Wild aufs Wasser: Slalom-Kanute Jiří Prskavec und die Titelverteidigung in Paris
Einer der vielleicht sichersten tschechischen Medaillenkandidaten für die Olympischen Spiele sitzt im Boot: Es ist der Wildwasserkanute Jiří Prskavec. In Tokio gewann er vor drei Jahren Gold im Einer-Kajak (K1), zudem ist er mehrfacher Welt- und Europameister.
Schon seit Anfang Juli bereitet sich Jiří Prskavec in Paris auf das Unternehmen Titelverteidigung vor. Der amtierende Olympiasieger im Einer-Kajak beim Kanuslalom hatte dabei am Samstag vergangener Woche sogar die Ehre, die olympische Flamme ein kleines Stück voranzubringen. Im Wassersportstadion von Vaires-sur-Marne vor den Toren der französischen Hauptstadt war er Teil der Bootsstaffel für die Fackel.
„Es war ein Erlebnis. Bisher habe ich immer nur bei den Eröffnungen der Spiele entweder live vor Ort oder im Fernsehen gesehen, wie die Fackel übergeben wird. Die olympische Flamme hatte ich aber noch nie selbst in den Händen gehalten. Der Augenblick war sehr schön – vor allem auch, weil ich das zusammen mit meinen Sportsfreunden aus anderen Ländern machen konnte, mit den Legenden des Wildwasserslaloms“, sagte Prskavec nur wenige Tage, bevor für ihn der olympische Wettkampf startet. Schon am Dienstag kommender Woche (30. Juli) geht es für den 31-jährigen Kanuten los.
Bereits 2016 in Rio de Janeiro errang der Sportler aus Mělník in Mittelböhmen seine erste olympische Medaille, und zwar Bronze in seiner Lieblingsdisziplin, dem Einer-Kajak. Beim Treffen im Juni während des Weltcup-Wochenendes am Prager Kanal Troja zeigte er sich ziemlich entspannt im Blick auf Paris, trotz des Erfolgsdrucks als Titelverteidiger:
„Ich bin jemand, der den Sport gerade wegen der großen Wettkämpfe betreibt. Die Stimmung an der Strecke hilft dann bei solchen Ereignissen. Es macht einfach mehr Spaß, vor vollen Tribünen zu fahren. Das pusht mich mehr als etwa in Tokio, als wegen der Corona-Pandemie keine Zuschauer an die Strecke durften. Und gerade für uns Wildwasserkanuten bedeuten die Olympischen Spiele das Allerhöchste. Denn nur alle vier Jahre verfolgen wirklich viele Menschen unsere Leistungen. Da will ich natürlich Erfolg haben. Im Lauf der Karriere hat man meist nur zwei- oder dreimal die Möglichkeit, an Olympia teilzunehmen. Deswegen freue ich mich wahnsinnig auf den Wettkampf. Und ja, ich will dort erfolgreich sein. Vielleicht wird es die beste Stimmung überhaupt, die ich bei einem Rennen erleben kann. Aber es ist eben auch das Höchste der Gefühle, dort zu starten. Und meine beste Fahrt will ich natürlich im Finale zeigen.“
Das Höchste der Gefühle
Die tschechischen Kanuten sind ohnehin relativ erfolgreich. Sie steuerten drei der insgesamt zehn Medaillen des Landes bei den Spielen in Tokio bei. Neben Jiří Prskavec‘ Gold war dies Silber durch Lukáš Rohan im Wildwasserslalom der Einer-Kanadier sowie Bronze durch den Rennkanuten Josef Dostál im Zweier-Kanadier (zusammen mit Radek Šlouf) über 1000 Meter. Gerade Dostál hatte auch schon bei Olympia 2012 in London und vier Jahre später in Rio insgesamt drei Medaillen geholt.
Alle drei Genannten träumen auch in Paris von Edelmetall. Ebenso nennen muss man den dreifachen Weltmeister bei den Rennkanuten im Einer-Kanadier Martin Fuksa, der über 500 und 1000 Meter startet, sowie Tereza Fišerová, die im Kajak-Cross antritt – diese Disziplin wird in Paris erstmals olympisch sein.
Die meisten tschechischen Augen dürften aber auf den Slalom-Kanuten Jiří Prskavec gerichtet sein, als Titelverteidiger im Einer-Kajak. Nach Tokio begann er zudem, im Einer-Kanadier durch die Tore zu fahren. In dieser Disziplin reichte es aber nicht für die Olympiateilnahme. Allerdings ist der Kajak-Cross als zweite Medaillenchance hinzugekommen. Was sind also seine eigenen Ziele und seine Herangehensweise für Paris?
