„Verdrängte Elite“ – Ausstellung über vergessene Wissenschaftler der Deutschen Universität in Prag
Seit 2008 arbeitet in Prag das so genannte Collegium Europaeum, ein gemeinsames Forschungszentrum der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität und des Philosophischen Instituts der Akademie der Wissenschaften. Diese Forschungsstelle für politische und kulturelle Identität Europas veranstaltet regelmäßig wissenschaftliche Kolloquien, gibt die Editionsreihe Europaeana Pragensia zur europäischen Ideengeschichte heraus und beteiligt sich an weiteren Veranstaltungen. Als jüngstes Projekt des Collegium Europaeum wurde in dieser Woche die Ausstellung „Verdrängte Elite - vergessene Wissenschaftler der Deutschen Universität in Prag“ eröffnet. Radio Prag hat auf der Vernissage mit ihrem Autor, dem Historiker Petr Hlaváček, gesprochen.
„Diese Idee entstand schon im Jahr 2009. Wir wollten an eine weniger bekannte Seite des Universitätslebens in Prag erinnern. Wir wissen alle, also wir Akademiker, dass es in Prag nicht nur die tschechischsprachige Karlsuniversität gegeben hat, sondern auch diese deutschsprachige Universität, und in der Zwischenkriegszeit auch andere Universitäten wie die russische und ukrainische. Am Anfang dieser Ausstellung stand vor allem die Idee, den Studentinnen und Studenten zu zeigen, dass das Prager akademische Leben in der Zwischenkriegszeit bunter war, als wir es heute in den Köpfen haben.“
Welchen Wissenschaftlern gilt konkret die Ausstellung?„Es geht um eine Präsentation von Wissenschaftlern beziehungsweise Wissenschaftlerinnen jüdischer Abstammung. Das sind Leute aus allen Fächern der damaligen philosophischen Fakultät der Deutschen Universität, von Indologen, über Historiker und Ethnologen, bis zu Linguisten. Eine Persönlichkeit möchte ich besonders erwähnen, und zwar Käthe Spiegel. Sie ist die einzige Frau in der Ausstellung. Sie war eine Aktivistin in der Frauenbewegung der damaligen Tschechoslowakei und Historikerin. Eine emanzipierte Frau, die nicht nur an der Universität, sondern auch in verschiedenen Vereinen in Prag tätig war. Sie wurde 1942 in Lodz / Litzmannstadt ermordet. Viele Professoren fanden Exil in den USA, in Israel, in Palästina oder in Großbritannien, aber nicht alle hatten leider dieses Glück. Sehr viele wurden ermordet.“
Wir sprechen von der Zwischenkriegszeit. Wie war eigentlich damals das Verhältnis zwischen der Karlsuniversität und der Deutschen Universität in Prag: Gab es da Zusammenarbeit, gemeinsame Forschungsbereiche, oder gingen die Wege eher auseinander?„Ehrlich gesagt, die Deutsche Universität in Prag war eine kleine Universität, dennoch war sie sehr aktiv und für das deutschsprachige Milieu in Prag oder allgemein in Mitteleuropa sehr wichtig. Aber nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 kam es zu Zwiespalt und zu Problemen. Die deutsche Universität durfte nicht mehr den Namen Karlsuniversität nutzen. Sie hieß bloß Deutsche Universität, sie wurde aber aus den öffentlichen Finanzen unterstützt. Damals gab es auch einige Streitigkeiten, zum Beispiel um die Universitätsinsignien oder um das Karolinum als Hauptaula der Universität. Aber diese beiden Universitäten existierten doch friedlich zusammen bis zum Jahr 1938. Danach ließ sich ein großer Teil der Professoren und Wissenschaftler der Deutschen Universität von dem Nationalsozialismus beeinflussen. Aber ein Drittel von ihnen war immer sehr liberal, das waren die Prager Juden beziehungsweise mitteleuropäische Juden, und sie waren damals auch für die tschechoslowakische Demokratie von großer Bedeutung. Deshalb halte ich diese Tradition für sehr wichtig, auch für heute, für uns. Gerade in dieser Zeit.“