Am Rand der Kräfte: Dritte Corona-Welle und Rettungsdienste in Tschechien
Die Intensivstationen in den tschechischen Krankenhäusern sind vollbelegt mit Covid-19-Patienten. Das belastet nicht nur das Personal an den Betten, auch die Rettungsdienste stehen unter einem enormen Druck.
Ständig gehen neue Anrufe ein. Es sind Rekordzahlen, die das Prager Rettungsdienst-Zentrum meistern muss. 700 Mal klingelt mittlerweile am Tag das Telefon. Jana Poštovná ist die Sprecherin der Rettungsdienste in der tschechischen Hauptstadt. Ihren Aussagen nach erleben die Sanitäter die schwierigste Phase seit Beginn der Pandemie vor mehr als einem Jahr:
„Die Menschen, die uns derzeit anrufen, sind meist richtig krank. Sie haben häufig eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut. Selbst über das Telefon ist zu hören, dass sie nur schwer atmen können.“
In der Folge müssen die Rettungswagen häufiger losfahren als es zuvor in der Corona-Krise nötig war. Marek Slabý leitet den Verband der tschechischen Rettungsdienste:
„Ganz deutlich ist die sogenannte dritte Corona-Welle anders als die vorherigen zwei. Die Zahl der Patienten ist spürbar angestiegen. Je nach Kreis sind die Zahlen um 20 bis 30 Prozent nach oben gegangen. Wir müssen aber nicht nur häufiger fahren, sondern haben es auch insgesamt mit einem höheren Anteil an Covid-19-Patienten zu tun.“
Ende Februar fuhren die tschechischen Rettungsdienste nur jedes achte Mal zu einem Corona-Fall. Laut Slabý ist es seit vergangener Woche bereits jedes zweite oder dritte Mal. Und der Verbandschef bestätigt im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks auch, dass die Rettungssanitäter mehr Patienten mit schweren Krankheitsverläufen in die Kliniken bringen müssen.
„Häufig sind das Menschen, von denen wir zunächst nicht wissen, ob sie Corona-positiv sind. Das heißt, bei einer Hälfte der Patienten wissen wir von der Erkrankung, bei der anderen aber wird das Coronavirus erst im Krankenhaus bestätigt. Bei weit mehr Infizierten als früher verschlechtert sich der Krankheitszustand rapide, sodass sie nicht mehr zu Hause bleiben können“, so Slabý.
Volle Krankenhäuser und eine höhere Anzahl an Covid-19-Patienten bringen die Rettungsdienste an ihre Belastungsgrenzen. Pavel Hrdlička leitet die Einsatzkräfte im Kreis Plzeň / Pilsen, der von der dritten Corona-Welle besonders hart getroffen wurde:
„Wir haben große Probleme mit der Primärversorgung durch den Rettungsdienst. Die Fahrten gestalten sich vor allem aus Zeitgründen immer schwieriger. Denn die Wagen müssen jeweils desinfiziert werden, und die Patienten werden in immer weiter entfernte Kliniken gebracht.“
Viele Rettungssanitäter müssten Überstunden schieben, damit sie den Ansturm bewältigen könnten, so Hrdlička. Sie hätten den Eindruck, dass die angespannte Lage schon viel zu lang andauere…
„Wir bewegen uns an der Grenze unserer Kräfte und Kapazitäten. Bei den Überstunden liegen wir ungefähr am Limit von acht Stunden pro Woche, das arbeitsrechtlich noch gedeckt ist. Aber schon seit mehr als einem Jahr ist das so. Bei unseren Mitarbeitern drohen daher Müdigkeit oder sogar das Burn-out-Syndrom“, sagt Pavel Hrdlička.
Anders als beim Krankenhauspersonal lassen sich die Besatzungen der Rettungswagen nicht kurzfristig mit Freiwilligen aufstocken. Denn für den Einsatz braucht es eine spezielle Ausbildung.