Zdeněk Hřib als neuer Parteivorsitzender: Tschechische Piraten ändern ihren Kurs
Die tschechische Piratenpartei hat einen neuen Vorsitzenden. Zdeněk Hřib will die Partei in der politischen Landschaft neu positionieren. Das hat bereits einige Austritte zur Folge.
Das Steuerrad ist übergeben. Ivan Bartoš hatte beim Parteiforum am Samstag in Prag seinen letzten Auftritt als Vorsitzender der tschechischen Piratenpartei. Nach fast 15 Jahren hatte er wegen der schlechten Wahlergebnisse der letzten Zeit seinen Posten zur Verfügung gestellt – nicht jedoch, ohne zum Ehrenkapitän ernannt zu werden. Der Besatzung gab er mit auf den Weg:
„Wir müssen wissen, was wir wollen, herausfinden, was uns verbindet, und dann als Ganzes funktionieren. Und das, obwohl sich unsere Meinungen zu einigen politischen Themen unterscheiden. Darin liegt unsere Stärke, und das ist das ‚We are all we have‘ – niemand anderes wird das für uns erledigen.“
Zum neuen Vorsitzenden wählte die Parteibasis Zdeněk Hřib. Der stellvertretende Oberbürgermeister von Prag setzte sich in der Stichwahl gegen Ex-Senator Lukáš Wagenknecht durch. Mit 454 von insgesamt 866 Stimmen hatte Hřib nur eine knappe Mehrheit hinter sich. Nach der Wahl sagte er vor der Presse:
„Ich sehe es so, dass die Piraten nun eine weitere große Aufgabe vor sich haben. Ich selbst gehe sie mit einer maximalen Bereitschaft an. Wir werden jetzt daran arbeiten, dass uns in den Abgeordnetenhauswahlen 2025 die Stimmen der liberal eingestellten Wähler nicht abhandenkommen. Die Partei hat eindeutig meine Vision befürwortet, und dies ist die Positionierung in der politischen Mitte.“
Er wolle die Piraten vereinen und kultivieren und sich weniger mit Kulturkämpfen oder Genderfragen beschäftigen, ließ der neue Kapitän außerdem verlauten. Dies kann als Absage gegen die bisherige Führung verstanden werden, die sich – wenn nicht explizit links –, so doch aber progressiv gab.
Von Themen wie etwa den Anliegen von LGBTIQ+-Personen werde man sich aber auch jetzt nicht abkehren, betont Hana Hajnová. Die alte und neue Vizevorsitzende erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Das sind unsere Grundwerte, aus denen wir gewachsen sind und die wir verteidigen. Menschenrechte sind immer noch die Priorität für uns. Aber sie sind so etwas wie der Ausgangspunkt. Jetzt müssen wir uns jedoch auf Themen konzentrieren, bei denen wir für die Wähler weniger gut lesbar sind. Dies ist vor allem der Wirtschaftsbereich, oder etwa mein großes Anliegen, das Schulwesen.“
Außer der inhaltlichen Ausrichtung zielen die Pläne des neuen Vorsitzenden auch auf die Parteistrukturen ab. Seine Vision nennt er „Nová pirátská vlna“ (Neue Piratenwelle), und das Ziel ist Hřibs Worten zufolge, dass die Piraten künftig mit einer Stimme sprechen. Der Politologe Aleš Michal von der Prager Karlsuniversität kommentiert, dass die Partei in den 15 Jahren ihrer Existenz noch keine so grundsätzliche Veränderung erlebt habe:
„Dies umfasst einige Aspekte, die die Befugnisse des Vorstandes und des Parteivorsitzenden stärken. Das betrifft vor allem die Vorschläge für die Kandidatenlisten, was recht einschneidend ist. Allerdings muss der Vorsitzende für seine Vorschläge 60 Prozent Zustimmung in dem jeweiligen Kreis gewinnen, in dem die Kandidaten antreten sollen.“
Parteiinterne Kritiker sprechen dennoch von Machtzentralisierung und meinen, dass der neue Kurs gegen die liberalen Ideale von Basisdemokratie verstoßen würde. Mehrere bekannte Mitglieder haben am Wochenende deshalb ihren Austritt erklärt: so etwa die frühere Vizevorsitzende Jana Michailidu, der Vorsitzende des Parteiausschusses für Außenpolitik, Michal Gill, oder auch Marcel Kolaja, Ex-Vizevorsitzender und ehemaliger EU-Abgeordneter. Politologe Michal:
„Dies ist ein großer Verlust für die Partei. Ich nehme an, dass noch weitere Austritte folgen werden. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Partei wirklich verändert und in die politische Mitte rückt. Die aktuellen Austritte kommen vor allem aus dem Flügel, der die Wahl des Vorsitzenden am Samstag sozusagen verloren hat. Dies sind die Anhänger von Lukáš Wagenknecht und der eher progressiven und linken Gruppe.“
Und Hana Hajnová sagt dazu:
„Mir tut jeder Austritt eines Mitglieds leid, denn die Piraten sind auch keine besonders große Partei. Ich kann sie aber nicht aufhalten. Die Verankerung in der liberalen Mitte kann jedoch nun eine interessante Chance für die Piraten sein, andere und neue Gesichter und Experten zu gewinnen.“
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