Weg mit dem Speck! Wie bewegungs(un)freudig sind die Tschechen?

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"Weg mit dem Speck!" Auf Plakaten und den Titelseiten von Zeitschriften ist zu lesen, was vielen Menschen jedes Jahr im Frühling blüht: Die Erkenntnis nämlich, dass die sorgenlose Völlerei und das gemütliche Stubenhocken im Winter sichtbare Spuren hinterlassen haben. Der Ansturm auf die Fitness-Studios in den ersten Monaten des Jahres aber täuscht, denn: Die tschechische Bevölkerung gehört im EU-Vergleich nicht gerade zu den "Spitzensportlern". Zumindest nicht aktiv. Sandra Dudek berichtet, wie es die Tschechen mit dem Sport halten:

Foto: Archiv Radio Prag
Die Eishockey-WM in Österreich ist in vollem Gange und auf den Parkplätzen finden sich auch viele Autos mit tschechischen Kennzeichen. Eishockey gilt als der tschechische Nationalsport schlechthin und wer nicht vor Ort sein kann, verfolgt die Spiele zumindest am Bildschirm zu Hause. Während aber die Fans "ihre" Mannschaft leidenschaftlich anfeuern, sieht es mit der eigenen Leidenschaft zu körperlicher Bewegung dann doch etwas anders aus: Laut Angaben des Statistischen Gesundheitsamtes fährt ein Drittel der Tschechinnen und Tschechen mit dem Auto zur Arbeit oder legt einen Fußweg von nicht einmal 15 Minuten zurück. Die Hälfte von ihnen verbringt acht oder mehr Stunden am Schreibtisch. Und der Abend wird, wenn schon dem Sport, dann doch bevorzugt dem Passiv-Sport gewidmet. Obwohl dieser Lebensstil durchaus in ganz Europa verbreitet ist, gibt es dennoch Unterschiede. Dazu Lumír Komárek, Leiter des Zentrums für Gesundheit und Lebensbedingungen im Staatlichen Gesundheitsamt:

"Bei uns ist die Situation schlimmer als in den westeuropäischen Ländern. In den Ländern Mittel- und Osteuropas ist die Situation generell schlimmer. Eine vor zwei Jahren im Rahmen des Cindi-Programms durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass sich in den westeuropäischen Ländern 27 Prozent der Leute intensiver Bewegung widmen und bei uns sind das nur 13 Prozent."

Im EU-Vergleich sind die Schweden und Finnen am sportlichsten, währenddessen die Menschen im Süden, wie etwa in Griechenland oder Portugal, sich nicht besonders dem Freizeitsport widmen. Ausnahmen bilden dabei die neuen Mitgliedstaaten Malta, Zypern und Slowenien: Die sportliche Aktivität der Bevölkerung liegt dort weit über dem EU-Schnitt. Vier von zehn EU-Bürgern haben laut einer Meinungsumfrage der Europäischen Kommission im Jahr 2004 mindestens einmal die Woche Sport getrieben. Dies aber gilt nicht für die tschechische Bevölkerung und der Bewegungsmangel hat zunehmend sichtbare Folgen, wie Lumír Komárek vom Statistischen Gesundheitsamt weiter ausführt:

"Auf der ganzen Welt ist die Fettleibigkeit ein Problem. Bei uns hat in etwa die Hälfte der Bevölkerung Übergewicht, 30 Prozent sind fettleibig."

Dass die Sommergarderobe vom letzten Jahr nicht mehr passt, ist aber nur ein unerwünschter Nebeneffekt von zu wenig Bewegung. In Kombination mit ungesunder Ernährung kann sie zu schwerwiegenden Krankheiten führen, wie beispielsweise Herz- und Gefäßerkrankungen, die die häufigste Todesursache in der Tschechischen Republik sind. Hinsichtlich der Ernährung hätte sich aber, so Komarek, seit der Wende vieles geändert:

"Deutlich ist der Verbrauch an Schweinefleisch gesunken, dafür hat sich der Verbrauch von Fisch und weißem Fleisch deutlich erhöht. Die Ernährung hat sich also sehr geändert. Man orientiert sich auch immer mehr an Westeuropa, vor allem jene Menschen, die ins Ausland fahren und feststellen, dass die ausländische Küche, insbesondere die mittelmeerländische, sehr gut und schmackhaft ist."

