Tschechische Transplantationsmedizin hält international Schritt

Ein nicht mehr funktionierendes Organ im menschlichen Körper durch ein funktionierendes zu ersetzen war seit jeher ein Traum vieler Ärzte. Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Traum in Erfüllung gegangen. Seitdem hat dieser medizinische Fachbereich weltweit, aber auch in Tschechien große Fortschritte gemacht. Seit etlichen Jahren veranstaltet die Europäische Gesellschaft für Transplantationen (Esot) einen Kongress, auf dem die jüngsten Entwicklungen beleuchtet werden, von Fachfragen bis hin zu ethischen Aspekten. Der 13. Kongress der Esot fand vom 30. September zum 3. Oktober in Prag statt.

"Der europäische Transplantationskongress ist die einzige Veranstaltung, in deren Rahmen die tschechische Transplantationsmedizin sich mit internationalen Trends auf diesem Gebiet vergleichen kann. Durch die Wahl Prags als diesjährigen Kongressort erhält die tschechische Transplantationsmedizin ein positives Signal."

Soweit ein Zitat aus der Eröffnungsrede von Stefan Vitko, dem Präsidenten der Esot 2007 und Leiter des Prager Transplantationszentrums Ikem. Seine Worte bestätigt indirekt auch der Arzt Martin Oliverius.

"Zu diesem Kongress ist in der gesamten Esot-Geschichte die bisher größte Zahl von Teilnehmern gekommen. Es ist sehr erfreulich, dass die tschechische Medizin bei dieser Veranstaltung vertreten ist, und zwar sowohl durch Vorträge, als auch durch zahlreiche Facharbeiten. Diese wurden für die Präsentation auf diesem Forum aufgrund anspruchsvoller Kriterien ausgewählt und von internationalen Expertenteams beurteilt."

Zum Kongress Esot 2007 waren über 3500 Experten nach Prag gekommen, um sich über ihre wissenschaftlichen und praktischen Kenntnisse auszutauschen. Unter den Teilnehmern waren auch führende Persönlichkeiten europäischer und internationaler Transplantationskliniken wie zum Beispiel Jean-Michel Dubernard, Bernard Charpentier, Catherine Wood und Stefan Vitko, Vorsitzender der tschechischen Transplantationsgesellschaft. Was kann man also über die Leistungen der tschechischen Medizin auf diesem Gebiet sagen? Eva Pokorna von Ikem-Institut:

"Die tschechische Transplantationsmedizin kann auf eine lange Tradition zurückblicken und kann außerdem sehr gute Ergebnisse vorweisen. Sie sind durchaus mit denen aus anderen Ländern Europas wie auch weltweit vergleichbar, und diesen Vergleich machen wir auch gerne."

Am 21. März 1966 wurde die erste Transplantation in der damaligen Tschechoslowakei durchgeführt. Der Patient, Karel Pavlik, dem eine Niere seiner Mutter eingepflanzt wurde, konnte danach noch mehr als drei Jahre weiterleben. Es war ein großer Erfolg für die Transplatationsmedizin, denn diese war zu diesem Zeitpunkt weltweit noch am Anfang. Seitdem ist auch die tschechische Transplantationsmedizin erfolgreich vorangeschritten.

Alle Hauptorgane des menschlichen Körpers werden inzwischen - wie anderswo in der Welt - in den Kliniken in Prag und Brünn / Brno transplantiert. Bis auf ein Organ - der Dünndarm. Doch die Vorbereitungen laufen derzeit im Ikem-Institut auf Hochtouren. Martin Oliverius ist der Mann, der diese Operation als erster in Tschechien durchführen soll. Mit welchen Problemen ist dies verbunden?

"Bei Ikem wird diese anspruchsvolle Operation, an der viele Ärzte aus verschiedenen Fachbereichen beteiligt sein werden, schon seit zwei Jahren intensiv vorbereitet. Außerdem arbeiten wir mit Kollegen außerhalb unseres Instituts zusammen, die sich um Patienten kümmern, die parenteral ernährt werden. Sie werden also künstlich durch Infusionen ernährt, weil sie Nahrung nicht wie gesunde Menschen oral zu sich nehmen können."

