Tourismussaison beginnt – Tausende ukrainische Flüchtlinge in Tschechien müssen umziehen
Für mehrere Tausend Flüchtlinge müssen in den nächsten Tagen in Tschechien neue Unterkünfte gefunden werden. Denn diese Menschen aus der Ukraine sind in Hotels und Pensionen untergebracht. Und die Betreiber wollen ab Mai oder Juni die Betten wieder für Besucher anbieten. Nun suchen der Innenminister und die Kreishauptleute nach sinnvollen Lösungen.
Die Pension U Námořníka (Zum Seemann) liegt am Rand von Františkovy Lázně / Franzensbad in Westböhmen. 23 Flüchtlinge aus der Ukraine haben dort Unterschlupf gefunden. Doch spätestens kommende Woche brauchen sie andere Unterkünfte.
„Wir bieten den Flüchtlingen noch bis 4. Mai unsere Betten an. Dann müssen wir sehen, wie es weitergeht. Denn wir wollen die Zimmer freimachen, weil die neue Saison startet. Schließlich verdienen wir durch den Betrieb der Pension unseren Lebensunterhalt“, so Nell Fantysová, PR-Managerin der Burg Vildštejn / Wildstein, zu der auch die Pension gehört.
Unter anderem sind Lena und ihre Familie vom Umzug betroffen. Dolmetscherin Oksana hilft beim Verstehen: Sie könnten noch nicht in die Heimat zurückkehren, das sei weiter gefährlich. Es werde dort weiter bombardiert, sagt Lena. Die Frau aus der Ukraine will jetzt über das Assistenzzentrum des Kreises Karlovy Vary / Karlsbad etwas anderes finden. Aber auch 500 weitere Flüchtlinge in der Region brauchen noch im Mai eine neue Unterkunft, und im Juni kommen noch einmal mehr hinzu. Jana Pavlíková ist Sprecherin der Kreisverwaltung:
„Wer in absehbarer Zeit seine Unterkunft im Hotel oder der Pension verliert, muss sich ans Assistenzzentrum des Kreises wenden. Dort wird dann nach neuen Möglichkeiten gesucht. Das werden jedoch andere Arten von Unterbringungen sein als bisher, zum Beispiel Internate oder im schlimmsten Fall die Turnhallen der jeweiligen Gemeinden. Es gibt aber auch jene Flüchtlinge, die bereits eine Arbeit gefunden haben und sich selbst nach einer Wohnung umschauen.“
Die Lage ist regional sehr unterschiedlich. Auf den Kreis Pardubice etwa sieht Hauptmann Martin Netolický (Sozialdemokraten) keine Probleme zukommen. Anders ist dies im Kreis Liberec / Reichenberg in Nordböhmen. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind dort nach Prag die meisten Ukrainer untergebracht – viele davon in den Urlaubsregionen Iser- und Riesengebirge, Böhmisches Paradies und Mácha-See. Bis Ende Juni müssten daher für 1550 Flüchtlinge neue Unterkünfte gefunden werden, schätzt die Kreisverwaltung.
Um zu einer sinnvollen Lösung zu kommen, haben Innenminister Vít Rakušan (Stan) und die Kreishauptleute eine Reihe von Treffen gestartet. Eines der Angebote vonseiten des Ministers lautet, ein zentrales Register für freie Unterkünfte anzulegen:
„Bei meinen Besuchen vor Ort höre ich manchmal, dass jemand Ukrainer aufnehmen will, aber nicht weiß, wohin er sein Angebot richten soll. Das System des Registers wird sehr einfach sein“, so Rakušan.
Doch in den Regionen warnt man vor voreiligen Lösungen. Martin Kuba ist Vorsitzender des Zusammenschlusses der tschechischen Kreise und zudem Hauptmann des Kreises Südböhmen:
„Falls wir die Flüchtlinge in die tschechische Gesellschaft eingliedern wollen, damit keine langfristigen Probleme entstehen, dürfen wir sie nicht einfach nur auf irgendein Bett verfrachten. Vielmehr sollten die Menschen dort, wo sie leben, auch Arbeit und für ihre Kinder einen Platz in einer Schule finden können. Andernfalls bildet sich eine Gruppe von Menschen heraus, die dauerhaft von Sozialleistungen abhängig sein wird.“
In Hotels und Pensionen wird eine Unterbringung wohl in der Zukunft nicht mehr möglich sein. Außer der tschechische Staat würde seine Beihilfe massiv erhöhen. Die beträgt derzeit 250 Kronen am Tag (knapp zehn Euro) für die Beherbergung eines ukrainischen Flüchtlings. Die Preise für ein Bett in einem Drei- oder Viersternehotel beginnen aber erst bei 500 Kronen, also dem Doppelten. Und viele Häuser müssen jetzt erst einmal die Verluste aus der Corona-Zeit kompensieren.
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