Informationsarbeit im Bereich Ernährung ist eines der Aufgabengebiete des Zentrums für Gesundheit und Lebensbedingungen des Staatlichen Gesundheitsamts. In Kooperation mit dem tschechischen Gesundheitsministerium obliegt ihm die methodische und fachliche Koordination verschiedenster Projekte zur Unterstützung der Gesundheit durch Prävention. Viele dieser Projekte sind grenzüberschreitend, wie beispielsweise das so genannte Cindi-Programm der Weltgesund­heitsorganisation, das auf die Vermeidung nicht-infektiöser Krankheiten ausgerichtet ist. Eine dieser Krankheiten, nämlich Übergewichtigkeit samt seiner Folgen, könne durch Vorbeugung vermieden werden, meint der Leiter des Zentrums Lumír Komárek. Daher werde besonderer Wert auf körperliche Betätigung gelegt:

"Gerade jetzt haben wir ein Programm von gesamtnationaler Wirkung beendet, das "Bring´ Dein Herz in Bewegung!" hieß. Dieses Programm lief in den letzten zwei Jahren und war eine Kampagne zur Erhöhung der aktiven Bewegung."

Es genüge eben nicht, nur gesund zu essen, man müsse sich auch ausreichend bewegen. Und die Motivation dazu sei das Ziel dieser Kampagne gewesen, so Komárek:

"Der Sinn war, in höchstmöglichem Maß die Leute zu motivieren und darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die Bewegung ist."

Dass die Motivation zur körperlichen Betätigung an erster Stelle steht, mag zwar verwundern, doch handelt es sich auch hierbei um einen allgemeinen Trend: Die Menschen werden träger. Immerhin begründet ein Drittel der EU-Bürger ihre Unsportlichkeit damit, keine Zeit für Sport zu haben. Andererseits jedoch wird immer mehr Zeit vor dem Fernseher oder, seit Beginn des Computerzeitalters, im Internet verbracht. Dieser Entwicklung möchte die Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem global ausgerufenen Motto "Bewegung, Ernährung und Gesundheit" entgegenwirken. Im nächsten Programm des tschechischen Zentrums für Gesundheit und Lebensbedingungen steht daher neben der Bewegung auch die Ernährung im Mittelpunkt: Die für das kommende Jahr geplante Aktion trägt den Titel "Prijmi a vydej", also: "Nimm auf und gib ab". Dazu Lumír Komárek:

"Das heisst, dass der Mensch, soviel Energie, wie er aufnimmt, auch in irgendeiner Art wieder abgeben soll. Das ist wiederum eine Motivation zur Bewegung. Jeder Mensch sollte sich dessen bewusst werden, wenn er ein bisschen mehr isst, dass er das dann auch wieder durch Sport abbauen soll."

Finanziert werden die Projekte des Zentrums für Gesundheit und Lebensbedingungen unter anderem vom tschechischen Gesundheitsministerium, das im Rahmen von Förderprogrammen Zuschüsse gewährt:

"Das ist jedes Jahr ein Beitrag von ungefähr 14 Millionen Kronen, die in Form von so genannten Teilförderungen vergeben werden. Natürlich laufen die Programme auch, wenn es nicht genug Fördergelder gibt. Das Geld also reicht nicht aus, um alles abzudecken."

Den fehlenden Betrag bestreiten Sponsoren, die für die einzelnen Projekte gewonnen werden, aber auch Städte und Gemeinden.

90 Prozent der EU-Bürger sind der Meinung, dass durch sportliche Tätigkeit Übergewicht vorgebeugt werden kann, trotzdem betreiben mehr als die Hälfte keinen regelmäßigen Sport. Neben dem Argument, keine Zeit zu haben oder Sport nicht zu mögen, spielt in manchen Fällen auch die Angst vor Sportverletzungen eine Rolle. Diese können durchaus langwierig sein und auch monatelang dafür sorgen, dass sich der betroffene Mensch gar nicht sportlich betätigen und auch sonst mühsam bewegen kann, wie beispielsweise der Wohn-Designer Tomás Janácek, dessen Snowboardurlaub lange Folgen nach sich zieht:

"Es ist mir im Dezember passiert, jetzt ist schon Mai, das heißt, es ist schon fünf Monate her. Ich rechne noch mit 14 Tagen Rehabilitation, dann noch eine Operation, eine weitere Rehabilitationszeit, das dauert in etwa noch eineinhalb bis zwei Monate."

Mit der Antwort auf die Frage, ob er sich je wieder sportlich betätigen werde, zögert er aber keine Sekunde:

"Zweifellos. Auch trotz der Unfälle, ich bin einfach ein aktiver Mensch, ich muss mich bewegen."

Auch laut Lumír Komárek vom Zentrum für Gesundheit und Lebensbedingungen soll Freude an der Bewegung die größte Motivation sein, Sport zu betreiben.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt