Wildes Leben in Prag – neue Tier-Doku in den tschechischen Kinos

Graureiher

Um wilde Tiere zu erleben, muss man nicht an den Amazonas fahren. Es reicht auch, einmal bei sich vor Ort genauer hinzuschauen. Der Filmregisseur Jan Hošek hat das getan und sich dafür in den Großstadt-Dschungel gestürzt. In seiner Doku „Planeta Praha“ zeigt er, wie bunt die Pflanzen- und Tierwelt in Prag ist.

Jan Hošek | Foto: Tschechisches Fernsehen

Es heiße, dass die Stadt ein moderner Dschungel sei. Doch kaum einer wisse, dass dies wortwörtlich so ist – so heißt es im Trailer zu „Planeta Praha“. Der Dokumentarfilm zeigt beeindruckende Aufnahmen von Tieren mitten in Prag. Manche dieser Wesen erblicken wir zwar ab und zu auch selbst, doch eigentlich bleibt uns ihr Leben verborgen. Andere wiederum bekommen wir gar nicht zu Gesicht.

Der Regisseur Jan Hošek hat bereits rund 60 Dokus und populärwissenschaftliche Filme hauptsächlich für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen gemacht. Außerdem schrieb der 61-Jährige am Drehbuch für den Erfolgsfilm „Planeta Česko“ mit. Das war 2017 sozusagen der Vorläufer des jetzigen Streifens, in dem es damals um das Tierleben in Tschechien ging. Nun wurden die Kameras eben auf die Hauptstadt gerichtet.

Mufflon, Siebenschläfer und Teichhuhn

Mufflon | Foto: Ondřej Prosický,  Planeta Praha

Die Helden in der Natur-Doku zu Prag sind unter anderem ein Mufflon, ein Siebenschläfer, ein Teichhuhn und ein Graureiher. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte Hošek die Auswahl:

„Wir haben uns darum bemüht, dass sie mehrere Kriterien erfüllt. Erstens mussten es Tiere sein, von denen man überhaupt Filmaufnahmen machen kann. Zweitens sollten die Tiere ausreichend interessant aussehen. Zudem haben wir versucht, das Ensemble unserer Helden möglichst bunt zu gestalten. Darum sind ein großes pelziges Tier und ein kleines dabei sowie ein Land- und ein Wasservogel. Und nicht zuletzt ging es darum, dass unsere vier Freunde auch für unterschiedliche Überlebensstrategien in der Stadt stehen.“

Film Planet Prag - Hirschkäfer | Foto: Aerofilms

Denn Städte sind mit ihren Betonflächen ansonsten eigentlich eher lebensfeindliche Orte. Doch selbst damit haben sich einige Tiere arrangieren können. Andere bewohnen die Parks sowie die Ufer der Moldau und einiger Bäche in Prag.

Der Film zeigt aber auch jene Tiere, die wir zur Genüge kennen, nur dass er sie dicht heranzoomt. So erlebt der Zuschauer den Angriff von aggressiven Amazonenameisen auf eine benachbarte Ameisenkolonie – und zwar auf einem Parkplatz in einer Plattenbausiedlung. Bietet Prag aber auch etwas, das die Stadt von anderen Metropolen wie Berlin, Paris oder London unterscheidet?

„Die Natur ist sich in allen Großstädten mittlerweile sehr ähnlich. Auch sie hat sich globalisiert, wie vieles Weitere. Dennoch hat Prag eine Eigenheit – und die liegt in der interessanten und komplizierten Geologie. Dabei greift die Moldau stark in das Gefüge ein. Ihr Wasser hat sich durch die Hügellandschaft hindurchgekämpft und Abhänge entstehen lassen, die zu den wärmsten Orten in Tschechien gehören. Und dort leben viele Insekten und Reptilien, die anderswo bereits verschwunden sind“, so Hošek.

Film Planet Prag - Mufflon | Foto: Aerofilms

Mehrere Tiere haben die Naturfilmer über viele Monate hinweg mit der Kamera verfolgt. So auch das Siebenschläfer-Weibchen auf dem Hügel des Petřín oder Mufflons in einem stadtnahen Wald, die vor Hunden sogar auf das Gelände eines Krankenhauses flüchten. Das erwähnte Teichhuhn wiederum nistet sehr waghalsig – nämlich in einem Becken der Kläranlage im Stadtteil Bubeneč.

