Tschechische Behinderte lernen den Umgang mit dem PC
Schwerbehinderte können seit Herbst vergangenen Jahres auch in Tschechien spezielle Computerkurse absolvieren. Drei Monate dauert die Ausbildung, bei der die Teilnehmer lernen, über ein Spracherkennungsprogramm die PCs zu bedienen. Damit sollen Behinderte unter anderem fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. Mittlerweile haben knapp 20 Menschen mit unterschiedlichen Handicaps an den Kursen teilgenommen. Doch der Weg dahin war beschwerlicher, als beispielsweise in Deutschland.
„Es ist eine schwere Aufgabe und daher kein Wunder, dass keine der großen Firmen wie IBM eine tschechische Version auf den Markt gebracht hat. Das Tschechische ist eine sehr genaue Sprache und hat mehr als eine Million Wörter und Begriffe.“
Substantive zum Beispiel müssen in all ihren sieben Deklinationsformen verfügbar sein, um sie per Spracherkennung schreiben zu können. Erst vor sieben Jahren wurde die Software auch auf Behinderte zugeschnitten. Und Dita Horochovská durfte die Programme damals als erste testen:
„Mir wurden die Programme auf meinem Computer installiert und die grundlegenden Regeln erklärt. Ich musste mich dann alleine zurechtfinden, ohne Kurs. Alle Computerbefehle habe ich mir selbst beigebracht. Der Gedanke, auch endlich Mails alleine schreiben zu können, hat mich so motiviert, dass ich mehrere Tage am Stück geschuftet habe. In vier bis fünf Tagen hatte ich den Trick raus und habe mich danach nur noch verbessert.“
MyVoice, MyDictate und NewtonDictate heißen die Programme, mit deren Hilfe die junge Frau dann sogar ihr Abitur machen konnte. Auch der Schritt ins Arbeitsleben gelang. Seit vergangenem Herbst gibt sie ihr Wissen weiter und leitet Computerkurse für Schwerbehinderte. Drei Monate dauert solch ein Kurs, und er ist kostenlos - finanziert vom Europäischen Sozialfonds sowie von der Stadt Prag. Der Umgang mit der Software verlangt viel Disziplin. Man muss deutlich sprechen und sollte auch Ähs uns Öhs vermeiden. Trotz dieser Probleme sind die Kursteilnehmer zufrieden mit den neuen Möglichkeiten, die sie nun haben. So zum Beispiel der 18-jährige Rollstuhlfahrer Ondřej Srp:„Ich habe gelernt in Word einen Text zu schreiben und zu layouten. Ich kann alles im Internet finden, was ich will. Das einzige, was ich noch nicht probiert habe, sind E-Mails. Ich möchte nun die drei Programme auf meinem Computer installieren und hoffe, dass ich Unterstützung bekomme, um sie kaufen zu können.“
Der Preis allein für das Paket MyVoice und MyDictate liegt bei umgerechnet mehr als 450 Euro. Beim Meistern dieser finanziellen Hürden hilft dieselbe Organisation, die auch die PC-Kurse organisiert: die NGO „Polovina nebe“, auf Deutsch „Hälfte des Himmels“. „Polovina nebe“ kümmert sich auch darum, einige der Kursteilnehmer auf den Arbeitsmarkt zu führen. Daniela Rázková leitet die NGO:
„Seit Oktober haben wir 19 Menschen in Prag ausgebildet und vier von ihnen haben wir Arbeit verschaffen können oder sind gerade dabei. Wir verhandeln derzeit zum Beispiel mit der Nationalgalerie. Andere Teilnehmer wurden angestellt, um die Chroniken von Prager Stadtvierteln zu verschriftlichen.“
Mittlerweile hat das Ministerium für Arbeit und Soziales auch die Gelder für das neue Doppelsemester bis 2012 bewilligt: Damit können weitere 30 behinderte Menschen in Tschechien lernen, ohne Hände ihren Computer zu dirigieren.