Tschechische Leichtathleten mit magerer Medaillenausbeute – ein „Kopfproblem“?

Petr Svoboda (Foto: ČTK)

Barcelona und die tschechische Leichtathletik – das klang bisher immer positiv. So hatte der phänomenale Speerwerfer Jan Železný bei den Olympischen Spielen in der katalanischen Stadt seine erste Goldmedaille geholt. Doch nun steht Barcelona auch für die schlechteste Medaillenausbeute bei einer Leichtathletik-EM seit dem Zweiten Weltkrieg.

Petr Svoboda  (Foto: ČTK)
Die Bilanz ist ernüchternd: nur eine Bronzemedaille, Platz 25 in der Nationenwertung. Allein Speerwerferin Barbora Špotáková hat die Ehre der tschechischen Leichtathletik bei der EM in Barcelona gewahrt. Die tschechische Presse sprach am Montag wahlweise von Enttäuschung oder magerer Bilanz. Verbandspräsident Libor Varhaník mochte aber nicht ganz in die Kritik einstimmen:

„Das ist sicher kein gutes Ergebnis, weil eine Medaille deutlich weniger ist als das, was wir erwartet haben. Wenn wir aber die Zahl der Punkte anschauen, also die Platzierungen bis zum achten Rang, dann ist es das zweitbeste Ergebnis, das die Tschechische Republik jemals erzielt hat. Uns tut nur leid, dass dabei eben nicht eine oder zwei weitere Medaillen zustande kamen. Dann wäre die Bilanz nämlich gerade umgekehrt.“

Barbora Špotáková  (Foto: ČTK)
Neben Špotáková waren acht weitere tschechische Athletinnen und Athleten ins Finale eingezogen. Doch wo lag der Fehler, dass sie nur auf den undankbaren vierten, fünften oder sechsten Plätzen gelandet sind? Nationaltrainer Tomáš Dvořák hatte am Sonntag in Barcelona eine schnelle Erklärung parat:

„Ich nutze die Fußballsprache: Es hat etwas Glück gefehlt. Obwohl ich geglaubt habe, dass das junge Team bereits Erfahrung hat, fehlt ihm noch ein Stück.“

Und was sagen die Athleten selbst? Zum Beispiel Hürdenläufer Petr Svoboda. Der 25-Jährige lag beim Finale über 110 Meter am Freitag lange Zeit in Führung:

Zuzana Hejnová  (Foto: ČTK)
„Dann habe ich die Gedanken nicht mehr zügeln können, ich sah mich bereits im Ziel. Ich habe mich nicht mehr konzentriert. Ich weiß aber nicht wirklich, was da passiert ist. Auf jeden Fall bin ich dann in eine Hürde gerannt.“

Der Kopf also stoppte den Medaillentraum. Svoboda, der die europäische Rangliste in diesem Jahr anführt, wurde nur Sechster. Ähnlich erging es Speerwerfer Frydrych, Zweiter der Weltjahresbestenliste. Oder Zuzana Hejnová, Favoritin im 400-Meter-Hürdenfinale am Samstag und am Ende doch nur Vierte:

„Da lag großer Druck auf mir. Ich ärgere mich. Die Leute um mich herum haben nur noch von der Medaille gesprochen, das war nicht sehr angenehm. Jetzt ist passiert, was ich nicht wollte“, so Hejnová.

Mag sein, dass ihr oder Svoboda auch Glück oder Erfahrung fehlten. Vielleicht hätte aber auch eine bessere mentale Vorbereitung geholfen. Diese Analyse muss der tschechische Leichtathletikverband indes nun selbst machen.

Autor: Till Janzer
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