Unfallstatistik 2007: Verkehrsexperte fordert erzieherische Elemente in StVO

Die Zahl der Toten im Straßenverkehr ist 2007 gestiegen. Erneut hat dies die Debatte darüber in Gang gesetzt, wie man diesem negativen Trend begegnen kann. Immer stärker setzt sich dabei die Ansicht durch, nicht mehr nur ausschließlich auf Repression und Polizei-Präsenz zu setzen, sondern sich auch um eine verstärkte Erziehung der Fahrer zu bemühen.

Foto: Jana Sustova
Blickt man auf die jüngst veröffentlichten Daten über die Zahl der Verkehrsunfälle und insbesondere die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2007, kann man das Gefühl bekommen, dass man zur gleichen Zeit eine gute und eine schlechte Nachricht serviert bekommt. Die schlechte Nachricht wäre, dass die Zahl der Verkehrsopfer im vergangenen Jahr mit 1123 Menschen höher als im Jahr 2006 war. Die gute Nachricht wiederum ist, dass es sich trotz allem immer noch um das zweitniedrigste Ergebnis seit dem Jahr 1990 handelt.

Wie soll man also nun diese Zahlen verstehen? Ist der Anstieg der Opfer auf Tschechiens Straßen nicht auch ein Eingeständnis, dass die neue Straßenverkehrsordnung samt dem Punktesystem für Verkehrsdelikte, von dem sich viele eine Verbesserung der Sitten auf den Straßen erhofft hatten, nicht die erwartete Wirkung gezeigt hat? Dazu im Folgenden der Verkehrsexperte Stanislav Huml, der gleich einleitend meint:

"Ich verstehe das Ergebnis in der Hinsicht, dass es wirklich das zweitbeste seit 1990 ist. Zudem zeichnet sich die Statistik des vergangenen Jahres noch durch eine andere Anomalie aus: Im ersten Halbjahr waren die Ergebnisse sehr, sehr schlecht. Die Statistik im dritten Quartal zeigte wiederum unerwartet positive Ergebnisse und blieb tief unter dem Schnitt, so dass die Bilanz insgesamt noch korrigiert werden konnte. Damit will ich sagen: Wenn im ersten Halbjahr so gearbeitet worden wäre wie im zweiten, dann hätte die Statistik noch besser sein können."

Stanislav Huml,  links  (Foto: ČTK)
Stanislav Huml, der heute einem privaten Institut für Verkehrsplanung und Verkehrsberatung vorsteht, war bis vor einigen Jahren selbst noch Polizist und leitete die Verkehrspolizei im Kreis Mittelböhmen. Nach zahlreichen Konflikten mit seinen Vorgesetzten und Kritik am damaligen Innenminister, denen er unkompetente Entscheidungen vorwarf, quittierte er vor gut drei Jahren den Polizeidienst. Auf die Frage, warum das Jahr 2007 in punkto Verkehrsunfälle so unterschiedliche Ergebnisse brachte, antwortet er:

"Mitte des Jahres 2007 wurde erstmals die seit einem Jahr geltende Straßenverkehrsordnung und auch das Punktesystem ausgewertet, und das Zentrum für Verkehrsforschung in Brno / Brünn legte dazu eine tiefgehende Analyse vor. Zu den wichtigsten Schlussfolgerungen gehörte, dass die Verkehrspolizei in der ersten Jahreshälfte weniger präsent war auf den Straßen als sonst, und in einigen Fällen betrug die Zahl der Kontrollen und Sicherheitsaktionen lediglich ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Das hatte anschließend sogar praktische Konsequenzen, die Verkehrspolizei erhielt eine neue Führung und danach waren wieder mehr Polizisten auf den Straßen zu sehen. Bei vielen Autofahrern hat das auch tatsächlich Wirkung gezeigt. Somit hat sich bestätigt, dass das allerbeste Gesetz wenig hilft, wenn es nicht in die Praxis umgesetzt und seine Einhaltung eingefordert wird. Erst dadurch wird das Gesetz mit Leben gefüllt."

Im Zusammenhang mit der Einführung des Punktesystems bei der Bewertung von Verkehrsdelikten im Juli 2006 war seinerzeit eine Art Revolution auf Tschechiens Straßen versprochen worden. Die häufigsten Vergehen, wie Trunkenheit am Steuer, Fahrt ohne Führerschein, Fahrerflucht, Geschwindigkeits-Überschreitungen oder das Telefonieren während der Fahrt, werden seither mit einem abgestuften Punktesystem geahndet. Sobald der Fahrer zwölf Punkte gesammelt hat, wird ihm der Führerschein entzogen.

