1984 in der Tschechoslowakei: Ausstellung zeigt Reaktionen auf George Orwells Roman
George Orwells Roman „1984“ steht wie kaum ein anderes Buch für die kongeniale Darstellung eines totalitären Überwachungsstaates. Millionenfach wurde das Werk verlegt, in Dutzende Sprachen wurde es übersetzt. Eine Ausstellung in Prag untersucht nun, wie „1984“ in der Tschechoslowakei rezipiert wurde.
Vor 75 Jahren brachte der englische Schriftsteller George Orwell seinen später weltbekannten Roman „1984“ heraus. Im Prager Gedenkmuseum des 20. Jahrhunderts wurde nun am Dienstag eine neue Freilichtausstellung zum Thema eröffnet. Petr Blažek hat sie kuratiert:
„Uns hat interessiert, welche Auswirkungen das Buch im ‚Orwell-Jahr‘ 1984 in der kommunistischen Tschechoslowakei hatte und wie es von den Dissidenten und den Menschen im Exil aufgenommen wurde.“
Wie Blažek im Gespräch für Radio Prag International weiter erläutert, hätten einige von Orwells Büchern in der Tschechoslowakei tatsächlich erscheinen können:
„Wir haben untersucht, wie Orwells Werk ins Tschechische übersetzt wurde. Sein erstes Buch erschien bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, 1946 dann die ‚Farm der Tiere‘. ‚1984‘ konnte aber nicht vor dem Ende des kommunistischen Regimes herausgebracht werden.“
Das Buch wurde deshalb im Untergrund verbreitet. Unter den Dissidenten habe es großes Interesse an dem Titel gegeben, und es seien gleich mehrere Übersetzungen erschienen, sagt der Historiker. Zunächst wurde eine Übertragung im Samisdat verbreitet, und es folgten weitere. Nennenswert sei aber vor allem eine jener Übersetzungen, die im Exil publiziert wurden. So erschien der tschechische Band im titelgebenden Jahr 1984 in Köln im Verlag Index.
„Das war eine hervorragende Übersetzung von Eva Šimečková, der Ehefrau des bekannten Dissidenten Milan Šimečka“, so Blažek.
Das Jahr 1984 bot den Dissidenten Anlass, Orwells Text mit dem damaligen Regime zu vergleichen. Denn der britische Autor beschreibt in seinem dystopischen Roman einen totalitär regierten Staat. Geprägt sind die Schilderungen von den Erlebnissen des Schriftstellers im Spanischen Bürgerkrieg. Orwell habe zudem große Angst vor einem Atomkrieg gehabt, sagt Blažek. Die Situation im Kalten Krieg in den 1980er Jahren habe deshalb zahlreiche Anknüpfungspunkte geboten, und das Buch habe darum sehr aktuell gewirkt, meint der Geschichtswissenschaftler. Dies damals auszusprechen, blieb aber nicht ohne Folgen…
„Es kam zu zwei politischen Prozessen. Einer spielte sich in der Slowakei ab, einer im heutigen Tschechien. Und auf diesen letzteren Fall gehen wir in der Ausstellung ein. Der Verurteilte, der tschechische Dissident Jaroslav Švestka, verglich Orwells Text mit der Realität. Denn er verfasste ein Tagebuch über die ersten Monate des Jahres 1984. Er dachte, dass es im Exil erscheinen könnte, und wollte es einem Freund in Westdeutschland schicken. Die Staatssicherheit durchsuchte aber die Postsendung. In dem Gerichtsprozess wurde Švestka verurteilt und musste ins Gefängnis.“
1986 und 1987 verbrachte Jaroslav Švestka hinter Gittern. Von vielen Seiten gab es damals Solidaritätsbekundungen und Proteste gegen das Urteil. 1988 erhielt Švestka die Erlaubnis zur Ausreise nach Kanada. Im Jahr 2000 kehrte er dann in seine Heimat zurück, wo er sechs Jahre später verstarb.
Die Freiluftausstellung „1984: George Orwell und die Tschechoslowakei“ kann im Park Kampa gegenüber der Werich-Villa besucht werden. Zu sehen ist sie bis zum 25. September.