Träumende Rebellin – Retrospektive der Malerin Toyen in Prag

Ausstellung „Träumende Rebellin“

Die Malerin Toyen gehört zu den bekanntesten tschechischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Noch zu Lebenszeiten wurde sie auch in Paris berühmt, wo sie von 1947 bis zu ihrem Tod im Jahr 1980 lebte. In der letzten Zeit ist weltweit das Interesse an ihrem Werk wieder angestiegen. Und nach mehr als 20 Jahren wird in Prag nun wieder eine Toyen-Ausstellung gezeigt – und zwar in der Waldstein-Reitschule auf der Prager Kleinseite.

Toyen: „Krieg / Vogelscheuche“ | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Nationalgalerie hat die Schau in Zusammenarbeit mit der Hamburger Kunsthalle und mit dem Pariser Musée d’Art Moderne zusammengestellt. Anna Pravdová ist Kuratorin der Ausstellung:

„Die Ausstellung ist dadurch einzigartig, dass sie das ganze Werk von Toyen zeigt. Schließlich sind hierzulande die Bilder aus einigen ihrer Lebensphasen bereits bekannt. Gerade für jüngere Besucher dürfte es anregend sein, die Entwicklung ihres Werks im Gesamten nachvollziehen zu können. So entstanden Toyens Früharbeiten auf der kroatischen Insel Korčula, auf der sie auch den Maler und Dichter Jindřich Štyrský kennenlernte. Es folgen Arbeiten im Geiste des Artifizialismus. Diese Strömung der bildenden Kunst begründete sie zusammen mit Štyrský in Paris. Wir zeigen des Weiteren Toyens Kult-Gemälde aus der surrealistischen Phase vor dem Zweiten Weltkrieg, die vermutlich am bekanntesten sind. Dann Arbeiten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Und schließlich präsentieren wir auch das letzte Bild, das die Künstlerin gemalt hat.“

Jindřich Štyrský und Toyen | Foto: Wikimedia Commons,   public domain

Toyen wurde 1902 als Marie Čermínová in Prag geboren. Mit 17 Jahren verließ sie ihre Familie. Sie besuchte dann die Schule für angewandte Kunst. Sehr prägend war für sie die Freundschaft mit dem Maler, Schriftsteller und Fotografen Jindřich Štyrský. 1925 zogen sie beide nach Paris, wo sie die künstlerische Strömung des Artifizialismus als eine Alternative zum Surrealismus entwarfen. Nach der Rückkehr nach Prag im Jahr 1929 nahm Toyen an mehreren Ausstellungen teil. 1934 beteiligte sie sich als einzige Frau an der Gründung der tschechoslowakischen Surrealisten-Gruppe. Die Künstlerin pflegte auch weiter ihre Kontakte zu André Breton und Paul Éluard, die sie in Paris kennengelernt hatte. Während der nationalsozialistischen Besatzung konnte Toyen nicht mehr öffentlich arbeiten. Außerdem versteckte sie den jüdischen Dichter und Maler Jindřich Heisler in ihrer Wohnung. Mit ihm zusammen verließ sie 1947 die Tschechoslowakei – also einige Monate vor der kommunistischen Machtübernahme. Toyen lebte ab da in Paris, wo sie zu einer wichtigen Persönlichkeit innerhalb der Surrealisten wurde.

Toyen: „Nacht wendet Schreie" | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Kuratorin Anna Pravdová betonte, Toyen sei eine wirklich freie Künstlerin gewesen:

„Sie war sehr konsistent. In ihrem ganzen Schaffen finden sich Themen, die für sie von grundlegender Bedeutung waren. Dazu gehören eine Bindung an die Natur, die Fragen des Unterbewusstseins und eine auffallende Vorstellungskraft. Interessant ist zudem, wie sie mit der Farbe als Materie gearbeitet hat, also ihre Struktur und Schichten. Toyen ging nie Kompromisse ein, weder im persönlichen Leben noch in ihrem Schaffen. Dadurch ist sie sehr inspirierend.“

Toyen: „Man hört Schritte in der Ferne“  (links) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Ausstellung bietet einen Querschnitt durch Toyens Schaffen. Der Raum der Reitschule ist durch eine Wand in zwei Hälften geteilt. Auf der einen Seite werden in chronologischer Folge Arbeiten aus den 1920er und 1930er Jahren gezeigt. Dazu gehören Werke des Artifizialismus und Surrealismus. Im hinteren Raum konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Toyen nicht viel malen konnte. Damals entstanden zwei Zyklen von Zeichnungen „Střelnice“ („Schießplatz“) und „Schovej se, válko“ („Versteck dich, Krieg“). Von dort aus kehrt man auf der anderen Seite des Saals in Richtung Eingang zurück. Auf dieser Seite sind Werke aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen, nachdem die Künstlerin nach Paris gezogen war. Die Bilder sind Leihgaben aus tschechischen und ausländischen Museen sowie Privatsammlungen.

Die Ausstellung aus dem Werk von Toyen ist in der Prager Waldstein-Galerie zu sehen – und zwar bis 15. August. Die Zahl der Besucher ist wegen der Corona-Pandemie beschränkt und geregelt. Zudem müssen Hygiene-Regeln eingehalten werden wie zum Beispiel das Tragen einer FFP2-Maske.

Autoren: Martina Schneibergová , Václav Müller
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