Schloss Lobkowitz: Junge Deutsche restaurieren Familiensitz
Das Schloss liegt auf einem kleinen Hügel im Städtchen Neratovice, direkt oberhalb der Elbe. Die Residenz rund 30 Kilometer nördlich von Prag ist der namensgebende Sitz des böhmischen Adelsgeschlechts Lobkowitz. Derzeit wird sie restauriert. Ein junges deutsches Paar hat sich dieser Herausforderung angenommen: Max Mues und Carlotta Bastian. Er ist nämlich ein Nachkomme der altehrwürdigen Lobkowitz. Doch die alten Gemäuer und die dazugehörigen weiteren Gebäude haben zu kommunistischen Zeiten schwer gelitten. Wie kommt man dazu, in ein baufälliges Schloss zu ziehen? Wie lebt es sich dort? Und was ist für die Zukunft mit dem Gelände geplant? Radio Prag International hat beide auf dem Schloss besucht.
Die ältesten Teile des Schlosses stammen noch aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind also gotisch. Ursprünglich stand an der Stelle des Steinbaus eine Holz-Festung, und zwar am östlichen Rand des früheren Dorfes Lobkovice / Lobkowitz, heute eine Stadtteil von Neratovice. Dann erwarb Mikuláš Chudý aus Újezd das Anwesen…
„Durch den Kauf des Schlosses wurde auch der Name angenommen und damit die Adelsfamilie Lobkowitz begründet“, schildert Max Mues, Nachkomme eines der ältesten und bekanntesten Adelsgeschlechter Böhmens.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie in der damaligen Tschechoslowakei enteignet – aber nach der politischen Wende im Land restituiert:
„Man Vater hat das Schloss 1989 zurückerhalten. Es ist seit 1409 in Familienbesitz, wurde dreimal aus diesem entwendet, kam aber jeweils wieder zurück. Ich habe immer im Hinterkopf gehabt, irgendwann einmal hier zu leben. Wobei ich nicht wusste, in welcher Rolle das sein würde.“
Namensgebend für die Familie
Aufgewachsen ist Max ganz bürgerlich in Köln. Seine Partnerin Carlotta Bastian, mit der er seit Mai vergangenen Jahres auf Schloss Lobkowitz lebt, kommt ursprünglich aus Hamburg.
„Ich habe in Bremerhaven Tourismusmanagement studiert und in Flensburg noch einmal Internationales Management. Dann sind wir zusammen nach Hamburg gezogen. Dort habe ich fast ein Jahr lang gearbeitet. Und dann ging es eigentlich schon nach Tschechien“, sagt Carlotta.
Max erzählt weiter:
„Nach dem Abitur war ich zwei, drei Jahre als Kite-Surf-Lehrer unterwegs auf Reisen. Das war eine sehr schöne Zeit. Dann habe ich in Bremerhaven angefangen zu studieren, und zwar maritime Technologien im Windenergiebereich – also Ingenieur in der Windenergieplanung. Von da aus sind wir nach Hamburg gezogen und dann hierhin.“
Das war im Mai vergangenen Jahres…
„Letztes Jahr haben wir noch einmal Urlaub hier gemacht – nur für zwei Nächte im Zelt vor dem Schloss. Das kam ganz spontan zustande, eigentlich hatten wir hier gar nicht vorbeifahren wollen. Und auf dem Rückweg nach Deutschland haben wir ein bisschen rumgesponnen und überlegt, was hier sein könnte, was unsere Rolle wäre und was den Ort wiederbeleben würde. Das wurde dann ganz langsam immer reeller, bis wir unsere Jobs gekündigt haben“, so Max.
Carlotta knüpft an:
„Es war kein schwieriger Moment, die Jobs zu kündigen. Wir sind jung und fanden, dass wir die Energie haben, um unser Leben noch einmal umzukrempeln. Gleichzeitig hatten wir während der Corona-Pandemie wenig Platz und – weil alles geschlossen war – viel Zeit, darüber nachzudenken und zu träumen. Und dann haben wir gesagt: So, jetzt ist der Zeitpunkt, wir machen es einfach.“
Freiwillige Helfer
Schloss Lobkowitz bietet einen Mix mehrerer Baustile. Ursprünglich war die Residenz befestigt. Dann seien aber weitere Teile hinzugekommen, sagt Max.
„Über die Jahre und Epochen wurde immer mehr angebaut. Das begann mit der Gotik, ging über die Renaissance bis zum Barockteil, der sich beim Blick auf das Schloss auf der rechten Seite befindet.“
Mittlerweile sind einige Ideen entstanden, was sich mit dem früheren Adelssitz alles machen lässt. Carlotta Bastian nennt Kunstausstellungen, Max Mues unter anderem Angebote für Hochzeiten. Doch dafür muss noch viel hergerichtet werden – sowohl in dem Schloss mit seinen vier Flügeln und dem Renaissanceturm als solchem, als auch in den dazugehörigen Gebäuden wie der Scheune, den Ställen oder einer kleinen Villa. Viele Räumlichkeiten sind vollkommen leer, teils blättert der Putz ab. Und im barocken Teil liegen die Wände bloß. Das bedeutet eine Menge Arbeit für beide und hohe Investitionskosten. Deswegen hätten sie sich im vergangenen Jahr auch Verstärkung geholt, berichtet Carlotta:
„Im Sommer hatten wir neben Freunden und der Familie auch einige Freiwillige hier. Sie kamen über Netzwerke wie ‚Workaway‘ oder Facebook-Gruppen wie ‚Urlaub gegen Hand‘. Das sind Menschen, die Lust haben, mal rauszukommen und in ihrem Urlaub nicht nur zu entspannen, sondern auch anzupacken. Wir haben dann freie Unterkunft gegen Mithilfe angeboten. Die Aufgaben waren zum Beispiel, Brombeer-Sträucher von den Fassaden zu entfernen oder jenes Haus auszuräumen, in dem die Freiwilligen geschlafen haben…“
„…und die Freiwilligen haben im gotischen Teil mitgeholfen, die Farbe abzukratzen, damit wir neu renovieren können. Sie haben also auch an dem historischen Part mitgewirkt“, ergänzt Max.
