Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit
Auch zehn Jahre danach, also nach der politischen Wende, erweist sich die kommunistische Vergangenheit Tschechiens als eine Last, deren Bewältigung der Gesellschaft immer noch bevorsteht. Bisher stand dieses Problem am Rande ihrer Aufmerksamkeit, wodurch ausreichender Spielraum für die ehemalige kommunistische Nomenklatura geschaffen wurde, sich in den Wirtschaftsstrukturen einzunisten. Ein Signal, dass diese Tatsache nun auch ausserhalb der tschechischen Grenze wahrgenommen wird, kam Anfang dieser Woche aus Brüssel. Mehr dazu von Jitka Mladkova.
Nicht nur ein Signal entsandt, sondern gleich ein Vorhaben deklariert hat die EU mittels ihres für die europäische Integration zuständigen Kommissars Günther Verheugen. Wie er am Montag angekündigt hat, will die Europäische Kommission in ihren diesjährigen Jahresberichten zum Stand der Vorbereitung der jeweiligen Beitrittskandidaten u.a. auch die Verbundenheit zwischen den ehemaligen Machthabern der kommunistischen Ära und den neuetablierten Wirtschaftseliten unter die Lupe nehmen. Ja, gut, aber... So könnte man die im Prinzip positive Reaktion der tschechischen politischen Szene charakterisieren, die gleichzetig von bestimmter Skepsis bezüglich der Realisierbarkeit dieses Vorhabens getragen war. Einige Politiker nehmen es eher als einen politischen Appell wahr, dass auch dieser offensichtlich heikle Bereich der Aufsicht der EU unterliegen soll. Andere wiederum empfinden es als beschämend, dass mit dem, ihrer Meinung nach, augenfälligen Problem nicht die tschechische Regierung, sondern die Europäische Kommission gekommen ist. Ziemlich moderat reagierte der kommunistische Fraktionschef, Vojtech Filip, im Namen seiner Nachfolgepartei: Die Überprüfung der Verflechtung der ehemaligen Parteibosse mit der heutigen Wirtschaftssphäre stehe der Kommission zwar nicht zu, ihre Bemühungen seien aber interessant. Der aktuelle Stand der Dinge in diesem Bereich, für den man sich nun zehn Jahre nach der Wende auch in der EU interessiert, entspricht eigentlich mehr oder weniger der bei weitem nicht voll und ganz erfolgreichen Bilanz der Bemühungen der konservativen Parlamentsparteien, entsprechende gesetzliche Normen zur Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit durchzusetzen.
So konnte z.B. kein ihrerseits von der Regierung verlangter Bericht zur Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit das Licht der Welt erblicken, da es die regierenden Sozialdemokraten schon vor genau einem Jahr verhindert haben, dieses Thema als Programmpunkt auf die Tagesordnung einer Parlamentstagung zu setzen. Nur mit knapper Mehrheit und sozusagen fünf Minuten vor zwölf gelang es hingegen, Ende vergangenen Jahres die Novelle des Strafgesetzes durchzusetzen, mit der die Verjährung der schweren Verbrechen des kommunistischen Regimes verhindert werden konnte. Die Streitigkeiten um die kommunistische Vergangenheit spielten sich jedoch nicht nur in den zurückliegenden zwei Jahren der Amtszeit der regierenden Sozialdemokraten ab, sondern sie begleiteten die Arbeit praktisch jeder tschechischen Regierung nach 1989. Ob sich etwas daran ändert, wenn dieses Problem mittlerweile auch in Brüssel auf Interesse gestossen ist, bleibt abzuwarten. Schliesslich hat der tschechische Aussenminister Jan Kavan auf das angekündigte Vorhaben der Europäischen Kommission gelassen reagiert:
Er könne sich nicht vorstellen, dass die Tschechische Republik dadurch auf irgendwelche Art und Weise Schaden nehmen sollte.