Vor 700 Jahren wurde mit Vaclav III. der letzte Premyslide ermordet

Vaclav III.

Am 4. August 1306 ist in Olomouc/Olmütz der letzte männliche Nachkomme des tschechischen Herrscherhauses der Premysliden, Vaclav III., ermordet worden. Der damalige König von Böhmen war seit 1301 auch König von Ungarn und seit 1305 König von Polen. Er starb im Alter von nur 17 Jahren. Mit seinem Tod endete die Herrschaft des Geschlechtes, das erwiesenermaßen seit dem 9. Jahrhundert in Böhmen regierte. Über die bedeutendsten Premysliden spricht Dana Martinova im heutigen Geschichtskapitel mit Prof. Marie Blahova.

Vaclav III.
"Die Premysliden sind im Grunde genommen das erste und leider auch einzige Herrschergeschlecht von Böhmen. Über dessen Anfänge ist nur wenig bekannt. Der erste historisch nachweisliche Premyslide war Borivoj I., der im Jahr 888 oder 889 verstarb. Er war der erste böhmische Fürst, der sich hatte taufen lassen, und zwar am großmährischen Hof. Die Tradition aber leitet die Herkunft der Premysliden von dem sagenhaften Premysl dem Pflüger ab."

Der bestimmt beliebteste böhmische Heilige, dem über Jahrhunderte hinweg eine sehr wichtige Rolle bei der Emanzipation des tschechischen Staates zukam, und zu dem sich die Tschechen bis zum heutigen Tag oft und stolz bekennen, war und ist Fürst Vaclav (zu deutsch Wenzel). Seine stattliche Gestalt kennen auch alle ausländischen Besucher in Prag dank der Reiterstatue von Myslbek auf dem gleichnamigen Wenzelsplatz. Auch Wenzel war ein Premyslide.

"Eine bedeutende Persönlichkeit der Premysliden war der Enkel von Borivoj, Fürst Vaclav. Er regierte zwar nicht lange, da er aufgrund von politischen Konflikten schon 935 auf Veranlassung seines Bruders Boleslav ermordet wurde - dafür aber wurde er gleich nach seinem Tod als Heiliger verehrt. In ihm sahen die Böhmen fortan ihren Landespatron, zu dem sich nicht nur die Premysliden, sondern später insbesondere auch Karel IV. aus der Luxemburger Dynastie bekannten. Zur Regierungszeit von Boleslav I., dem Bruder und auch Mörder von Wenzel, wurde der Staat konsolidiert: Es wurden die Grundlagen der Staatsverwaltung geschaffen, ganz offenbar die ersten Münzen geprägt, und es wurde ebenso das Prager Bistum gegründet."

Borivoj I.
Unter Boleslav I. hat sich das Gebiet des tschechischen Staates merklich, wenn auch nur kurzfristig nach Nordosten ausgedehnt. Dazu muss man wissen, dass der ursprüngliche Staat der Premysliden sich nur um Prag herum erstreckt hat und Prag erst zum Ende des 9. Jahrhunderts zur Residenzstadt der Premysliden wurde. Im Laufe des 10. Jahrhunderts aber kam es zum entscheidenden Bruch, indem die Premysliden ihre Rivalen aus anderen fürstlichen Geschlechtern haben umbringen lassen.

"Von den weiteren Herrschern aus dem Hause der Premysliden hat sich vor allem Vratislav II. hervorgetan (1061-92). Als Verbündeter des römischen Königs und späteren Kaisers Heinrichs IV. hat er sowohl an den Kämpfen im Römischen Reich als auch an der Kaiserkrönung in Rom teilgenommen. Dafür wurde Vratislav der Königstitel verliehen. Näheres zu diesem Ereignis ist nicht bekannt, nur der Fakt, dass seine Krönung in Prag im Jahre 1086 stattfand."

Der Königstitel aber wurde Vratislav nicht auf Erbzeiten erteilt, seine Nachfolger durften sich wieder nur mit dem Fürstentitel schmücken. Das änderte sich erst mit der Regierungszeit von Vladislav II., der sich als ein politisch fähiger Regent erwies. Er engagierte sich sehr in der Reichspolitik von Rom, kämpfte an der Seite von Kaiser Friedrich Barbarossa und für seine Zusage, diesem im Kampf gegen Mailand zu helfen, erhielt er 1158 den Königstitel. Und dieser Titel durfte fortan auch auf seine Nachkommen übertragen werden.

Reiterstatue des Fürsten Vaclav/Wenzel auf dem Wenzelsplatz in Prag
"Seit der Herausgabe der Goldenen Bulle des sizilianischen Kaisers Friedrich II. im Jahre 1212 gab es über die Königswürde der böhmischen Herrscher schon keine Zweifel mehr. Auch die politische Situation in Böhmen selbst hatte sich gefestigt und die wirtschaftliche Lage im 13. Jahrhundert führte dazu, dass der tschechische Staat nun eine bedeutende Stellung in Mitteleuropa einnahm. Die Herrscher von Böhmen hatten Einfluss auf die Reichspolitik; Premysl Otakar II. kandidierte sogar für den kaiserlichen Thron, wenn auch erfolglos. In einer Katastrophe aber endete sein Bestreben, die österreichischen Länder zu gewinnen. Sie führten zum Krieg mit dem Römisch-deutschen König Rudolf von Habsburg und zum Tod von Premysl Otakars II. bei der Schlacht auf dem Marchfeld bei Dürnkrut im Jahre 1278."

