäußert haben. Denn das Thema Rückerstattung des konfiszierten Eigentums bewegt die Koalition schließlich schon seit Monaten. Und da sie sich eigentlich seit langem zu dieser Restitution verpflichtet hat, hätte die Partei sich schon früher dagegen stemmen können. Ich sehe die ganze Diskussion eher im Kontext der koalitionsinternen Spannungen: Während die übrigen Koalitionspartner einige Minister der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten attackieren, sieht die Partei diese Restitutionsproblematik als Möglichkeit, genau dies ihren Koalitionspartnern durch ihre jetzige Blockade zurückzahlen.“
Die Partei führt als Argument an, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise die Rückgabe des Eigentums eine zu große Belastung ist. Das scheint aber auf den ersten Blick nachvollziehbar zu sein, oder nicht?„Ja das stimmt, denn gespart werden muss überall. Warum dann auch nicht bei diesem relativ großzügigen Ausgleich für das konfiszierte Kircheneigentum? Man darf jedoch nicht vergessen, dass es nicht ‚nur’ um diese 135 Milliarden Kronen geht, sondern auch generell um ein Modell, wie die Kirchen und Glaubensgemeinschaften künftig finanziert werden sollen. Denn die Restitutionseinigung sieht vor, dass die staatlichen Zuschüsse für Kirchen und Glaubensgemeinschaften schrittweise bis auf Null verringert werden sollen. Somit müssten die Glaubensgemeinschaften zukünftig selbst für ihre tägliche Arbeit aufkommen. Das würde dann auf eine finanzielle Trennung von Kirche und Staat hinauslaufen – was natürlich auch ein Ersparnis für den Staatshaushalt wäre.“
Wird es die kleinste Regierungspartei darauf ankommen lassen und wegen der Kirchenrestitution gegebenenfalls auch ein Scheitern der Koalition in Kauf nehmen?„Ich denke nicht, dass es soweit kommen wird. Denn natürlich weiß die Partei diese Regierungskoalition und ihren Einfluss innerhalb dieser zu schätzen. Es geht eher darum, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und die beiden großen Koalitionspartner wieder zu einer gewissen Raison zu bringen, sodass sie ihrem kleinen Koalitionspartner wieder mehr entgegenkommen. Ich halte den parteiinternen Gegenentwurf für viel wichtiger: Der besagt, dass man die Restitution des Kircheneigentums auch dadurch finanzieren könnte, dass man einige Ministerien oder staatliche Behörden zusammenlegt. Das ist natürlich wieder eine Frage, die sich auch die übrigen Koalitionspartner stellen. Dementsprechend sehe ich das Ganze schon im Kontext einer länger gehenden Diskussion innerhalb der Regierungskoalition. Jedoch halte ich es nicht für möglich, dass die Koalition daran scheitern könnte.“