Schuljahr mit Hindernissen: Distanzunterricht, modifizierte Zeugnisse, Gurgeltests
Die Hälfte des laufenden Schuljahres ist vorüber. Ein Beleg dafür ist die Ausgabe der Halbjahreszeugnisse am Donnerstag. Wegen der Pandemie aber ist vieles diesmal anders. Das Bildungsministerium hat empfohlen, den Schülern anstatt Noten nur einen schriftlich verfassten Zwischenbescheid zu geben. Darüber und zu weiteren Fragen des Schulunterrichts in Corona-Zeiten hat der Tschechische Rundfunk zu Wochenbeginn mit Bildungsminister Robert Plaga gesprochen.
Erste Maßnahme: Kombinierte Zeugnisausgabe
Fünf der zehn Monate des Schuljahres 2020/21 sind um. Doch die meisten Schüler haben ihre Klassenzimmer seit September kaum gesehen – wegen der Corona-Pandemie war für die Jahrgänge ab der dritten Klasse vor allem Distanzunterricht angesagt. Bei dieser Unterrichtsform ist die Kontinuität der Lehrstoffvermittlung nicht immer gewährleistet. Deshalb riet das Bildungsministerium, zum Halbjahr von einer Notenbewertung abzusehen und die Leistung der Schüler nur in schriftlicher Weise zu bewerten. Einer Erhebung der Schulinspektion zufolge aber wollte die Mehrheit der Grundschulen an der bewährten Form der Zeugnisvergabe festhalten. Auch ein Großteil der Eltern wünschte, dass ihre Kinder Halbjahresnoten bekommen. 30 Prozent der Schulen haben sich laut der Inspektion für einen Kompromiss entschieden und kombinieren beide Möglichkeiten. Dazu sagte Bildungsminister Robert Plaga:
„Für mich ist es eine gute Nachricht, dass ein Drittel der Schulen die kombinierte Version nutzt. Es geht nicht darum, dass wir jemanden dazu nötigen, eine Bewertung ohne Noten vorzunehmen. Ich denke aber, dass eine Kombination aus beidem angebracht ist. Denn wir haben eine schwere Zeit, und da gilt es auch Rücksicht zu nehmen auf die spezifische Situation in jeder Familie. Das geht besser durch eine schriftlich verfasste Bewertung.“
Allerdings ist diese Form des Zeugnisses nicht die beste Lösung für alle Lernenden. Ein Teil der Schüler in den neunten Klassen bewirbt sich beispielsweise auf der Basis der Halbjahresnoten für die Aufnahme aufs Gymnasium. Zu diesem Punkt stellte Plaga klar:
„Wenn das Zeugnis nur schriftlich formuliert wurde, ist die Schule verpflichtet, es zum Zwecke des Aufnahmeverfahrens in eine Note umzuwandeln. Es gibt nichts zu befürchten.“
Die Grundschulen werden seit Jahresbeginn nur von den Erst- und Zweitklässern besucht, nachdem die Regierung direkt nach Weihnachten einen harten Lockdown verhängt hatte. In den zurückliegenden zwei Wochen lag der Wert des Corona-Risikoindex kontinuierlich in der vierten von fünf Warnstufen. Daher wird bereits spekuliert, ab wann die Schüler der mittleren und älteren Jahrgänge wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren können. Doch das Kabinett zögert noch:
„Die Ergebnisse vieler Studien aus den vergangenen Monaten sind widersprüchlich. Eine Studie, die meiner Meinung nach unvergleichlich ist, ist aber gerade in der Endphase. Sie wird vom tschechischen Zentrum zur Modellierung biologischer und gesellschaftlicher Prozesse erstellt und zeigt, dass die Schulen nicht die Brutstätte des Virus sind. Wenn wir aber die Schulen wieder öffnen, wird sich das Virus auch mehr ausbreiten. Das heißt: Weder haben die Recht, die sagen, das Virus verbreite sich nicht in den Schulen, noch jene, die behaupten, dass die Ansteckungsgefahr in den Schulen ziemlich groß ist. Die Lage sieht so aus, dass das Virus allgegenwärtig ist. Die Schulen sind also keine Ausnahme, aber auch nicht der Ort, an dem sich das Virus besonders schnell verbreitet.“
