Vom fürstlichen Denar zum seltenen Fünfhellerstück: Streifzug durch die tschechische Numismatik
Die Numismatik ist auf Deutsch die Münzkunde. Das meint zwei unterschiedliche Bereiche – und zwar sowohl die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geld und seiner Geschichte, als auch das Sammeln von Münzen als Hobby. Zdeněk Petráň kann mit beidem dienen, dabei ist er eigentlich Arzt. Aber er gilt als der derzeit herausragende tschechische Numismatiker. Vor kurzem war Petráň zu Gast in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Im Folgenden die interessantesten Passagen zu den Spezifika der böhmischen, tschechoslowakischen und tschechischen Numismatik.
Vor 105 Jahren entstand in Prag die Tschechoslowakische Numismatische Gesellschaft. Sie gilt als die erste Vereinigung ihrer Art hierzulande, die feste Organisationsstrukturen hatte. In ihr waren nicht nur Sammler aus der Tschechoslowakei, sondern auch aus dem Ausland vereint. Ihre Rechtsnachfolgerin wurde dann 1993 die Tschechische Numismatische Gesellschaft. Deren Prager Ableger hat Zdeněk Petráň mitgegründet, er leitet diesen seit 26 Jahren.
Das Hobby, Münzen zu sammeln, ist jedoch bedeutend älter. Sozusagen als erster Numismatiker auf böhmischen Boden gilt Kaiser Karl IV. Was ist dran an der Behauptung, oder ist das nur eine Legende? Petráň sagt:
„Bekannt ist, dass Karl IV. mit Persönlichkeiten der Renaissance in Kontakt stand. Dazu gehörte auch der italienische Dichter Petrarca. Angeblich bot er dem Kaiser als Geschenk eine kleine Sammlung antiker Münzen an, weil er dachte, dass ihm dies gefallen würde. Doch der Herrscher ließ sich wohl nicht begeistern und sammelte lieber die Gebeine von Heiligen. Allerdings gibt es andere böhmische Könige, von denen bekannt ist, dass sie Münzen gesammelt haben. So etwa Rudolf II. oder Maximilian II. Damals gehörte es zum guten Ton, irgendwelche Sammlungen anzulegen. Aber auf Karl IV. traf dies noch nicht zu.“
Die Tschechoslowakische Numismatische Gesellschaft, die konkret am 7. März 1919 ins Leben gerufen wurde, hatte jedoch schon zu Zeiten der k. u. k. Monarchie einige Vorgänger. Zdeněk Petráň erwähnt den ältesten von ihnen:
„Dies war der deutsche Verein für Numismatick in Prag, der 1848 gegründet wurde. Sein erster Vorsitzender war interessanterweise der Polizeipräsident Leopold Johann Nepomuk von Sacher, der Caroline Masoch heiratete. Ihr gemeinsamer Sohn war jener Schriftsteller, aufgrund dessen Werke der Begriff Masochismus entstand. Der zweite Vorsitzende des Vereins war Josef Zeidler, der Abt des Prämonstratenser-Klosters Strahov in Prag. Er legte dort eine große Münzsammlung an. Und heute arbeitet die Numismatische Gesellschaft wiederum gerne mit dem Strahov-Kloster und den Prämonstratensern zusammen. Wir nutzen dort Räume für Vorträge und unterschiedliche Treffen.“
Selbst ist Petráň vor allem ein Fachmann für antike Münzen. Warum aber ausgerechnet diese Spezialisierung?
„Schon als Kind habe ich mich für die Antike interessiert. Mit Begeisterung las ich die griechischen und römischen Sagen. Unter diesem Eindruck wollte ich gerne auch etwas Antikes besitzen. Eine Statue aus dieser Epoche konnte man damals in der kommunistischen Tschechoslowakei nicht so einfach erwerben, eine antike Münze hingegen schon. Denn in manchen Zeiten wurden so viele von ihnen geprägt, dass man sie selbst heute noch auf dem Sammlermarkt für eine zweistellige Kronensumme kaufen kann. Das heißt, dass ein beginnender Numismatiker weiterhin darauf seine Münzsammlung aufbauen kann. Und die römischen Porträts auf einigen Münzen sind wirklich bewundernswert“, so der Numismatiker.
Erfindung des Talers
Gerade mit römischen, griechischen und ebenso frühbyzantinischen Münzen beginnt auch die Geschichte der Zahlungsmittel auf heutigem tschechischem Boden. Sie waren aber Importprodukte. Fachleute vermuten, dass dann die Kelten kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung erstmals auch hier Münzen geprägt haben. Das Mährerreich wiederum kam wohl ohne eigenes Zahlungsmittel aus, wie die Forscher herausgefunden haben.
