Tupesy-Keramik – Töpferhandwerk aus Südmähren
Die Herstellung von Töpferwaren hat weltweit eine lange Geschichte. Oft war der Ort der Fertigung namensgebend. So ist es auch im Fall der „Tupesy-Keramik“. Ein Besuch in der südmährischen Gemeinde.
„Tupesy hat im Laufe seiner Geschichte von seiner geographischen Lage profitiert und von den hiesigen Naturgegebenheiten. Lange Zeit gehörte der Ort zum Klosterbesitz des nahen Velehrad. Das war vom 13. Jahrhundert bis zur Auflösung des Klosters im Rahmen der Reformen von Kaiser Josef II. im 18. Jahrhundert. Auf dem Kataster der Gemeinde befanden sich reiche Rohstoffvorkommen, die sich für die Keramik- und Ziegelherstellung eigneten. Ton und Lehm bildeten gute Voraussetzungen vor allem für die Entwicklung der handwerklichen Töpferei.“
Archäologische Funde deuten darauf hin, dass in der Gegend die Keramikherstellung bereits im 10. Jahrhundert bekannt war.„Es ist belegt, dass hier ab dem 16. Jahrhundert sogenannte rauchgebrannte Keramik hergestellt wurde. Sie war zu jener Zeit weit verbreitet und wurde insbesondere als Küchengeschirr verwendet. Dokumentiert sind auch Einflüsse von Fayencen, die im 16. Jahrhundert sogenannte Neutäufer, also Emigranten aus der Schweiz und Deutschland, nach Südmähren und anschließend auch in die Westslowakei mitbrachten“, so der Bürgermeister.
Doch im Unterschied zu anderen Regionen Südmährens blieb dies in Tupesy eher eine Randerscheinung. Noch lange Zeit behielt hier die rauchgebrannte Keramik die Oberhand, gefertigt von mehreren Generationen derselben Töpferfamilien.
Vom Maschineningenieur zum Töpfer
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts trat eine Wende ein, als modernere Erzeugnisse zu Konkurrenz wurden. Oldřich Vávra:„Die Herstellung von Keramikgeschirr brach ein. Blechgeschirr kam auf den Markt, und das verdrängte letztlich die Keramik aus der Küche. Für die traditionellen Töpferfamilien hatte dies fatale Konsequenzen. Viele wurden arbeitslos. Nur ein Teil sattelte auf die Produktion von Blumentöpfen und anderen einfachen Töpferwaren um. Das war aber nach wie vor mit schwerer Arbeit verbunden – angefangen bei der Lehmgewinnung aus den tonreichen Terrassen in der Umgebung von Tupesy über eine Reihe weiterer Bearbeitungsprozesse bis zum Scherbenbrand. Die Konkurrenz durch Verfahren der Emaillebeschichtung war in der Tat sehr groß.“
Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte ein Mann namens Jaroslav Úředníček in Tupesy auf. 1909 kaufte er die dortige Ziegelei. Der Bürgermeister:„Seine Idee war, die Keramiktradition in der Gegend wiederzubeleben. Seine Eltern bestritten zwar ihren Lebensunterhalt mit Töpferei, er selbst hatte bis dahin aber keine Erfahrung mit diesem Fachhandwerk gehabt. Úředníček war Maschineningenieur, vor allem aber hatte er Unternehmensgeist. Er entschloss sich zu einer Umschulung und ließ sich in Hodonín zum Krugtöpfer ausbilden. Dass es derartige Kurse zu der Zeit überhaupt gab, kam daher, dass sich damals einige Menschen für traditionelles Handwerk begeisterten.“
Und nicht nur für Handwerk schlechthin, sondern auch für südmährische Folklore. Die Besonderheiten der Mährischen Slowakei wurden zunehmend als Kulturphänomen betrachtet.
„Es gab einige bedeutende Volkskundler, die mit hohem Einsatz regionale Volkslieder, Sagen und Mythen sowie verschiedene Gegenstände sammelten. Dieser Richtung schlossen sich auch herausragende Maler wie zum Beispiel Joža Úprka an. Die Frauen und Mädchen in farbenfrohen Volkstrachten, die er gerne auf seinen Gemälden abbildete, wurden auch anderswo bewundert. Die Mährische Slowakei galt – allgemein gesagt – als interessante Inspirationsquelle. Künstler aus Prag kamen zum Beispiel zu Besuch. In dieser Zeit wurde sich unter anderem auch auf die historische Tradition Großmährens zurückbesonnen. Unter diesem ganzen Einfluss stand auch Jaroslav Úředníček“, sagt Vávra.Kurzum, er setzte auf die Keramik. Seine Manufaktur begann, bemalte und glasierte Keramik herzustellen. Damit wurde Úředníček zum Begründer der Majolika aus Tupesy und der umliegenden Gegend. Bald entstand dort wieder eine ganze Reihe von keramischen Familienwerkstätten, die aber neue Fertigungstechniken anwandten. Manche von ihnen konnten zugleich an das Knowhow ihrer Vorfahren anknüpfen.