Laut Plaga soll die finale Fassung der Studie in zwei bis drei Wochen vorliegen. Bis dahin aber wollen die Politiker eigentlich schon entschieden haben, wie mit dem Unterricht in den Grund- und Mittelschulen in diesem Jahr weiter fortgefahren wird. Nach einer Aussage von Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos) werden die Dritt-, Viert- und Fünftklässler nicht vor Mitte Februar in die Schulen zurückkehren. Bildungsminister Plaga hatte auf eine frühere Rückkehr gehofft, doch er räumt auch ein:
„Genauso wie alle meine Kollegen in Europa respektiere ich die Entscheidungen der Mediziner. Obwohl ich mir wünschen würde, dass die Kinder schon bald wieder zum Präsenzunterricht übergehen können, bin ich mir bewusst, dass die Lage kompliziert ist. Eine Rückkehr der Schüler aus der dritten bis fünften Klasse bedeutet, dass auf einen Schlag 300.000 Kinder in Bewegung gesetzt werden. Dabei zielen unsere Corona-Maßnahmen darauf ab, die Kontakte zwischen den Menschen einzuschränken. Wenn also die erhöhte Mobilität der Kinder nicht in anderen Bereichen der Gesellschaft kompensiert werden kann, bin ich gegen eine Rückkehr in die Klassen. Das letzte Wort aber haben die Epidemiologen und das Gesundheitsministerium, und das ist auch gut so.“
Zweite Maßnahme: Gurgeltests für mehr Sicherheit
Für die genannten Jahrgänge hält Plaga den Präsenzunterricht also nicht für vorrangig. Etwas anders sieht es da mit dem Abiturjahrgang aus:
„Im Falle der Abiturienten und des letzten Jahrgangs der Grundschule handelt es sich um den Abschluss einer Bildungsstufe, sie haben folglich Priorität. Seit dem Herbst führen wir eine Debatte darüber. Ich wäre erfreut, wenn es uns von der Logistik her gelingen würde, nicht-invasive Gurgeltests zu organisieren, damit sich die Sicherheit an den Schulen erhöht.“
Die vom Bildungsminister ins Spiel gebrachten Gurgeltests werden bisher nur an österreichischen Schulen genutzt. Bestehen auch in Tschechien schon Erfahrungen damit? Robert Plaga:
„In Tschechien gibt es zwei Unternehmen, die bei der Entwicklung der Tests Fortschritte erzielt haben. Es ist aber Sache des Gesundheitsministeriums oder der ihm nachgeordneten Organisationen, die Tests zu genehmigen. Wichtig ist die Logistik. Denn man muss wissen, dass es sich bei den Abiturienten um 100.000 Schüler handelt, die regelmäßig getestet werden müssten. Und dies ist eine komplexe Operation, die das Ministerium zu berücksichtigen hat.“
Wie Minister Plaga am Mittwoch bekanntgab, wird das Abitur in diesem Jahr nicht entfallen, sondern in seiner Form abgeändert. Und dazu wäre es vorteilhaft, wenn die Abiturienten ebenso auf den Gurgeltest zurückgreifen könnten, wie es einige Schauspieler und Sänger im Land bereits tun:
„Ich wäre sehr froh, wenn die Gurgeltests letztlich auch erschwinglich wären. Die Entwicklung geht voran. Doch wenn es nur irgendwie möglich wäre, diese Tests durch die Krankenkasse bezahlen zu lassen, würde ich diese Variante bevorzugen. Und es würde mich freuen, wenn sich dies schon binnen weniger Wochen umsetzen ließe.“
Die Gurgeltests würde Plaga aber auch noch aus einem anderen Grund vorziehen. Nach Aussage von Michal Černý, dem Chef des Verbandes der Grundschuldirektoren, sind nämlich die Abstriche aus dem Nasen-Rachenraum für Kinder ziemlich unangenehm. Und der Bildungsminister sieht dies ähnlich:
„Für Gymnasiasten kann ich mir verschiedene Varianten von Tests vorstellen, nicht aber auch in der Primarstufe.“
Generell aber sollten Tests dazu beitragen, möglichst bald zum Präsenzunterricht zurückkehren zu können und den Aufenthalt in den Klassenzimmern sicherer zu machen, meint Plaga:
„Die Tests sind keine Bedingung, aber sie sind die bevorzugte Option. Eine Rückkehr an die Schulen wird es aber nur dann geben, wenn das Gesundheitsministerium dies zulässt und die Lage es erlaubt. Auf keinen Fall um jeden Preis.“