Fast wäre die erhoffte Revolution dann auch eingetreten – zumindest in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der neuen Straßenverkehrsordnung am 1. Juli 2006, als die Zahl der Unfälle wie auch der Vergehen gegen die Verkehrsregeln dramatisch abzunehmen schien. Gegen Ende des Jahres 2006 kehrte dann aber wieder alles in die alten Bahnen zurück. Warum eigentlich? Hat man die Wirkung des Punktesystems überschätzt und es vielleicht ungerechtfertigter Weise als Allheilmittel gesehen? Dazu meint der Verkehrsexperte Stanislav Huml:

Foto: Europäische Kommission
"Es ist noch ein bisschen komplizierter und zeigt, dass alles mit allem zusammenhängt. Ich erinnere nur, dass es schon vor der Einführung des neuen Punktesystems in der Statistik zu einer Abnahme der Unfälle gekommen war und zwar im Zusammenhang mit einer gewissen Erwartungshaltung bezüglich der neuen Maßnahmen. In den Medien gab es dazu auch eine sehr ausführliche Berichterstattung und es wurde eine groß angelegte Informationskampagne darüber gestartet, was alles sich nach dem 1. Juli 2006 ändern wird. Tatsächlich waren die Unfallstatistiken vor Inkrafttreten der Veränderungen sogar noch positiver als in den ersten Wochen danach. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass dies sicherlich auch eine Folge der damaligen politischen Lage im Land war, in dem es zu einem Regierungswechsel kam und nicht sicher war, ob überhaupt das neue Punktesystem erhalten bleibt. Das Punktesystem war von Anfang an stark angegriffen und kritisiert worden und man muss auch sagen, dass diese Kritik in gewissen Bereichen gerechtfertigt war. In letzter Konsequenz führte dies aber dazu, dass das Gesetz als Ganzes angezweifelt und nicht ernst genommen wurde und eine große Zahl von Verkehrsteilnehmern dann das Gefühl hatte, dass man diese Regeln nicht einhalten müsse. Die Folge waren dann die bereits eingangs erwähnten schlechten Ergebnisse."

In welcher Phase befindet sich nun die Diskussion über eine Novelle der Straßenverkehrsordnung? Wird es zu Änderungen bei der Ahndung der Delikte und einer Lockerung der Punkteregelung kommen? Stanislav Huml:

"Ich hoffe stark, dass die Veränderungen bloß kosmetischer Natur sein werden. Das Gesetz in seiner ursprünglichen Form war nämlich viel zu hart; in einigen Bereichen meiner Ansicht nach sogar unnötig hart. Die gröbsten Fehler sind nun bereits mit Hilfe einer technischen Novelle beseitigt worden. Im Rahmen einer zweiten Runde sollte man jetzt nur noch so etwas wie eine Feinjustierung vornehmen, damit dieses Gesetz nicht mehr nur ausschließlich auf Repression ausgerichtet ist, sondern auch auf die Erziehung der Fahrer. Denn ich denke, dass das Punktesystem an sich in erster Linie erzieherisch wirken sollte."

In der jüngst präsentierten Statistik wurde wieder einmal die Gruppe der jungen Autofahrer als die risikoreichste bezeichnet. Demnach waren die Fahrer bis 34 Jahre an 51 Prozent der Unfälle mit Todesfolge beteiligt. Somit stellt sich auch die Frage, ob es neben den verstärkten Verkehrskontrollen auf den Straßen und dem Punktesystem nicht auch Änderungen bei der Ausbildung in den Fahrschulen geben sollte? Gibt es dazu bereits entsprechende Überlegungen? Verkehrsexperte Stanislav Huml:

"Gegenwärtig wird an einer Änderung des Gesetzes über Fahrschulen gearbeitet und ich selbst bin Mitglied einer solchen Kommission. Wir stehen in der Tat vor großen Veränderungen auch in diesem Bereich. Das Ziel der ganzen Bemühungen muss sein, etwas weniger auf Repression und verstärkt auf die Erziehung der künftigen Autofahrer zu setzen. Eine der Neuerungen könnte der so genannte Führerschein auf Probe sein, den es in einigen europäischen Ländern bereits erfolgreich gibt. Einer der Wege könnte auch das Streichen von Strafpunkten sein, wenn der Autolenker sich bereit erklärt an einem Kurs für sicheres Fahren teilzunehmen. Ein Verkehrssünder, der sich den zwölf Punkten nähert und dem der Führerscheinentzug droht, könnte ebenfalls dafür belohnt werden, wenn er sich bereit erklärt, freiwillig einen Verkehrspsychologen aufzusuchen und mit ihm zusammen seine Verstöße gegen Verkehrsordnung zu analysieren. Es könnte also auf diese Weise zu einer Besserung kommen, und das ist meiner Meinung nach der richtige Weg."