Sarkozy: „Französische Autos für Franzosen sollen in Frankreich gebaut werden“
Nervosität macht sich breitet unter europäischen Spitzenpolitikern. Die Wirtschaftskrise drückt, die Arbeitslosigkeit steigt. Und so versucht jeder Staatslenker seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. So auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Er forderte unlängst: Französische Autos für den französischen Markt sollen auch auf dem Herrschaftsgebiet der Grande Nation produziert werden. Das ließ bei tschechischen Politikern die Alarmglocken klingeln. Mein Kollege Patrick Gschwend weiß mehr darüber und sitzt jetzt bei mir im Studio.
„Nicolas Sarkozy hat am Donnerstag in einem Fernseh-Interview die französischen Autohersteller aufgefordert ihre Produktionsstätten zurück nach Frankreich zu verlegen. Er sagte zwar, es sei gerechtfertigt, wenn beispielsweise Renault seine Autos in Indien produziert, um sie dort zu verkaufen. Nicht mehr gerechtfertigt sei allerdings, wenn Autofirmen im Ausland produzieren, um ihre Fahrzeuge dann wieder in Frankreich zu verkaufen. Dabei nannte Sarkozy ausdrücklich Tschechien als Produktionsstandort. In Kolín nicht weit von Prag produziert nämlich PSA – der Mutterkonzern von Peugeot und Citroën – Kleinwagen, unter anderem für den französischen Markt.“
Das, was Sarkozy da sagt, klingt eigentlich sehr uneuropäisch und riecht nach Protektion für die französische Wirtschaftsbilanz, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Auf Kosten des Auslands. Wie waren die Reaktionen aus Tschechien?
„Zunächst eher unaufgeregt und gemäßigt. Der tschechische Industrie- und Handelsminister Martin Říman erinnerte daran, dass PSA eine private Firma sei und daher selbst entscheiden würde, wo und wie viel sie produziert. Er kritisierte die Äußerungen Sarkozys aber trotzdem als „gefährlich“, weil sie nach einer Rückkehr zum Protektionismus in Europa aussehen. Genau davor hat auch Alexandr Vondra gewarnt, der tschechische Vizepremier für Europa-Angelegenheiten. Im Großen und Ganzen weiß man hier aber, dass Sarkozys Vorstoß ein innenpolitischer Schachzug ist. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg brachte das mit der ihm eigenen Ironie auf den Punkt. Er wünsche dem Herrn Präsidenten, dass er mit der Aussage beim französischen Publikum punkten würde. Ende der Durchsage. Weniger gelassen reagierte allerdings der tschechische Regierungschef Mirek Topolánek. Der hält die Aussage Sarkozys wörtlich für „unglaublich“. Sarkozy gefährde damit die Ratifikation des Lissabon-Vertrags, so Topolánek.“
Wie meint Topolánek das? Der Lissabon-Vertrag hat auf den ersten Blick nichts mit Produktionsstätten von Autos zu tun, oder?„Tschechien ist ja das einzige EU-Mitgliedsland, das noch nicht über den Reformvertrag von Lissabon entschieden hat. Die Abstimmung darüber wurde bisher immer wieder verschoben, auch weil eine ganze Reihe von Abgeordneten aus Topoláneks bürgerdemokratischer Partei dem Dokument kritisch gegenüberstehen. Äußerungen wie jetzt die von Sarkozy würden laut Topolánek nicht dazu beitragen, die europäische Wirtschaft in Zeiten der Krise zu stabilisieren und das Vertrauen von Verbrauchern und Investoren wieder herzustellen. Und mit seinem hier als unlauter betrachteten Aufruf an die französischen Konzerne würde Sarkozy auch den tschechischen EU-Skeptikern in die Hände spielen. Denn die glauben, dass die Großen der EU ohnehin mit den Kleinen machen, was sie wollen. Die Lissabon-Gegner im tschechischen Parlament sind wenig davon überzeugt davon, dass die EU als Gemeinschaft der Krise begegnen und sie auch lösen kann. Sarkozy wurde für seine Worte im Übrigen auch von der Wirtschaftszeitung The Economist kritisiert. Die bezeichnete den französischen Präsidenten sogar etwas reißerisch als ‚Gespenst aus der dunkelsten Zeit der modernen Geschichte’.“
Reden und schreiben kann man ja viel. Wurden denn von irgendeiner Seite schon konkrete Maßnahmen ergriffen? Und wie sieht man die Sache überhaupt bei dem kritisierten Autokonzern PSA?„Erstmal muss man dazu sagen, dass die Rückverlagerung der Produktion, wie Sarkozy sich das wünscht, nicht zu erzwingen ist. Das erlauben die EU-Wettbewerbsregeln nicht. PSA hat bisher auch jeglichen staatlichen Eingriff in seine Investitionspolitik zurückgewiesen. Ein indirektes Druckmittel hat der französische Staat aber schon. Und zwar, indem er mögliche Finanzhilfen für die angeschlagenen Autohersteller an Bedingungen knüpft. Und genau darüber berichteten am Montag französische Tageszeitungen. Für staatliche Darlehen in Milliardenhöhe - Euro wohlgemerkt - sollen die Autokonzerne auf weitere Produktionsverlagerungen verzichten. Und mit dem Geld vom Staat sollen sie nur bei französischen Zuliefererfirmen kaufen. Bisher sind das alles noch Pressebereichte. Ob sie Wirklichkeit werden und diese Tendenzen zunehmen, das wird sich zeigen.“
Vielen Dank, Patrick Gschwend!
„Bitte sehr.“