Tschechien und die Rettung des Euro aus Prager Sicht

Bei den diesjährigen „Štiříner Gesprächen“ – einem hochkarätig besetzten Wirtschaftsforum mit Experten aus Tschechien und Deutschland – war die Eurokrise eines der beherrschenden Themen. Vor zwei Wochen hatten wir dazu bereits ein Gespräch mit dem ehemaligen Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und Mitglied des Sächsischen Landtages, Georg Milbradt, gesendet. Doch wie stehen tschechische Politiker und Finanzexperten zu diesem Thema?

Eurozone
Lösung A: Reiche Länder wie Deutschland müssen den Pleitekandidaten helfen, auch wenn das viel Geld kostet. Schließlich profitieren alle durch die Gemeinschaftswährung. Lösung B: Den Pleitekandidaten muss ein Teil ihrer Schulden erlassen werden. Die Hauptlast tragen dann die Finanzmärkte. Oder Lösung C: Die reichen Staaten sollten eine Kern-Euro-Zone gründen und die armen Länder aus der Währungsunion rausschmeißen.

Solche und weitere Varianten zur Überwindung der Euro-Krise wurden bei dem Forum auf Schloss Štiřín bei Prag vor gut zwei Wochen diskutiert. Im Brennpunkt des ersten Themenschwerpunkts stand dabei die Frage: Internationale Solidarität in der EU – eine notwendige Lösung oder Aufschieben des Problems? Der tschechische Finanzminister Miroslav Kalousek bezog diesbezüglich eine klare Position:

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
„Es ist nicht möglich, Solidarität zu zeigen, ohne das Verantwortungsbewusstsein des anderen zu spüren. Das wäre ein viel zu großes moralisches Risiko. Wenn jemand nur zahlen soll und der andere es ablehnt, dafür Opfer zu bringen, wäre das eben ein moralisches Risiko, das geradezu in die Hölle führen würde.“

Im fast gleichen Atemzug aber verwies Kalousek nochmals darauf, dass„es andererseits nicht möglich sei, dem Nachbarn seine Solidarität zu verweigern, da man sich damit selbst gefährde“.

Mit anderen Worten: Kalousek drückte auf seine Weise aus, in welcher Zwickmühle ein reicher Euro-Staat wie Deutschland derzeit steckt, um den Euro vor weiterem Schaden zu bewahren. Deutschland wird mit einigen anderen EU-Staaten viel Geld in den Pakt für den Euro stecken, damit Pleitekandidaten wie Griechenland, Irland und Portugal wieder auf die Beine kommen, doch diese Zahlungen werden so schnell nicht enden. Der Grund: Ein Land wie Griechenland zum Beispiel wird es nicht über Nacht schaffen, alle Sünden seiner Fiskalpolitik zu beheben, um sich quasi wieder gesund zu schrumpfen.

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Die Tschechische Republik ist neben Großbritannien, Schweden und Ungarn einer von vier EU-Staaten, die dem „Pakt für den Euro“ beziehungsweise dem weiterreichenden „Euro-Plus-Pakt“ nicht beigetreten sind. Heißt das, Tschechien verschließt sich dem Problem und lässt die anderen im Stich? Finanzminister Kalousek:

„Tschechien bürgt mit einer Summe von nicht ganz sieben Milliarden Kronen, von der wir hoffen, sie nicht einsetzen zu müssen. Aber wir garantieren für diesen Betrag.“

Die Tschechische Republik kommt also, wenn etwas schief läuft, für eine Summe von umgerechnet 280 Millionen Euro auf – aber eben nicht als Bündnispartner im „Euro-Plus-Pakt“, sondern im Rahmen ihre Verpflichtungen als EU-Mitglied. Und das soll vorerst auch so bleiben, ergänzt Kalousek:

„Im Rahmen der gemeinschaftlichen Mechanismen, zu denen sich die Tschechische Republik verpflichtet hat, werden wir auch alle Verpflichtungen erfüllen. Über den Rahmen dieser Verpflichtungen hinauszugehen, kommt aber für mich nicht in Frage.“