Daher begann erst im 10. Jahrhundert eine eigenständige Münztradition in Böhmen. Fürst Boleslav I. ließ irgendwann um das Jahr 966 die erste landeseigene Silbermünze, den Denar, prägen. 1325 kam der nächste Meilenstein, als König Johann von Böhmen die erste landeseigene Goldmünze nördlich der Alpen einführte: den Floren – benannt nach dem Gulden aus Florenz.
Numismatische Weltgeschichte schrieben die Zahlungsmittel aus der hiesigen Gegend aber auch – indem sie Ausgangspunkt wurden für den heutigen Begriff Dollar, der nicht zuletzt in den Vereinigten Staaten von Amerika zum Zahlungsmittel wurde. Er geht auf Jáchymov / Sankt Joachimsthal zurück.
„Der Dollar oder Tollar entstand wegen des Erzgebirgsstädtchens Joachimsthal. Die Grafen Schlick ließen dort im 16. Jahrhundert eine schwere Silbermünze prägen. In Anlehnung an den Ortsnamen wurden diese Münzen Joachimsthaler Silbermünzen genannt. Verkürzt wurde daraus Thaler, und der Begriff setzte sich in ganz Europa durch. Genau davon leitete sich dann das Wort Dollar ab“, so Zdeněk Petráň.
Später, als die Böhmischen Länder zur Österreichischen Monarchie gehörten, zahlte man auch hierzulande mit der Krone. Und eigentlich wollte man nach der Gründung des eigenständigen tschechoslowakischen Staates diese Währungsbezeichnung hinter sich lassen. Doch es kam anders. Der Experte:
„Die letzte österreichische Währung seit der Reform von 1892 waren Kronen und Heller. Sie hieß so, weil auf den Geldstücken die Kaiserkrone der Habsburger abgebildet war. Es handelte sich um eine Silberwährung, die auch noch in den Anfangsjahren der Ersten Tschechoslowakischen Republik gültig war. Doch die Staatsführung in Prag wollte eine eigene Währung, um sich definitiv vom verhassten Österreich-Ungarn zu verabschieden. So entstand die Frage, wie man dieses Zahlungsmittel nennen soll. Viele Möglichkeiten wurden dabei erwogen, auch archaische Bezeichnungen wie Groschen oder Denar. Ebenso wurde tschechoslowakischer Franken vorgeschlagen oder Lev, also Löwe, in Bezug auf das tschechische Wappen. Doch diese Bezeichnung stieß hierzulande nicht so auf Begeisterung wie etwa in Bulgarien und Rumänien. Schließlich wurden auch völlig neue Bezeichnungen erwogen wie Sokol, also Falke. Münzen mit diesem Namen wurden sogar probeweise geprägt, um einen Eindruck von ihrem Aussehen zu bekommen. Wie es aber in den Böhmischen Ländern so häufig ist, kam es zu keiner Einigung. Deswegen blieb die Krone das Zahlungsmittel bis zu einer ausstehenden definitiven Entscheidung. Die kam jedoch nie zustande, und so ist uns die Krone erhalten geblieben.“
Raritäten der tschechoslowakischen Krone
Diese Unfähigkeit zur Einigung hat auch zu einem Spezifikum geführt, nämlich der Gestalt der tschechoslowakischen Einkronenmünze…
„Diese wurde so geprägt, dass sie zwar die Zahl eins zeigte, aber keine Währungsangabe. Dadurch wollte man vermeiden, dass man bei der Einigung auf einen neuen Namen plötzlich alle Münzen austauschen müsste. Diese Zwischenlösung aus den 1920er Jahren blieb dann bis 1992 erhalten, als die Tschechoslowakei aufgelöst wurde“, schildert Petráň.
Immerhin können sich Sammler auch über einige Raritäten der tschechoslowakischen Krone freuen. Numismatiker Zdeněk Petráň nennt einige sehr wertvolle Stücke:
„Unsere seltenste Münze ist weiterhin das Fünfhellerstück von 1924, dessen Sammlerpreis sich auf mehrere Hunderttausend Kronen beläuft. Denn einige Münzen wurden in bestimmten Jahren nicht offiziell geprägt, sondern nur versuchsweise und dann in sehr kleiner Auflage. Von dem Fünfhellerstück von vor 100 Jahren gibt es nur einige Dutzend Exemplare, was den Preis auf dem Sammlermarkt natürlich nach oben treibt. Zu den seltenen Stücken gehören ebenso die Zehnkronenmünze von 1933 und die Fünfkronenmünzen von 1937, die für mehrere Zehntausend Kronen gehandelt werden. Bei solchen Münzen droht aber auch, dass sie gefälscht werden.“
So würden unehrliche Anbieter einfach die Jahreszahl einer häufigen Prägung in eines der seltenen Ausgabejahre ändern, sagt Zdeněk Petráň. Aber es sei gerade eine der Aufgaben des Numismatischen Vereins, Sammler so zu beraten, dass sie sich nicht übers Ohr hauen lassen. Zudem gibt der Zusammenschluss auch Kataloge heraus, mit denen man sich selbst informieren kann.
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