Wie ein Urwald entsteht

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Jahrtausende befand sich der Mensch im ständigen Kampf mit der Natur. Doch in den letzten Jahrzehnten ist aus dem Kampf gegen die Natur ein Kampf für die Natur geworden. In Ostböhmen soll im nächsten Jahrhundert ein Urwald entstehen - für die Natur und für die nachfolgenden Generationen. Mehr darüber von Christian Rühmkorf.

In dieser Woche beginnen intensive Verhandlungen über die Entstehung eines Urwaldes im Gebiet Lichnice nahe der ostböhmischen Stadt Chrudim. Es handelt sich um eine Fläche von dreißig Hektar, die ihrer natürlichen Entwicklung überlassen werden soll. Da in diesem Gebiet seit längerer Zeit keine Rodungen mehr durchgeführt wurden, bietet es eine gute Grundlage für die Entstehung eines einzigartigen Biosystems. Welche Vorteile ein solcher Urwald mit sich bringt, das erklärt uns der Direktor des Naturschutzgebietes Zelezna hora, Frantisek Barta:

"Vor allem ist es wichtig die genetischen Strukturen des Waldes zu erhalten; das betrifft in erster Linie die Artenvielfalt der Pflanzen. Es ist keine Monokultur und das soll es auch nie werden. Im Gegenteil, es wird ein Mischwald. Wir finden hier von den Eichen in den höheren, wärmeren Lagen bis hin zu Fichten in den kühleren Tallagen verschiedenste Baumbestände - Tannen, Buchen, Linden und Kiefern. Dieser vielfältige Bestand soll geschützt werden und sich gleichzeitig weiterentwickeln. Das heißt, der Wald soll in einen Zustand versetzt werden, in dem es ein natürliches Nebeneinander von jungen Sämlingen, größeren Baumbeständen bis hin zu hundert, zweihundert Jahre alten Bäumen gibt, die dem natürlichen Verfall überlassen werden."

Der Vertrag, der zwischen den staatlichen "Wäldern der Tschechischen Republik" und der "Agentur Natur und Landschaft" abgeschlossen werden soll, hat eine große Chance, tatsächlich zustande zu kommen. Nicht zuletzt sind die Bedingungen vor Ort gut: Aufgrund des geringen Fichtenbestandes droht keine Borkenkäferplage. Ein Urwald in der geplanten Form bringe keine Probleme mit sich, so der Direktor des Naturschutzgebietes Zelezna Hora:

"Im Falle der örtlichen Gegebenheiten kann ich keine Nachteile sehen, gerade weil das vorgesehene Waldgebiet ökonomisch uninteressant ist. Hier Holzwirtschaft zu betreiben, wäre kompliziert und zu teuer. Das Holz würde sich nicht bezahlt machen."

Naturliebhaber brauchen nicht zu fürchten, dass sie in das einmalige Waldgebiet keinen Fuß mehr setzen dürfen. Alle Wander- und Radwege werden erhalten bleiben. Dabei sind jedoch die üblichen Regeln einzuhalten, sagt Frantisek Barta. So darf man sich zum Beispiel nicht außerhalb der vorgeschriebenen Wege aufhalten und auch keine Waldfrüchte sammeln.

Der endgültige Vertrag über die Entstehung des Urwaldes soll innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden. Danach wird ein einzigartiges, vom Menschen unberührtes Biosystem entstehen. Motorsägen wird man nur dann kreischen hören, wenn sich ein Baum quer über einen Weg gelegt hat. Frantisek Barta erklärt, warum ein Urwaldgebiet dieser Art angelegt werden soll:

"Ziel ist es, die wertvollsten Waldbestände Tschechiens für zukünftige Generationen in unberührtem Zustand zu erhalten. Die Natur soll Natur bleiben, mit allen Lebewesen, die zum Ökosystem Wald gehören."