Auf die Frage, mit welchen Problemen man bei der komplizierten Operation rechnen kann, antwortet Dr. Oliverius:

"Die Operation muss erfolgreich sein. Jedes Ikem-Programm war immer so vorbereitet, dass es erfolgreich mit der Heilung des Patienten gekrönt werden konnte. Das ist auch unser Vorgehen bei der Vorbereitung der Dünndarm-Transplantation. Seit mehreren Jahren schon laufen intensive Experimente an tierischen Modellen. Derzeit geht auch ein umfassendes Experiment am Schweinemodell zu Ende. Viele Kollegen haben zudem sehr gute Kontakte zu ausländischen Kliniken geknüpft. Ich selbst bin kürzlich von einem einmonatigen Aufenthalt in Pittsburg, einem der erfolgreichsten Transplantationszentren, zurückgekehrt."

Martin Oliverius ist überzeugt, dass die Vorbereitungen für die Dünndarmtransplantation bereits ein Stadium erreicht haben, das es ermöglicht, diese Heilmethode noch in diesem oder spätestens im kommenden Jahr menschlichen Patienten anzubieten.

Eine Sache sind allerdings die Ergebnisse der Organtransplantationen, eine andere die Frage, wie erreichbar sie für bedürftige Patienten sind. Das hängt von der Zahl der zur Verfügung stehenden Organe verstorbener Menschen ab. Auch das ist ein Kriterium für die erfolgreiche Transplantationsmedizin. In keinem Land der Welt allerdings gibt es genug Spendeorgane. Wie schneidet Tschechien im internationalen Vergleich ab? Eine Frage an Eva Pokorna:

"Auch wenn es bei uns an Spendeorganen mangelt: Unsere Patienten sind im Vergleich mit der Situation zum Beispiel in Deutschland oder Großbritannien wesentlich besser dran, denn auch ihre Chancen auf die Transplantation sind besser."

Für die Transplantationsmedizin ist auch die öffentliche Meinung sehr wichtig. Die Einstellung der Gesellschaft gegenüber diesem Bereich, namentlich gegenüber den Organspenden, ist allerdings nicht immer nur positiv. Wie sieht es der renommierte Kardiochirurg Jan Pirk?

"Ich glaube, es fehlt uns hierzulande ein positives gesellschaftliches Klima wie in den westlichen Ländern. Im Unterschied zu diesen Ländern, wo man sich gegenseitig helfen will, ist bei uns jeder ein "Solospieler", denkt vor allem nur an sich selbst und es interessiert ihn kaum, dass auch einer seiner Familienangehörigen ein neues Organ brauchen könnte."

In Bezug auf die Herztransplantationen spricht Professor Pirk von Routineoperationen. Wie sieht denn dann die Bilanz im internationalen Vergleich aus?

"Bei uns mangelt es an Herzspendern. In Ländern wie zum Beispiel in Spanien oder Österreich, die an der Spitze der europäischen Transplantationsstatistiken stehen, werden im Vergleich zu Tschechien zweimal so viele Herztransplantationen durchgeführt. Es gibt aber auch Länder, vor allem in Osteuropa, die sehr schlecht dran sind. Bei uns entfallen etwa sechs Herztransplantationen auf eine Million Einwohner pro Jahr. Das entspricht, denke ich, dem guten europäischen Durchschnitt. Da uns die Spendeorgane fehlen, müssen wir auch mit künstlichen Herzen arbeiten. Mehr herzkranke Menschen, die ansonsten sterben müssten, können auf diese Weise länger überleben, bis ein Spendeherz zur Verfügung steht."

Obwohl die Transplantationen seit mehreren Jahrzehnten in Tschechien durchgeführt werden, hat das tschechische Parlament erst im Jahr 2002 ein Transplantationsgesetz verabschiedet. Die Meinungen dazu sind kontrovers. Dies könnte aber schon ein Thema für eine andere Ausgabe von Forum Gesellschaft sein.