Im Gegensatz zu den anderen sechs Nicht-Euro-Ländern – darunter Nachbar Polen oder die Baltischen Staaten Lettland und Litauen – will sich die tschechische Regierung also vorerst keinem Euro-Pakt anschließen, sondern abwarten, wie sich die Dinge in der Eurozone entwickeln. Eine Haltung, die aber nicht von allen Finanzpolitikern des Landes mitgetragen wird. Jan Mládek, Finanzexperte der Sozialdemokraten, kritisiert vielmehr:

„Mit der Ablehnung des Paktes für den Euro am 11. März hat die Regierung Nečas de facto auf den Zerfall der Euro-Zone gesetzt.“

Eine These, die es natürlich noch zu beweisen gilt. Umso mehr deshalb, weil Mládek selbst in seinen Ausführungen drei Varianten in Feld führte, wie die Länder der Eurozone die Krisensituation bewältigen werden. Zwischen der Möglichkeit, dass sich der Euro aufgrund der getroffenen Maßnahmen tatsächlich stabilisiert und der Negativ-Variante, dass man wieder in die Zeit der nationalen Währungen zurückfällt, räumt Mládek vor allem dem dritten Lösungsweg große Chancen ein. Einem Weg, den auch Tschechien beschreiten sollte.

Georg Milbradt  (Foto: bigbug21,  Creative Commons 2.5)
„Tschechien sollte die gleiche Währung wie die Bundesrepublik Deutschland haben, egal ob diese Währung nun Euro, Deutscher Euro oder Deutsche Mark heißen wird“, erklärte Mládek unter dem Beifall mehrerer Konferenz-Teilnehmer.

Laut Mládek werde Deutschland nämlich nicht ewig zusehen, wie das Geld der eigenen Steuerzahler in ein Fass ohne Boden gestopft würde. Und deshalb werde der große Nachbar, wenn er mehrere Gleichgesinnte findet, sicher auch bald handeln und eine neue Eurozone bilden - für Länder mit einer soliden Fiskalpolitik und mit einem härteren Euro. Eine Entwicklung, die auch Georg Milbradt in gewisser Weise so voraussieht:

„Die eigentlichen Entscheidungen – davon bin ich fest überzeugt – sind gar nicht mehr machbar vor den Wahlen in Deutschland oder in Frankreich. Die eigentlichen Entscheidungen fallen also 2014 und 2015, und da wird man sehen, wie die Situation dann sein wird. Ist meine Vermutung richtig, dass die Fragen nicht gelöst werden, wird nicht nur Deutschland, sondern wird die europäische Öffentlichkeit verlangen, dass andere Maßnahmen kommen. Und zwar Maßnahmen, die wirklich eine Lösung darstellen und nicht nur eine Verschleierung, die viel Geld kostet.“

Für Schattenfinanzminister Mládek führt deshalb kein Weg daran vorbei, dass die Tschechische Republik ihre zögerliche Haltung zur Euro-Politik aufgibt:

„Trotz aller Probleme, die der Pakt für den Euro derzeit bereithält, man sollte dazu stehen und sich ihm anschließen. Ganz einfach darum, weil die Szenarien, die zu einer Lösung führen, vielschichtig sein können. Wir müssen deshalb rechtzeitig dabei sein, um diese Informationen auch aus erster Hand zu kriegen und uns nicht an den Rand drücken zu lassen.“

Foto: Archiv ČRo 7
Es wird also spannend bleiben, zu beobachten, wie sich das Nicht-Euro-Land Tschechien in dieser Frage zukünftig verhält. Jan Mládek jedenfalls weiß, wie eine politische Veränderung im eigenen Land die Dinge aus tschechischer Sicht anders regeln würde:

„Das ist eine tschechische Besonderheit. Die Welt ist bizarr, aber während der Euro in Europa vor allem von der Europäischen Volkspartei und damit den nationalen Rechtsparteien unterstützt wird und die Linksparteien wie auch die Europäische Sozialdemokratie gegen den Euro sind, ist es in Tschechien genau umgekehrt.“