Wagt Tschechien die Herdenimmunität?

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Herdenimmunität statt Restriktionen? Der tschechische Chefepidemiologe Roman Prymula fordert überraschend eine Kehrtwende bei den Maßnahmen gegen Covid-19. Die Politik ist davon jedoch wenig begeistert. Dennoch wagt sie in dieser Woche erste Schritte in Richtung Normalität.

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Roman Prymula  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Die tschechischen Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Coronavirus sind besonders restriktiv. Das Land ist abgeriegelt, und das öffentliche Leben läuft auf Sparflamme. Ziel der Einschränkungen ist, dass möglichst wenige Menschen sich mit dem Erreger infizieren. Doch nun fordert der tschechische Chefepidemiologe Roma Prymula eine Kehrtwende, auch wenn er bis vor kurzem noch als Corona-Hardliner galt. In einem Interview für den Internetfernsehsender DVTV sagte er:

„Sofern man die Risikogruppen schützen kann, sollte der Rest der Bevölkerung der Krankheit ausgesetzt werden. Das betrifft natürlich nicht alle Menschen hierzulande, aber sicher diejenigen, bei denen der Verlauf nicht schlimmer wäre als bei einer Grippe. Vor allem bei Jüngeren und Bürgern ohne Vorerkrankung dürfte es da kein Problem geben.“

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Der ehemalige Chef des Corona-Krisenstabs will also auf Herdenimmunität setzen anstatt auf Restriktionen. Das Kabinett von Premier Andrej Babiš hält jedoch wenig von dem Vorstoß Prymulas. So sagte der Ano-Regierungschef gegenüber Medien:

„Ich denke, dieser Weg ist sehr riskant. Ich selbst bin kein Epidemiologe, weshalb die zentrale epidemiologische Kommission ein solches Konzept bewerten müsste. Ich persönlich kann mir das aber nicht vorstellen, denn wir setzen auf eine Eliminierung des Erregers und einen aktiven Kampf gegen weitere Ansteckungen. Dazu bereiten wir auch das Projekt der ‚smarten Quarantäne‘ vor.“

Deshalb soll weiterhin der Notstand gelten und ein Großteil der Einschränkungen in Kraft bleiben. Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) ist mit seiner Ablehnung der Herdenimmunität vorsichtiger, denn immerhin hatte man sich in dieser Woche auf erste Lockerungen geeinigt:

„Da die Einschränkungen schrittweise zurückgenommen werden, kommt es möglicherweise zu vermehrten Ansteckungen in der Bevölkerung. Das wäre dann eine natürliche Form der Immunisierung der Menschen hierzulande.“

Karel Havlíček  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Tatsächlich sind ab Dienstag Sportstätten im Freien wieder offen, und man darf wieder ohne Mundschutz Fahrrad fahren und joggen. Dabei muss man aber auch weiterhin einen Sicherheitsabstand von zwei Metern halten. Außerdem sollen in dieser Woche weitere Läden wieder öffnen dürfen. Darunter Wertstoffhöfe, Hobby- und Baumärkte sowie Eisenwarenhandlungen oder Fahrradgeschäfte. Dazu Wirtschaftsminister Karel Havlíček (parteilos):

„Einige Läden können schon am Dienstag öffnen. Später hätte das keinen Sinn gemacht, da ab Freitag schon die Osterfeiertage beginnen. Wir können nicht ausschließen, dass im Laufe dieser Woche noch weitere Branchen dazukommen.“

Eine weitere große Lockerung könnte unmittelbar nach Ostern kommen. Ab 14. April soll es Tschechen wieder gestattet sein, unter gewissen Umständen ins Ausland zu reisen. Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) betont aber, dass damit keine Urlaubsreisen gemeint seien:

Jan Hamáček  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
„Im Grunde ändert sich das derzeitige Grenzregime nicht. Die Bewegungsfreiheit ist nur in dem Umfang garantiert, wie sie es schon im Inland ist. Das bedeutet, dass sie nur in Ausnahmefällen gestattet ist. Man darf also nur mit triftigem Grund ins Ausland fahren.“

Konkret heißt das: Eine Ausreise ist aus beruflichen oder wichtigen persönlichen Gründen möglich. Bei der Rückkehr müssen Tschechen und Ausländer mit festem Wohnsitz im Land dann aber zwei Wochen lang in Quarantäne.

Weitere Lockerungen dürften jedoch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Denn das Gesundheitsministerium will in den kommenden Tagen einen Fahrplan zum Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen präsentieren.