Roter Altar vor der Loretokapelle: Klosterkirche in Slaný

Foto: Martina Schneibergová

Die ehemalige Königsstadt Slaný / Schlan liegt etwa 25 Kilometer nordwestlich von Prag. Eine der Dominanten der Stadt ist das Barockkloster der Heiligen Dreifaltigkeit. Nach den 40 Jahren Kommunismus befand sich das Stift in einem desolaten Zustand. In den letzten Jahren wird es allmählich wieder instandgesetzt. Im Rahmen der Erneuerung des ganzen Areals wurde vor kurzem die Klosterkirche renoviert.

Kloster der heiligen Dreifaltigkeit  (Foto: Martina Schneibergová)
Um das Kloster der heiligen Dreifaltigkeit zu erreichen, muss man vom Busbahnhof in Slaný bergauf gehen. Vom Havlíček-Platz gelangt man dann durch ein Tor auf das Klosterareal. Bis 1950 lebten dort die Franziskaner. Sie mussten - wie alle anderen Ordensleute in der Tschechoslowakei - im Rahmen der sogenannten Aktion „K“ im April 1950 ihr Kloster verlassen und wurden in Internierungslager oder ins Gefängnis gesteckt. In der Folge verfiel das Kloster, und so wurde es in den 1990er Jahren in desolatem Zustand dem Karmeliterorden anvertraut. Die Ordensbrüder fingen an, das Stift allmählich zu renovieren. Der Ort, an dem das Kloster steht, habe eine bewegte Geschichte, erzählt der Karmeliter Pavel Pola:

Pavel Pola  (Foto: Martina Schneibergová)
„An diesem Ort war einst der Richtplatz. Später wurde hier eine utraquistische Friedhofskirche erbaut. Nach der Schlacht am Weißen Berg ging das Grundstück samt Kirche an die Adelsfamilie Martinic über. Diese stiftete hier ein Franziskanerkloster. Nach der Auflösung aller Kirchenorden und Internierung der Ordensleute im Jahre 1950 wurden die Gebäude zu verschiedenen Zwecken genutzt: als Gefängnis, Fahrschule, Schuttabladeplatz und sogar als Tiergarten. Nach der Wende haben wir das halb verfallene Kloster von den Franziskanern übernommen und begannen 1996, es wieder herzurichten.“

„Santa Casa“  (Foto: Martina Schneibergová)
Als die Karmeliter vor 16 Jahren nach Slaný kamen, kamen nur selten Besucher in die dortige Klosterkirche. Sie war zuvor auch 50 Jahre lang geschlossen. Dies habe sich jedoch geändert, sagt Pavel Pola:

„Ich halte es für ein kleines Wunder. Denn zu Beginn waren die Einwohner von Slaný nicht gewöhnt, diese Kirche zu besuchen. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist mit den Jahren aber stark angewachsen. Heute kommen viele junge Familien mit Kindern aus Slaný in die Kirche. Das Kloster besuchen aber auch Menschen aus anderen Gegenden.“

Beim ersten Besuch der Klosterkirche ist jeder etwas erstaunt, denn beim Betreten stößt man auf eine architektonische Besonderheit: Inmitten des hellen Raums steht eine unheimlich große, graue sogenannte „Santa Casa“. Dies ist eine Loreto-Kapelle, die in der Kirche erbaut wurde. Wenn viele Leute zur Messe kamen, konnten sie wegen der Kapelle den ursprünglichen Altar nicht mehr sehen. Sie waren hinter dem Riesenblock versteckt, erzählt Pavel Pola. Es sei darum notwendig gewesen, den liturgischen Raum neu zu gestalten. Am 17. November dieses Jahres war es soweit. Besonders viele Menschen strömten in die Kirche, sie wollten alle die Installierung eines neuen Altars und die Neugestaltung des Raums begutachten. Kardinal Dominik Duka segnete den neuen Altar bei einem Festgottesdienst:

Dominik Duka  (Foto: Martina Schneibergová)
„Möge Dein Segen auf diesem Altar ruhen, der dort steht, wo sich deine Kirche versammelt. Möge dieser Altarstein für uns ein Zeichen Christi sein.“

Architekt Norbert Schmidt war gemeinsam mit seiner Kollegin Helena Kohlová beauftragt, den komplizierten Kirchenraum neu zu gestalten. Im Interview erläutert er seine Arbeit:

Herr Schmidt, die Dreifaltigkeitskirche hat eine bewegte Geschichte – von einer utraquistischen Friedhofskirche zu einer Barockkirche mit der Loretokapelle. Die Kapelle fällt sehr auf. War es üblich, diese Casa Santa so zu bauen?