Was folgte war der Zerfall des tschechischen Staates, da er einige Jahre lang keinen ordentlichen Herrscher hatte. Zur allmählichen Erneuerung des Staates kam es erst nach der Thronbesteigung durch Vaclav II., der eine hervorragende Politik der Expansion betrieb. Im Jahre 1300 gewann er die polnische Krone und im Jahre 1301 die ungarische Krone für seinen Sohn Vaclav III. Der vielversprechende Aufschwung wurde jedoch durch seinen frühen Tod im Jahr 1305 jäh gestoppt. Die Herrschaft der Premysliden ging danach schnell zu Ende. Durch die Hand eines bis heute unbekannten Mörders wurde nämlich am 4. August 1306 mit Vaclav III. der Letzte der Premysliden ermordet. Es geschah in Olomouc / Olmütz, wo Vaclav III. auf seinem Kriegsfeldzug nach Polen Rast gemacht hatte. Diese Tat war nicht nur gleichbedeutend mit dem Ende der langen Herrschaft der einzigen tschechischen Dynastie in Böhmen, sondern auch mit einer langfristigen Unterbrechung der Blüte des tschechischen Staates.

Vaclav III.
"Im 13. Jahrhundert, also in der Zeit der letzten Premysliden, kam es in Böhmen vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem ungewöhnlichen Aufschwung. Damals erlebte die Besiedelung der bisher noch ungenutzten Böden ihren Höhepunkt. Auf Einladung des Königs kamen Siedler aus den Nachbarländern, besonders Deutsche, die moderne wirtschaftliche Methoden einführten. Dadurch hat sich die Agrarproduktion außergewöhnlich erhöht. Sehr wichtig waren in diesem Zusammenhang die Gründung von Städten sowie der Erzbergbau. Insbesondere durch den Silberbergbau war es gelungen, den tschechischen Staat als solchen in Europa zu exponieren. Er ermöglichte es auch, im Jahr 1300 mit dem Prager Groschen eine hochwertige Münze zu prägen."

Prag
Die erste Siedlung, die das Stadtrecht bekam, war Unicov. Eine sehr bedeutende Ansiedlung war natürlich Prag. Die heutige Moldaumetropole entwickelte sich auf sehr natürliche Weise zu einer Stadt. Bis heute unbekannt ist jedoch ein konkretes Datum, ab dem man Prag als Stadt bezeichnete. Daher werden für gewöhnlich die 30er Jahre des 13. Jahrhunderts, als die Befestigung der Alten Stadt Prags errichtet wurde, als Beginn des städtischen Charakters von Prag zitiert. Gegründet wurden aber ebenso zahlreiche andere Städte wie Ceske Budejovice / Budweis, Plzen / Pilsen, Policka, Brno / Brünn, Olomouc / Olmütz und zum Ende des 13. Jahrhunderts auch Kutna Hora / Kuttenberg, wo das Silber gefördert wurde. Nicht zu vergessen ist Jihlava / Iglau, das nach der Entdeckung von Silbererzvorkommen zur königlichen Bergstadt ernannt wurde.

Karl IV.
"Der ökonomische Wandel schlug sich auch positiv im politischen Bereich nieder. Die Könige von Böhmen konnten sich eine großzügige Politik leisten, auch wenn sie es damit manchmal übertrieben haben. So waren zum Beispiel die Schulden sehr hoch, die Vaclav II. mit dem Gewinn der polnischen und der ungarischen Königskrone gemacht hatte. Sie konnten nie abbezahlt werden. Das Aufblühen des Staates kam auch auf kulturellem Gebiet zum Ausdruck. Der Prager Hof war damals in ganz Mitteleuropa berühmt. Hierher kamen viele Künstler und Minnesänger sowie verschiedene Fachmänner wie Theologen, Juristen, Astronomen und Astrologen, die von den spanischen Verwandten der Premysliden entsandt wurden. Einen Aufschwung verzeichneten auch die bildende Kunst und die Architektur."

Es ist schwer einzuschätzen, in welche Richtung der tschechische Staat gegangen wäre, wenn es nicht zur Ermordung von Vaclav III. gekommen wäre. Allerdings ist es nötig zu sagen, dass die nachfolgende Regierung der Luxemburger ziemlich nahtlos an die Zeit der Premysliden angeknüpft hat und dass Karl IV. einige der Ideen, die schon sein Großvater Vaclav II. realisieren wollte, dann auch umgesetzt hat. Zu diesen Ideen gehört zum Beispiel der Plan, eine Universität zu gründen. Aber das ist schon ein Thema für ein weiteres Geschichtskapitel...