Jiří Macháček | Foto: Libor Alexa,  Kuli Film

Der Streifen zeigt aber nicht nur originelle Aufnahmen, sondern informiert im Kommentar über das Leben der Tiere. Die Stimme dazu ist den meisten Tschechen vertraut: Der Schauspieler und Sänger Jiří Macháček hat den Text eingesprochen. Vielleicht ist er auch den deutschen Fans des tschechischen Kinos bekannt – so war er etwa in der Komödie „Samotáři“ (Einzelgänger) aus dem Jahr 2000 zu sehen oder auch im Jan-Svěrák-Streifen „Vratné lahve“ (Leergut) von 2007. Laut Regisseur Hošek hat der Schauspieler nicht nur den Kommentar gelesen, sondern diesen auch mitgestaltet:

„Jiří Macháček liefert ein sehr eigenes Voiceover – aber nicht nur aufgrund seiner Person, sondern auch weil er sich aktiv am Projekt beteiligt hat. Er hat viel Zeit und Energie investiert und auf grundlegende Weise zur endgültigen Form des Kommentars beigetragen. Dabei ließ er nicht nur seinen eigenen Humor einfließen, sondern hat den Text auch stilistisch beeinflusst.“

Bilch | Foto: Ondřej Prosický,  Planeta Praha

Für ihn sei es eine tolle Erfahrung und hervorragende Zusammenarbeit gewesen, schließt Jan Hošek.

Der Kommentar hat aber auch zu einigen kritischen Anmerkungen geführt. Demnach vermenschliche Jiří Macháček an einigen Stellen die Tiere, wie das zum Beispiel in Natur-Dokus im Hollywood-Stil oft geschieht. Allerdings soll der Film auch Kinder begeistern, denn er wird als Kinowerk für die gesamte Familie beworben.

Gedreht im Corona-Lockdown

Ein weiteres Element, das „Planeta Praha“ prägt, ist die Musik. Sie macht das Geschehen in der Natur zu bewegenden Erlebnissen – etwa zu einem Thriller, einem Horrortrip oder einer Romanze. Geschrieben wurde die Musik von Ivan Nacher. Über ihn sagt der Regisseur:

„Ivan Nacher ist einer der besten zeitgenössischen Komponisten Tschechiens. Er hat zum Beispiel Opern fürs Nationaltheater geschrieben und viel Erfahrung mit Theatermusik. Auch er hat sich sehr aktiv am Projekt beteiligt, mehrere Monate lang haben wir zusammengearbeitet. Gemeinsam mit dem Tonmeister des Films, Václav Flégl, entstand nach und nach die definitive Filmfassung. Diese schließt unter anderem echte Töne aus der Natur ein, so etwa bei den Musikstücken, die am Schluss des Films zu hören sind.“

Teichralle | Foto: Ondřej Prosický,  Planeta Praha

Gedreht wurde die Doku zu Corona-Zeiten, damals war Prag wegen des Lockdowns zeitweise wie leergefegt. Das bot die Möglichkeit, ungestört die benötigte Technik aufzufahren. So wurden sehr empfindliche Wärmebildkameras eingesetzt wie auch Drohnen. Insgesamt elf Kameraleute waren zugange, um genügend Material zu sammeln und im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

Die Auswahl der Drehorte ist noch ein weiteres Element, über das die Filmemacher nachgedacht haben…

„Wir haben uns darum bemüht, dass auch Nicht-Prager die Orte wiedererkennen. Außerdem haben wir das Panorama der Prager Burg einige Male hineinkomponiert. Zugleich mussten wir darauf achtgeben, dass die Ortskundigen nicht laut loslachen müssen – wie zum Beispiel bei dem gerade neu herausgekommenen Streifen mit Ryan Gosling, der zum Teil in Prag gedreht wurde und die Prager genau darüber wohl eher schmunzeln lässt“, so der Regisseur.

Tintenfischpilz | Foto: Ondřej Prosický,  Planeta Praha

Jan Hošek meint damit die Netflix-Produktion „The Gray Man“.

Doch zurück zu „Planeta Praha“. Am Ende des Films sind einige Bilder zu sehen, die Prag wie in einem postapokalyptischen Szenario zeigen: Die Stadt verschwindet in einem sich neu entwickelnden Dschungel. Doch was haben Hošek und sein Team damit sagen wollen?

„Mit Sicherheit wird genau dies irgendwann passieren. Die Frage ist nur wann. Wie jedem Lebewesen ist auch dem Menschen nur eine bestimmte Zeit auf der Erde beschieden. Und es liegt einzig an uns, wie schnell wir auf das Ende unserer Zeit hinstreben. Dem ausweichen können wir aber nicht“, erläutert der Filmemacher.

„Planeta Praha“ ist am Donnerstag vergangener Woche in den tschechischen Kinos angelaufen. In einigen Programmkinos wird er auch mit englischen Untertiteln gezeigt.

Autor: Till Janzer
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