„Das ist eine sehr atypische Sache. Die Franziskaner haben die Kirche im 16. Jahrhundert erhalten. Graf Martinic wünschte sich nach seiner Rückkehr aus Italien, eine Loreto-Kirche zu erbauen. Er hatte damals kein Geld, und so ließ er die Kirche mitten in die andere Kirche einsetzen. Sonst stehen die Loretokapellen außerhalb der Kirche oder in einem anderen Raum. Aber hier steht sie wirklich mitten drin in einem lichten Raum.“

Norbert Schmidt | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
War die Dreifaltigkeitskirche so groß wie heute?

„Nein. Man hat die Loretokapelle hineingesetzt und festgestellt, dass die Kirche zu klein ist. Dann lud man den berühmten Architekten Domenico Orsi ein, und er hat noch Nischen hinzugebaut, um den Kirchenraum zu vergrößern.“

Aber die Loretokapelle dominiert den Raum trotzdem…

„Ja, schon. Diese Kirche war eine polyzentrische Pilgerkirche mit vielen Altären. So hat sie über Jahrhunderte funktioniert, bis die Kommunisten sie praktisch kaputt gemacht haben. In den 1990er Jahren haben die Franziskaner das Klosterareal auf den Karmeliterorden übertragen.“

Foto: Martina Schneibergová
Hat Sie der Karmeliterorden wegen der Neugestaltung der Kirche angesprochen?

„Das war eine schwierige Aufgabe. Denn wir sollten einen neuen liturgischen Raum für die Karmeliter gestalten und für die Gemeinschaft der jungen Familien, die die Kirche besuchen. Hinzu kam diese atypische Kirche mit einem atypischen historischen Hintergrund, dem Klotz mittendrin und einem roten Barockaltar. Es war notwendig, eine neue Harmonie für den Raum zu finden. Das war eine große Aufgabe. Drei Jahre lang hat es gedauert, bis wir sie gelöst haben. Man sieht beispielsweise gar nicht, dass zwei Barockaltäre versetzt werden mussten.“

Wo standen diese Altäre?

Foto: Martina Schneibergová
„Sie waren ganz vorne an den Seiten des Altarraumes. Was man nicht mitbekommt: Es gab da eine große Stufe zwischen dem Presbyterium und dem Altarraum. Diese haben wir beseitigt. Später haben wir von den Archäologen erfahren, dass wir nur eine Barockstufe beseitigt haben und dass das Presbyterium in der Gotik so aussah wie es jetzt wieder ist.“

Ist der ganz vorne stehende rote Barockaltar der ursprüngliche Hauptaltar dieser Kirche?

„Dieser rote Barockaltar mit der phänomenalen Orgel ist ursprünglich. Das ist auch sehr speziell, nur sehr selten wächst eine Orgel sozusagen direkt aus dem Hauptaltar heraus. Wir brauchten einen neuen zentralen Punkt für die Leute, die die Kirche besuchen. Die rote Farbe hält die alten sowie die neuen Teile des Sakralraums zusammen. Der neu im Raum platzierte Altar ist auch rot. Wir haben einen künstlichen Stein dafür benutzt und die modernsten Technologien angewandt, um die Altarskulptur zu entwerfen.“

Foto: Martina Schneibergová
Wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem Künstler Patrik Hábl gekommen?

Wir haben die beiden Künstler Patrik Hábl und Václav Cígler angesprochen. Wir wollten ein Vortragekreuz vorne haben. Zudem hatten wir das Problem, dass der barocke Hauptaltar Wunden aus der kommunistischen Zeit hatte: Die Reliquienschreine wurden ausgeraubt, kleine Bilder fehlten. Diese Wunden mussten wir irgendwie heilen. Patrik Hábl hat Bilder hineingesetzt. Ihm ist es gelungen, dass seine sechs kleinen Bilder eine Einheit bilden und dass die Wunden zwar geheilt, aber nicht maskiert sind. Man kann darin die Dramatik des zerstörerischen Geschehens sehen und das Schicksal der Märtyrer und Heiligen, deren Reliquien da mal waren. Das Vortragekreuz ist ein Prachtstück des bekannten tschechischen Künstlers Václav Cígler. Es verkörpert die Reinheit des Sieges und die Ausstrahlung des Kreuzes Christi.“

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