Zwischen Prostějov, Böhmerwald und München – Schriftstellerin und Schauspielerin Rena Dumont
Rena Dumont ist Schriftstellerin, Schauspielerin und Regisseurin. Für ihren Roman „Die Mühle“ bekam sie vor kurzem beim Festival Šumava Litera in Vimperk / Winterberg den Preis für das beste deutschsprachige Buch. Martina Schneibergová hat mit Rena Dumont gesprochen.
Frau Dumont, wie ist Ihre Beziehung zum Böhmerwald? Denn Sie stammen aus dem mährischen Prostějov, leben aber schon lange in Deutschland.
„Ich habe in den 1990er Jahren einen Bauernhof gekauft. Ich habe mir gar nichts über den Böhmerwald gedacht, ich stamme aus Mähren und kannte das Gebirge gar nicht. Als ich aber das Haus hatte und dort gelebt habe, gewann ich das so lieb. Ich liebe den Böhmerwald so sehr, die Natur dort ist wundervoll. Ich liebe mein Dorf, in dem mein Haus steht. Ich bin dort auch fest zu Hause. Und ich fand es spannend, einen Roman darüber zu schreiben und mich damit auseinanderzusetzen, wie die Leute dort früher gelebt haben und wie es dort gerade im Zweiten Weltkrieg zugegangen ist. Ich bin eine Rechercheratte, ich liebe es, in Archiven zu wühlen und zu forschen. Das war natürlich für mich ein gefundenes Fressen, über eine verlassene Mühle zu schreiben. Es hat mich fasziniert. Da konnte ich den Böhmerwald als Quelle der Inspiration nehmen. Das war wundervoll.“
Wo überall haben Sie recherchiert? Der Roman ist eine Fiktion, stützt sich aber auf konkrete Lebensgeschichten…
„Ich habe auch viele konkrete Sachen verwendet, die ich in verschiedenen Chroniken gelesen habe – in der von Kašperské Hory, von Strakonice und von allen anderen Orten. Zudem habe ich einiges im Archiv in München gefunden. Ich war sehr froh, dass ich die tschechische Sprache beherrsche, denn so konnte ich die Schrift in den Chroniken entziffern. Zum ersten Mal habe ich die sudetendeutsche Thematik wahrgenommen, vorher war mir das nicht so richtig bewusst gewesen. Ich musste daher darüber schreiben.“
Sie sind aber vor allem Schauspielerin, oder?
„Wenn Sie mich so fragen, dann würde ich sagen: Manchmal bin ich Schauspielerin, manchmal Schriftstellerin und manchmal auch beispielsweise Theaterregisseurin und Filmregisseurin. Zwei Filme habe ich bereits gedreht. Und ich habe jetzt gerade eine Inszenierung geschrieben und mit Jugendlichen gemacht. Zudem unterrichte ich Schauspiel an einer Schauspielschule, drehe jetzt auch und schreibe einen Roman. Also ich kann mich nicht definieren. Letztendlich ist mir die Form egal. Sie spielt keine Rolle, sondern die Energie, das Bewusstsein oder der Drang von innen nach außen – das Thema, das mich beschäftigt. Und dann gucke ich mir an, welche Form dafür ideal ist. Dann ist es egal, ob es ein Roman oder eine Theaterinszenierung ist.“
Wie lange haben Sie an dem Roman gearbeitet, für den Sie den Preis bekommen haben?
„Zwei Jahre. Er hat auch lange in der Schublade gelegen. Ich mag das, etwas zu schreiben und es dann für ein Jahr wegzulegen. So kann es reifen. Die Rohfassung schreibe ich sehr schnell, etwa eine Seite pro Tag. Aber dann die zweite Fassung, die Korrektur – da geht das Theater los. Das ist dann langwierig. Im Großen und Ganzen würde ich mit drei Jahren rechnen.“
Rechnen Sie damit, dass der Roman vielleicht ins Tschechische übersetzt wird?
