Tschechischer Premier Fiala in Berlin: Rüstungsringtausch mit Kanzler Scholz ausgehandelt
Seit Kriegsbeginn versorgt Tschechien die ukrainische Armee mit militärischer Ausrüstung und Waffen. Die dadurch entstehenden Rückstände in der eigenen Ausstattung sollen nun mit Hilfe von Deutschland ausgeglichen werden. Dies hat Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz ausgehandelt.
Beim ersten persönlichen Zusammentreffen des tschechischen Premiers Petr Fiala und des deutschen Kanzlers Olaf Scholz wurde die Gesprächsagenda vom Krieg in der Ukraine bestimmt: Energieversorgung und Rüstung, das waren die beiden Hauptthemen am Donnerstag in Berlin. Zu ersterem warb Fiala beim Nachbarn für sein Anliegen, die Öllieferungen aus dem italienischen Hafen Triest aufzustocken. Zudem hofft Tschechien, in den Speichervorrichtungen in Deutschland eigene Flüssiggasreserven anlegen zu können.
Warum auch die Rüstungshilfe wichtig ist, begründete Fiala bei einem ersten Presseauftritt in Berlin:
„Die militärische Zusammenarbeit hat eine neue Dimension bekommen, und zwar durch das Geschehen in der Ukraine und durch die Aggression, der das Land von Seiten Russland ausgesetzt ist.“
Im anschließenden Gespräch einigte sich Fiala mit Olaf Scholz darauf, dass Tschechien weiter Armeeausrüstung und Waffen in umfangreichem Maße an die Ukraine liefern wird. Dies habe, so hieß es, den Vorteil, dass die dortigen Soldaten die Technik schon kennen würden. Deutschland wird im Gegenzug die tschechische Armee mit moderner Technik ausrüsten. Kanzler Scholz dazu bei der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz:
„Tschechien kann Waffen zur Verfügung stellen, die ihren Ursprung in russischer Produktion haben und unmittelbar nützlich sind für die Ukraine. Wir können helfen, dass die tschechische Armee die notwendige Kraft behält, die dazu gehört.“
Die Verhandlungen zu diesem Tauschgeschäft wurden den Verlautbarungen nach schon auf sehr konkreter Ebene geführt. Laut Fiala sind schwere Waffen im Gespräch, die Tschechien von seinem Nachbarn erwarten kann und mit denen die Armee deutlich modernisiert wird. In Journalistenkreisen wird etwa über Militärtransporter oder Panzer der Leopard-Serie spekuliert. Details ließen die beiden Staatschefs bei diesem sensiblen Thema allerdings nicht nach außen dringen, und so äußerte sich Petr Fiala auf der Pressekonferenz nur sehr allgemein:
„Wir können das Potential beider Länder nutzen. Das sind zum einen die wirtschaftlichen und militärischen Stärken Deutschlands. Zum anderen sind es die Erfahrungen Tschechiens sowie unsere Möglichkeiten, Armeetechnik zu liefern, die unsere ukrainischen Freunde brauchen. Diese Kooperation kommt unseren beiden Ländern zugute und hilft vor allem der Ukraine bei ihrem Kampf gegen den russischen Angriff.“
Noch vor seinem Treffen mit Scholz war Fiala am Donnerstag auf Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast. Hier habe der Premier mit den Erfahrungen seines Kiew-Besuchs glänzen können, meint der tschechische Botschafter in Berlin, Tomáš Kafka, und sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Die tschechische Seite kann für Deutschland eine gewisse Inspiration sein. Denn wir waren eines der ersten Länder, die etwas unternommen haben, und die Welt ist dadurch eben nicht zusammengebrochen.“
Bezug nahm Kafka auf die überraschende Reise nach Kiew, bei der Petr Fiala schon Mitte März gemeinsam mit seinem polnischen und slowenischen Amtskollegen als einer der ersten EU-Politiker den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kriegsbeginn persönlich besucht hatte. Steinmeier hingegen hat gerade erst die diplomatischen Wogen glätten können, nachdem seine Besuchspläne von der ukrainischen Führung im April abgelehnt worden waren. Der Zufall wollte es, dass der Bundespräsident eben am Donnerstag nun doch von Selenskyj offiziell nach Kiew eingeladen wurde.
Die Themen, die in Berlin verhandelt wurden, bleiben auf Fialas Tagesordnung. Noch vor Ort merkte der Premier an, dass Russlands kriegerisches Vorgehen in der Ukraine auch die EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens in der zweiten Jahreshälfte prägen wird. Dabei werde es schwerpunktmäßig um die Energiesicherheit und die Unabhängigkeit von Russland gehen, so Fialas Ankündigung.