Vision des Karlsbrückenmuseums liegt im Moldauschlamm verborgen
Karl IV. verdankt Prag neben der Universität auch zahlreiche Baudenkmäler. Zu den unter den Prag-Besuchern populärsten gehört die Brücke, die Jahrhunderte lang die Prager westlichen und östlichen Städte beziehungsweise Stadtteile verbindet. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Brücke nach ihrem Begründer Karl. IV. benannt. Der Herrscher nahm den Brückenbau sehr ernst. Die Astrologen haben den genauen Zeitpunkt für die Brückengründung ausgerechnet. Anlässlich des bevorstehenden runden Jubiläums der Brücke wurde am Fuße der Brücke in der Prager Altstadt ein Museum eröffnet, das sich auf die Geschichte dieser Sehenswürdigkeit konzentriert. In der vergangenen Ausgabe des Spaziergangs durch Prag haben wir Sie in das neue Museum eingeladen. Wie wir versprochen haben, setzen wir die Führung durch die Ausstellungsräume heute fort.
Nach einer Stippvisite in der Bauhütte kommt man in einen Raum, wo man ein Modell der Prager Burg bewundern kann. Der Prager Archäologe Zdenek Dragoun stellte es vor:
"Aus dem Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften wurde dieses große Modell ausgeliehen. Es stellt die Prager Burg und das Gebiet unterhalb der Burg im 10. Jahrhundert dar. Aus den schriftlichen Quellen wissen wir, dass es damals schon eine Holzbrücke gab. Diese wird hier gezeigt."
Auf Initiative der Königin Judith wurde in den Jahren 1152 - 1172 eine steinerne Brücke erbaut, die nach ihr benannt wurde. Einen Teil des Basaltpflasters von der Judithbrücke kann man im Museum bewundern. 1342 wurde diese Brücke stark beschädigt und danach nur provisorisch repariert. Die unter Karl IV. gebaute Brücke beginnt auf der Kleinseite zwischen den beiden umgebauten Türmen der Judithbrücke. Auf der Altstädter Seite entstand dann einer der schönsten spätgotischen Türme überhaupt. Er wurde mit vielen Plastiken geschmückt.
Im Raum, aus dem man einen herrlichen Blick auf die Karlsbrücke hat, kann man die Brücke, das Kreuzherrenkloster sowie die Reste der Judithbrücke auf verschiedenen Stichen sehen. Neben den Stichen macht der Experte auf ein weiteres Gemälde aufmerksam. Es wurde vor kurzem in der Ausstellung "Schlesien - eine Perle der böhmischen Krone" gezeigt."Das Gemälde entstand zwar in der Mitte des 19. Jahrhunderts, aber es wurde nach einer Vorlage gemalt, die wir heute nicht kennen. Interessant ist auf dem Bild der Turm links neben dem Brückenturm. Dies ist der ursprüngliche Turm der Judithbrücke, in dem wir in diesem Raum eigentlich stehen."
Reste der Judith-Brücke kann man im Moldauarm unter der Karlsbrücke sehen. Wenn man im soeben beschriebenen Ausstellungsraum einige Treppen runtergeht, sieht man ein monumentales Mauerwerk, das eine erhalten gebliebene Seite der Judith-Brücke ist. An einem Modell der Brücke kann man erkennen, dass sie nicht geradeaus führte. Nach den Gründen fragte ich Zdenek Dragoun.
"Auch die Karlsbrücke führt nicht geradeaus. Es wird beispielsweise vermutet, dass sie deswegen so erbaut wurde, damit man aus einem Turm nicht auf den gegenüber stehenden Turm schießen konnte. Dies wird aber offensichtlich nicht der wahre Grund sein. Die Baumeister mussten den Druck des Flussstroms irgendwie lösen. Deswegen wurde die Brücke ein wenig gebogen, in Richtung stromaufwärts."Die Mitarbeiter des Museums haben vor, die Ausstellung im Museum zu ergänzen beziehungsweise abzuwandeln. Archäologe Zdenek Dragoun verriet mir auch ein weiteres Vorhaben des Museums:
"Wir sind auf folgende Idee gekommen: In der Moldau gibt es große Ablagerungen von Schlamm. Wenn man diesen Schlamm beseitigen würde, würde man zweifelsohne weitere Pfeiler der Judith-Brücke in der Moldau identifizieren können. Es kann sein, dass sie in einem solchen Zustand wären, dass sie von der Karlsbrücke zu sehen wären. Das wäre eine große Attraktion für die Passanten. In einer Broschüre aus den sechziger Jahren habe ich gelesen, dass die Pfeiler ab und zu noch im Wasser zu sehen waren."
Auf der Altstädter Seite ist die Moldau beim normalen Wasserstand etwa ein Meter tief. Darunter ist schon der Schlamm, wie Zdenek Dragoun sagt. Dem Archäologen zufolge würde es sich lohnen, den Schlamm an einer der Stellen abzutragen."Wir wissen, wo die Pfeiler ungefähr sein sollen. Dies kann man heutzutage übrigens genau feststellen. Eine der Visionen, die mit diesem Museum zusammenhängt, ist, dass das, was im Museum an einem Pfeilermodell dargestellt wird - diese Pfeilergründung mit Hilfe eines Spundbodens - realistisch in der Moldau besichtigen zu können. Der Pfeiler und seine Umgebung müssten gereinigt und irgendwie mit durchsichtigen Platten umgeben werden. Das Wasser könnte an dieser Stelle teilweise abgeschöpft werden, um den historischen Pfeiler besser sehen zu können. Und die Leute könnten mit einem Boot bis zu diesem Pfeiler fahren. Dies würde mir gefallen. Das würde ich gern noch erleben."
Es bleibt nur zu hoffen, dass die Vision der Mitarbeiter des Museums mal in die Tat umgesetzt wird. Vielleicht wird es mal Bootsfahrten auf der Moldau geben, bei denen man Reste der Pfeiler der Judithbrücke besichtigen kann. Das Museum der Karlsbrücke ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eingang befindet sich am Kreuzherrenplatz auf der Altstädter Seite der Brücke.
Fotos: Stepanka Budkova