Für die regelmäßigen Arbeiten haben beide auch zwei Mitarbeiter angestellt: den Hausmeister Volodya, der sich schon seit 20 Jahren um das Anwesen kümmert, sowie die Verwaltungskraft Lenka.
Unvollendete Restaurierung
Zu kommunistischen Zeiten ist nicht gerade pfleglich mit den alten Gemäuern umgegangen worden. Zunächst gehörte das Schloss zu staatlichen Institutionen, in den 1980er Jahren wurde es der Prager Karlsuniversität überlassen. Damals wurde bereits mit der Restaurierung des Anwesens begonnen, doch mitten hinein kam die Samtene Revolution – und das bedeutete ein abruptes Ende aller Bemühungen. Max Mues bedauert zudem, dass einige Dokumente fehlen über die frühere Ausstattung und das Interieur des Schlosses. Weitere Schriftstücke muss sich das Paar erst einmal erschließen, da sie auf Tschechisch sind.
Die ersten Pläne stünden jedoch bereits, wie Max erläutert:
„Wir überlegen gerade, drei Ferienwohnungen zu renovieren, damit wir mehr Gäste empfangen können, und Toiletten für die öffentlichen Events herzurichten. Und wir wollen die Arbeiten im gotischen Teil zu Ende bringen. Da haben wir aber derzeit ziemliche Probleme mit der Feuchtigkeit. Wir hatten dort schon viel renoviert, das müssen wir nun leider noch einmal angehen. Hoffentlich können wir das bis Saisonbeginn fertig bekommen…“
„…und zusätzlich möchten wir in Zukunft auch gerne Aktivitäten anbieten wie Wassersport, der sich hier an der Elbe gut betreiben lässt. Dazu gehört Stand-up-Paddeln, aber auch Fahrradfahren, Mountainbiken, Wandern oder auch Angeln. Hier ist man ja direkt in der Natur“, schwärmt Carlotta.
Apropos: Seit einem Dreivierteljahr leben beide nun schon auf dem böhmischen Land. Bisher verständigen sie sich vor allem auf Englisch. Nebenher lernen sie Tschechisch, unter anderem für die ganzen Behördengänge…
„Außerdem möchten wir uns ja hier auch integrieren. Wir wollen nicht die Fremden sein, die nur Deutsch und Englisch sprechen, sondern die Kultur und die Menschen kennenlernen. Und das kann man einfach am besten, wenn man die Sprache beherrscht. Deswegen ist es das Ziel, dass wir so schnell wie möglich Tschechisch sprechen“, sagt Carlotta.
Mit dem Gang aufs Land folgen beide auch einem neueren Trend bei jüngeren Menschen. Aber ist es nicht schwer, aus der Millionenstadt Hamburg plötzlich auf ein einsames Schloss in einem fremden Land zu ziehen? Max verneint:
„Wir fühlen uns in keinem Fall isoliert. Es ist wunderschön, direkt am Wald zu leben. Mehr Natur kann man sich nicht wünschen, gerade im Vergleich zu dem ganzen Lärm in der Stadt. Wir sind nahe an Prag und an Dresden. Wenn wir raus wollen, ist das kein Problem. Die Leute aus Lobkovice sind sehr freundlich, mit ihnen kommen wir gut zurecht und erhalten viel Unterstützung.“
Im Übrigen haben auch einige Tiere ihr Zuhause auf dem Gelände. Dazu Carlotta bei einer Führung über das winterliche Hof-Areal:
„Wir haben Schafe, Ziegen, Hühner, Hasen und eine kleine Pfauenfamilie. Der männliche Pfau ist unserem Nachbarn Volodya, der auch am Projekt mitarbeitet, einfach zugeflogen. Er wurde von ihm dann gefüttert, ist geblieben und bekam einen weiblichen Pfau als Geschenk von Nachbarn dazu. Und diese beiden haben nun ein kleines Pfauenbaby.“
Auf dem Schlossgelände ist demnächst schon die erste Veranstaltung in diesem Jahr geplant. Konkret gibt es am 19. Februar den sogenannten Masopust, wie Carlotta schildert:
„Es ist das tschechische Pendant zum Karneval und findet schon seit vielen Jahren auf dem Gelände statt. Wir organisieren es zusammen mit einem Verein aus Lobkovice. Es wird viele Verkaufsstände geben mit regionalen Produkten undt Essen, dazu kommen Spiele für Kinder und Musik. Alle werden sich verkleiden…“
„…so eine Art Mittelalter-Festival mit Rittern und Tieren“, schließt Max ab.