„Verfassungsgericht ist keine Zweitregierung“ – „Weg mit Steuerprivilegien für Reiche“
Die Mitte-Rechts-Koalition hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und unter Ausrufung des legislativen Ausnahmezustandes ihr Sparpaket für den Haushalt 2011 durchgedrückt. Sehr zum Ärger der Opposition, die einen politischen Skandal wittert und eine Verfassungsbeschwerde in Aussicht stellt. Stoff genug also für die Kommentatoren der tschechischen Tageszeitungen.
„Das Instrument des ‚legislativen Notstandes’, mit dem die Regierung die Sparpakete durchsetzt, ist kein besonders erbaulicher Weg, wie man diese Gesetze durch die beiden Parlamentskammern treiben kann, noch bevor im Oberhaus die neu gewählten Vertreter der Linken die Macht übernehmen. Die Regierung sollte sich hinter der Zeitnot, mit der sie argumentiert, nicht verstecken, sondern sich vielmehr dafür schämen, sie ist schließlich ihr eigenes Werk. Die unpopulären Gesetzesvorschläge hätte sie früher vorlegen können und nicht erst nach den zweitrangigen Wahlen.“
Aber auch mit Kritik an den Sozialdemokraten, die mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die von der Regierung durchgepeitschten Spargesetze vorgehen wollen, spart Kommentator Kaiser nicht:
„Wenn die Sozialdemokraten glauben, sie können durch die Richter in Brünn ihre Wahlverluste vom Mai aufheben, befinden sie sich in einer gefährlichen Gemütslage. In dem Augenblick, in dem das Verfassungsgericht den politischen Willen der Regierung aufzuheben beginnt, entsteht eine Doppelregierung.“
Mit der Frage, ob überhaupt so hart gespart werden muss, beschäftigt sich Petr Uhl in der Právo:
„Ja, zu sparen ist notwendig. Aber der Gedanke, dass man gleichzeitig mit den Kürzungen auch die Steuern anheben muss, setzt sich bisher in der Regierung nicht durch. (…) Dabei ist die konsolidierte Steuerquote in Tschechien mit 33,4 Prozent eine der niedrigsten in ganz Europa; sie liegt sechs Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Tschechien könnte schon mit einer Anhebung der Gesamtsteuerquote auf 37 Prozent einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, ganz ohne Streichungen.“
Besonders aufregen würde die Bürger, dass die Regierung nicht einmal die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge abschafft, die Spitzenverdienern ab einem Einkommen von umgerechnet rund 6000 Euro im Monat gewährt wird. Die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten habe die Streichung dieses Reichen-Privilegs zwar in ihrem Wahlprogramm, könne sich in der Koalition aber offenbar nicht durchsetzen, meint Petr Uhl in der Právo.