„Ich würde sagen, dass ein Erfolg für mich bedeutet, wenn ich zufrieden mit meiner Fahrt bin. Mit dieser Vorstellung bin ich auch bei den früheren Olympischen Spielen in den Wettkampf gegangen. Unser Sport ist nicht wie Judo, wo man im direkten Kampf den Gegner besiegen muss. Sondern wir steigen einer nach dem anderen ins Wasser. Ich habe zwar meine Gegner bei der Europameisterschaft gesehen sowie beim Weltcup in Prag-Troja. Doch das sagt nichts, weil sich diese Kanäle nicht mit dem in Paris vergleichen lassen“, so der Kanute.
Und im Fall der Strecke in Prag betont Prskavec, dass er dort einen Heimvorteil habe und allein dadurch immer einige Sekunden gutmachen könne. Deswegen mag der Titelverteidiger auch nicht über die Stärke seiner Gegner spekulieren und sagt stattdessen:
„Ich weiß, dass ich auch dann zufrieden sein werde, wenn ich eine hervorragende Fahrt mache und im Ziel Fünfter bin. Und andersherum: Mache ich einen Fehler und bin dann Zweiter, werde ich mich ärgern. Nur ungern stecke ich mir Medaillenziele, lieber habe ich persönliche Ziele. Am Wichtigsten ist eine gute Fahrt.“
Unternehmen Titelverteidigung
Das heißt aber keinesfalls, dass Prskavec irgendetwas in der Vorbereitung auf Olympia dem Zufall überlassen hätte. Immerhin bedeuten vier Weltmeister- und elf Europameistertitel eine ziemliche Verpflichtung gegenüber den Erwartungen. Und so wolle er die geographische Nähe zu der Wettkampfstätte in Vaires-sur-Marne maximal nutzen und dort trainieren, sagte der Kanute bereits im Juni am Rand des Weltcups in Prag:
„Als Olympiasieger von Tokio habe ich in diesen Tagen ziemlich viele Medientermine. Zugleich weiß ich, dass ich ab meinem Flug nach Frankreich meine Ruhe haben werde und mich ganz auf das Training konzentrieren kann. Das ist einer der Gründe, warum ich einen ganzen Monat dort verbringen möchte. In der dritten Woche reist auch meine Familie an. Da sich Disneyland ganz in der Nähe der Wildwasserstrecke befindet, werden meine Söhne ihren Spaß haben. Zudem ist die Unterkunft schön. Wir haben ein Haus im Olympischen Dorf, in dem alle tschechischen Slalom-Kanuten untergebracht sind. Die Stimmung im Team ist gut, alles ist sehr angenehm. Ich freue mich schon und hoffe, dass es zu etwas führt.“
Als dann seine Frau Tereza und die Söhne Jiří und Marek zu Besuch waren, wollte der Nachwuchs aber gar nicht in den Vergnügungspark, sondern zur Tour de France. Also fuhr die Familie in den Zielort einer der Etappen des berühmten Radrennens.
Aber zurück zum Wassersportstadion in Vaires-sur-Marne. Dieses ist komplett neu und wurde als erster Bau für Olympia schon 2019 eröffnet. Er könne im Prinzip nichts Schlechtes sagen über die Wildwasserstrecke, meint Jiří Prskavec. Unter anderem brächten dort dieselben Verantwortlichen die Tore in Position, die dies auch für den olympischen Wettkampf machen werden. So habe das Training auf dem Kurs schon im Vorfeld einen Sinn. Und weiter sagt der tschechische Kanute:
„Die Strecke in Paris ist nicht so schwer wie die meisten anderen, auf denen wir in der Welt unsere Rennen fahren. Auf der anderen Seite ist sie nicht sehr viel anders als die in Rio oder Tokio. Diese leichteren Strecken zeichnen die Olympischen Spiele seit einiger Zeit aus. Und jene in Paris ähnelt der in Prag-Troja. Das ist für uns Tschechen natürlich von Vorteil, und wir haben hier auch gleich von Anfang an gut reingefunden.“
Dieser Umstand verleitet Prskavec auch zu einer Medaillenprognose für die tschechischen Slalom-Kanuten: Mindestens zweimal Edelmetall hält er für möglich.
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