Kooperation mit Baťa
Jaroslav Úředníček hatte eine Großfamilie mit 16 Kindern. Praktisch alle waren in die Keramikherstellung eingebunden. Einer seiner Töchter bezahlte er einen Studienaufenthalt in Griechenland. Von dort brachte sie auch die Idee für das mittlerweile typische Motiv der „Keramik von Tupesy“ mit: Strohblumen mit blauer Mitte und gelben Blütenblättern. Die berühmte „Rose von Tupesy“ hatte ihr Vorbild im Keramikdekor aus der Gegend des slowakischen Ortes Boleráz. Ihr Ursprung liegt aber in den Fayencen der Neutäufer, die seinerzeit aus Mähren in die Slowakei übersiedelten. Im Laufe von mehreren Generationen mährischer Keramikmalerinnen wurde dann das Motiv der Rose abgewandelt.Der Bürgermeister von Tupesy bezeichnet Úředníček als einen Menschen mit „phänomenalem unternehmerischen Spürsinn“. Dabei spielte auch der Schuhindustrielle Tomáš Baťa aus Zlín eine bedeutende Rolle:
„Er versprach Úředníček bei einer Werbekampagne, dessen Kindern Schuhe zu schenken. Der Keramikhersteller bedankte sich mit den Worten, er sei gerne bereit, das Geld für die Kinderschuhe selbst zu verdienen. Viel eher aber brauche er einen elektrischen Ofen, so Úředníček. Keramikgegenstände müssen bekanntlich gebrannt werden, wobei die richtige Temperatur eine wichtige Rolle spielt. Bei Holzfeuer, das damals noch weit verbreitet war, entwickelt sich starker Rauch. Dadurch erhalten die Keramikscherben ihre typische dunkle bis schwarze Farbe, die sie zugleich auch imprägniert.“
Für Majolika war dieser Effekt aber nicht erwünscht. Baťa half letztlich bei der Finanzierung des kostspieligen elektrischen Ofens. Beide Unternehmer knüpften damit eine interessante Zusammenarbeit. Úředníček lieferte bald über Baťas Geschäfte ein breites Keramiksortiment in die ganze Welt. So fanden die Töpferwaren aus Mähren zum Beispiel in den USA oder Brasilien guten Absatz. So gerüstet, überstand der Keramikhersteller auch die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg. Bürgermeister Vávra:„Von Beginn bis Ende des 20. Jahrhunderts bot die Keramikherstellung Arbeit für mehrere Hundert Bewohner in dieser Gegend. Eine Zeitlang ging jedes Jahr mindestens ein Grundschulabgänger aus Tupesy oder einem der zwei benachbarten Gemeinden nach Prag, um dort an der Fachschule für Kunsthandwerk zu lernen. Von dieser Tradition profitieren wir bis heute. Im Lauf der 1990er Jahre brach der Keramikmarkt zusammen. Einige der traditionellen Werkstätten bestehen dennoch weiter. Unsere Töpfer sind kreativ. Rund die Hälfte von ihnen sind Nachkommen der Familie Úředníček.“
Auf den Pfaden der Keramiker
Die Zeit ist also vorbei, als in Tupesy dekorative Keramik wie Vasen und Teller in hoher Menge und großer Vielfalt gefertigt wurden. Viele Beispiele der früheren Produktion findet man heute im Museum von Tupesy, das im schön hergerichteten ältesten Haus der Gemeinde sein Domizil fand. Für die heutigen Töpfer ist die umfassende Sammlung des Museums eine wertvolle Inspirationsquelle. Dem Bürgermeister sowie dem Gemeinderat und vielen Bewohnern des Ortes liegt sehr daran, alte Traditionen zu pflegen. Vor einigen Jahren wurde zum Beispiel ein „Pfad der Keramiker“ angelegt. Er führt an Häusern vorbei, in denen man nach Absprache eine Töpferwerkstatt besichtigen kann. Das ganze Jahr hindurch finden in Tupesy mehrere Feste statt, die an lokale und regionale Traditionen erinnern. Zu den größten gehört das alljährliche Weinfest im Herbst. Der Weinbau bildet laut Oldřich Vávra von jeher neben der Keramik das zweite Standbein in Tupesy. Aber auch der Begründer der Majolika-Herstellung in dem Ort wurde zuletzt groß geehrt:„Vor zwei Jahren haben wir den 100. Geburtstag dieser Keramikart in Tupesy begangen. Dank all dem, was Jaroslav Úředníček verkörpert hat, hat sie auch die Zeit der sozialistischen Planwirtschaft überstanden. Sie lebt zum Glück weiter in den jüngsten Nachkommen seiner Familie.“
Die „Tupesy-Keramik“ hat sich als Begriff eingebürgert – zumindest hierzulande.