Temelin

Zu einer weiteren Ausgabe des Medienspiegels begrüßen Sie jetzt aus dem Prager Studio Robert Schuster und Silja Schultheis.

Es ist soweit: Nach einjährigem Tauziehen haben sich Tschechien und Österreich am Donnerstagabend in Brüssel auf einen Kompromiss in der Temelin-Frage geeinigt und damit den sog. Melker Prozess zu einem für beide Seiten akzeptablen Abschluss gebracht.

Die Tageszeitung "Lidove noviny" kommentiert dies folgendermaßen:

"Die tschechischen Politiker sind verständlicherweise zufrieden: Es ist, als hätten ihnen die österreichischen Misserfolge Recht gegeben und das arrogante tschechische Vorgehen gerechtfertigt. Nach dem Motto: 'Temelin ist unsere innere Angelegenheit, in die uns niemand Fremdes reinreden soll.' So einfach ist es aber nicht: Der tschechisch-österreichische 'Kampf' endet in Wirklichkeit ohne Sieger und seine sichtbarste Folge ist - auch in Zukunft - das beschädigte gegenseitige Verhältnis. Verhält sich die tschechische politische Elite vorausschauend, wird sie sich nicht nur hinsichtlich Temelins um Versöhnung bemühen, sondern auch um eine bestmögliche Vertiefung der Beziehungen. Kurz: Sie wird versuchen, das Verhältnis zu einem wichtigen Nachbarn auf ein Niveau zu bringen, auf dem es schon lange sein sollte und hätte sein können."

Auch die Tageszeitung "Pravo" vertritt die Auffassung, dass es bei der Einigung in Brüssel im Grunde nicht um das Kernkraftwerk ging:

"Als sich Premier Milos Zeman in jener frostigen Nacht vom 12. Auf den 13. Dezember mit seinem österreichischen Amtskollegen Wolfgang Schüssel im niederösterreichischen Melk wegen Temelin trafen, wussten alle, dass 'ökologische und Sicherheitsprobleme' - der angebliche Inhalt des Streites im darauffolgenden 'Melker Prozess' - in Wirklichkeit nicht die Hauptursache für die Spannung zwischen beiden Ländern sind. Österreich, Tschechien und Europa brauchen - in Europa - ganz einfach politischen Waffenstillstand. Und so hat die Brüsseler Übereinkunft den Rivalen zumindest die Hoffnung auf gute Beziehungen gegeben. Die Fragen, die im Hintergrund des gestrigen Abschlusses des Melker Prozesses stehen, bleiben aber offen."