Wie Stadtführer das Gruseln lehren
Prag ist wegen seiner Architektur und seines Charmes bei Touristen aus aller Welt äußerst beliebt. Sie nehmen an den zahlreich angebotenen Stadtführungen teil, ohne zu wissen, dass hinter den Fassaden meist weit mehr existiert. Katrin Müller berichtet.
Für Nachtaktive, die ihren Mut auf die Probe stellen wollen und dabei auch Wissenswertes über die Geschichte Prags erfahren möchten, gibt es die Geistertour. Dreimal abendlich nimmt der kundige Geisterjäger Ivan die Abenteuersuchenden mit auf die Spur von rast- und kopflosen Jungfrauen und Henkersmännern.
"Die Geistertour ist ein Rundgang durch das Zentrum von Prag. Es geht um Geister und Gruselgeschichten. Es ist so, dass die meisten Häuser und Statuen im Zentrum von Prag mit irgendeiner Legende oder Geschichte verbunden sind. Für die Leute ist es sehr interessant etwas zu hören, was hinter der gewöhnlichen Geschichte verborgen ist. Die Plätze, die wir besichtigen und über die wir erzählen, sehen ganz unscheinbar und unverdächtig aus. Dahinter jedoch steckt das wahre Gesicht von Prag bei Nacht. Der Rundgang beginnt am Altstädter Ring unter der Astronomischen Uhr, dem Orloj, wo wir uns mit den Leuten unter einem großen gelben Regenschirm als Erkennungszeichen treffen und danach die dunkelsten und geheimnisvollsten Gassen der Altstadt abklappern."Also, los geht´s. Wagemutig habe ich mich aufgemacht, um das Fürchten zu lernen. Am Nachbarn festgeklammert, wird man sogleich mit dem ersten Geist, der seine Untaten im Orloj treibt, konfrontiert. Neben Schauergeschichten gibt es auch Interessantes aus der Geschichte und Amüsantes zum Schmunzeln zu erfahren.
"Wenn wir jetzt alle zusammen zur Theynkirche blicken, dann bemerken Sie, dass die Türme nicht gleich sind, aber der rechte ein bisschen größer ist. Es heißt, dass der größere Adam ist und der kleinere Eva und, dass Adam Eva mit seinem Schatten vor der Sonne schützt."Dann verlassen wir den Altstädter Ring und machen uns auf den Weg zum Henkershaus. Darin wohnte einer der wenigen Männer, denen es im Mittelalter gestattet war, die Straftäter hinzurichten, ohne dafür in die Hölle zu wandern, denn Tötung war unter den streng gläubigen Katholiken jener Zeit der sichere Weg dorthin.
Nach einer Stunde Gänsehaut und Erzählungen von unbekleideten Ehefrauen, die zu Unrecht die ungnädige Strafe ihrer Ehemänner zu spüren bekommen haben und seitdem ruhelos in den Gassen Prags auf ihre Erlösung warten, klingt die Tour auf nicht allzu gruselige Weise aus.
"Am Ende gibt es ein Beruhigungsgetränk, um die nervösen Gemüter zu besänftigen. Die meisten trinken - was denn sonst - Bier. Doch trinkt man mehr als zehn, sieht man danach vielleicht noch ein paar Geister mehr."
Also aufgepasst: Seien Sie das nächste Mal besser auf der Hut, wenn es Nacht wird in Prag.