„Das ist meine große Hoffnung, das wünsche ich mir sehr. Denn eigentlich ist es primär ein tschechisches Thema. Es ist unheimlich schwer, denn ich habe in Tschechien keine Connections, was Literatur betrifft. Ich habe bei zwei Verlagen in Deutschland publiziert. Alle beide haben nicht so viele Kontakte zu tschechischen Verlagen. Ich hoffe sehr, dass ich doch einen tschechischen Verlag finde, das wäre großartig.“
Wie waren bisher die Reaktionen der Leser in Deutschland?
„Ich habe sehr viele Autorenlesungen gehabt – mit viel Publikum aus dem sudetendeutschen Raum und im Alter ab 80 Jahren. Das war echt spannend, vor ihnen hatte ich großen Respekt. Ich dachte: ‚Was kann ich jemandem erzählen, der das als Kind erlebt hat?‘ Aber es war wunderbar und sehr herzlich. Ich hatte gute Kritiken und Rezensionen. Das hat mich sehr überrascht. Und vor allem hatte ich dann eine Kulturveranstaltung mit einem Fotografen aus Strakonice. Er hieß František Zemen. Leider ist er verstorben. Er lebte in der gleichen Gegend, in der mein Roman spielt. Also habe ich Fördergelder beantragt, um Veranstaltungen mit dem Adalbert-Stifter-Verein zu organisieren. Zusammen mit Wolfgang Schwarz vom Verein gab es eine wunderbare Veranstaltung in Gasteig in München, bei der ich mit Herrn Zemen und meiner Lesung einen gemeinsamen Abend mit Galerieeröffnung gemacht habe. Ich bedauere es sehr, dass Herr Zemen nicht mehr unter uns ist.“
Sie arbeiten an einem weiteren Roman, wie Sie vorhin angemerkt haben. Woher kommt diesmal die Inspiration?
„Der nächste Roman heißt ,Der Duft meines Vaters‘. Ich weiß noch nicht, bei welchem Verlag ich ihn herausgeben lasse. Es ist eine Geschichte, die ein wenig mit mir zu tun hat. ,Die Mühle’ hat gar nichts mit mir zu tun. Dieser Roman betrifft mich sehr – es geht um die Beziehung zu meinem Vater. Das ist ein etwas schwieriges und für mich emotionales Thema. Der Roman ist aus der Sicht eines 13-jährigen Mädchens geschrieben, das einfach die Liebe seines Vaters sucht. Dieser Roman spielt in Prag und in Mähren.“
Spielt er in ihrer Geburtsstadt Prostějov? Besuchen Sie die Stadt manchmal?
„Ja, ich besuche sie immer wieder. Ich habe dort meine beste Freundin. Jedes Jahr bin ich mit meiner Tochter in Prostějov. Das ist schon wie eine Tradition. Wir spazieren über den Hauptplatz, auf dem früher mal eine Lenin-Statue stand. Jetzt steht dort nichts. Ich genieße es immer, nach Hause zu kommen. Aber ich weiß nicht genau, wo mein wirkliches Zuhause ist. Ich bin sehr dreigeteilt: Prostějov, Böhmerwald und München. Diese drei Orte liebe ich sehr. Die tausche ich wie eine Nomadin.“
An welcher Theaterinszenierung arbeiten Sie derzeit?
„Ich habe eine Theaterinszenierung geschrieben. Vor einem Monat hatte sie Premiere. Sie heißt ,Begehren‘ und wurde mit Jugendlichen einstudiert, denn ich unterrichte Schauspiel. Ich habe das Stück mit der Freien Theater Company erarbeitet. Es ist sehr erfolgreich gelaufen, viel heftiger, als ich gedacht habe. Das liebe ich sehr, denn alle diese Kids haben zum ersten Mal den Zugang zur Weltliteratur gefunden. In dieses Stück habe ich Schiller, Goethe, Shaw, Wilde und Hauptmann verwoben. Wir spielen es auch an Schulen. Und als nächstes möchte eine Adaption meines Erstlingsromans verarbeiten in einem Projekt, das Film und Theaterbühne verbindet.“
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